1.a) daß eifrig über Tests zur Geschlechtsbestimmung von SportlerInnen diskutiert wird – bei
-- Emanzipation oder Barbarei
-- Das Ende des Sex: Biologisches Geschlecht ist gemacht
-- Kopf und Herz
-- der Mädchenmannschaft. Dort sei insbesondere auf den Kommentar von Kopf und Herz hingewiesen:
„es ist doch schlicht so, dass es keine zwei geschlechter gibt, da es unklar ist, an was man/frau geschlecht fest machen soll. d.h. selbst biologisch/medizinisch ist das nicht klar, ganz zu schwiegen von sozialen praktiken (drag, plastische chirurgie etc.)… geschlecht ist gemacht und es müsste eigentlich das recht auf selbstbestimmung gelten. […] das genital macht aktuell wohl auch nicht das geschlecht aus, was der fall der leichtathletin zeigt. […]. also sollte man geschlecht endlich als kontinuum begreifen, dann bräuchte man auch solche tests nicht … in denen letztlich auf grund einer vielzahl von faktoren (die medizin ist hier weiter als der allgemeine menschenverstand), […].“
Daraf antwortet Quatsch mit Soße:
„zwei geschlechter gibt es laut aktuellem erkenntnisstand schon seit 565 mio. jahren. sie sind ein universelles und bewährtes prinzip der biologie. in den meisten fällen haben menschen keine probleme, männer und frauen zu unterscheiden. das funktioniert auch, wenn man nur ein gesicht sieht, ohne make up und mit neutraler frisur. kleine kinder und sogar tiere können treffsicher zwischen geschlechtern unterscheiden. eine menschliche entscheidung kann, soll und muss es geben über die rollen, die männer und frauen einnehmen möchten. aber davor haben sie einen biologischen körper, der in den allermeisten fällen eindeutig einem geschlecht angehört.“
Das statement von Quatsch mit Soße enthält nun allerdings einen kleinen, aber entscheidenden Widerspruch:
„zwei geschlechter gibt es laut aktuellem erkenntnisstand schon seit 565 mio. jahren. sie sind ein universelles und bewährtes prinzip der biologie.“
vs.
Menschen haben „einen biologischen körper, der in den allermeisten fällen eindeutig einem geschlecht angehört.“
„in den allermeisten fällen“ ist eben nicht „universell“ (auch im Tierreich ist Zweigeschlechtlichkeit keine universelle Realität).
Also: Es gibt zwar (biologisch eindeutige) Männer und Frauen, aber es gibt nicht ausschließlich zwei Geschlechter, was die von Quatsch mit Soße zugestandenen – wenn auch zahlmäßig geringen – uneindeutigen Fälle zeigen.
„Es gibt keine zufriedenstellende humanbiologische Definition der Geschlechtszugehörigkeit, die die Postulate der Alltagstheorien einlösen würde.“ „Klassifikationskriterien können [… nämlich] die Genitalien zum Zeitpunkt der Geburt oder die Chromosomen sein, die im Zuge vorgeburtlicher Analyseverfahren festgestellt werden; beide müssen nicht notwendigerweise übereinstimmen.“
Dieser Realität ist eine Zuordnungspraxis, die nur die Alternative „Mann oder Frau“ zuläßt, auf jeden Fall unangemessen – egal wie wenig uneindeutige Fälle es gibt. Auch ein Fall stellt bereits den strikten Binarismus in Frage. Jeder uneindeutige ‚Fall‘, der dennoch zu Mann oder Frau erklärt oder per Zwangs-OP (eindeutig[er]) gemacht wird, ist kein Fall von biologischer Erkenntnis, sondern von sozialer Herrschaftspraxis.
Dagegen greift auch nicht der Einwand durch, daß es für sportliche Leistungen (anders als bspw. für die Benutzung von Toiletten und Umkleidekabinen oder – einvernehmliche oder gewaltsame – sexuelle Handlungen) ohnehin nicht auf die Genitalien, sondern allein auf die Chromosomen ankomme. Denn wie mehrere KommentatorInnen bei der Mädchenmannschaft dargelegt haben, garantieren auch XY-Chromosomen keine höhere sportliche Leistungsfähigkeit:
Helga schreibt:
„Wenn Semenya eine komplette Androgenresistenz hat, dürfte sie z.B. bei den Olympischen Spielen starten. Eben weil ihr Körper keine männlichen Hormone verarbeiten kann. Sie wäre kein Mann. Und auch keine normale Frau. Das Y-Chromosom nützt bei der Androgenresistenz nichts. die männlichen Sexualhormone werden ja nicht verarbeitet […]. Oder wenn das Y-Chromsosom abgeschaltet ist, dann würden nicht mal Hormone produziert.“
Kasu zitiert einen Spiegel Online-Artikel:
“Normalerweise weisen Frauen zwei X-Chromosomen in ihren Zellen auf, Männer ein X- und ein Y-Chromosom. Manche mit einem Y-Chromosom geborenen Menschen entwickeln alle körperlich charakteristischen Merkmale einer Frau – ausgenommen der inneren Sexual-Organe. Sie leiden unter dem Androgen-Insuffizienz-Syndrom (AIS). Diese Frauen sind XY, allerdings kein Mann, weil ihr Körper nicht auf das produzierte Testosteron reagiert. Deshalb dürfen sie auch bei den Frauen starten. Sieben der acht Frauen, die 1996 bei Olympia in Atlanta positiv auf Y-Chromosomen getestet wurden, hatten AIS und durften teilnehmen. ”
und fügt dann hinzu:
„Daher könnte es gut sein, dass Caster Semenya überhaupt kein wettkampfrechtlichen Konsequenzen hat, auch wenn sich herausstellt, dass sie eine XY-Frau ist.“
Für den Bereich des Sports wäre also – im Interesse einer Vergleichbarkeit der Leistungen (wenn denn nicht überhaupt das Konzept der „Leistung“ und der „Leistungssport“ in Frage gestellt werden sollen – zwei Fragen die an dieser Stelle nicht diskutiert werden sollen) – statt einer Kategorisierung nach „Mann oder Frau“ eine Bildung von Leistungsfähigkeitsklassen nach Kriterien, wie sie Herz und Kopf vorgeschlagen hat, vorzuziehen:
für den sport gilt es also anstatt der schwammigen zuordnung per geschlecht, genaue kriterien festzulegen, dies könnten sein:
- körpergröße
- alter
- gewicht
- lungenvolumen
- bmi
oder was es sonst noch für leistungesrelevante kriterien gibt.“
In einem Punkt hat allerdings Quatsch mit Soße recht:
„In fragen der biologischen und körperlichen tatsachen zählen biologie und körper.“
Dagegen greift auch der Einwand von Sven nicht durch:
„Ich würde behaupten, dass jegliche Anbindung an vordiskursive ‘Tatsachen’ schlichtweg sinnlos ist; aus unserer Sprache und Kultur kommen wir nicht heraus.“
aa) entwertet dieser Eiwand nicht nur – wie beabsichtigt – die hegemoniale Behauptung eines Tatsachen-Charakters der ausschließlichen Zweigeschlechtlichkeit, sondern genauso auch die auf die Tatsache der Intersexualität gestützte Kritik an der hegemonialen Sichtweise,
womit sich bb) zeigt, daß ein ‚lingustizistischen Monismus‘ – gegen den sich im übrigen auch Judith Butler wendet – nur in Subjektivismus = Willkür enden kann.
Daß wir unsere Erkenntnisse nur mittels Sprache produzieren und formulieren können, heißt nicht, daß es die Gegenstände unserer Erkenntnisse nicht gibt.
b) Ergänzend sei – gegen
Quatsch mit Soße:
„ich denke, du erfindest hier kriterien für eine unhaltbare these. dass menschen biologisch frauen und männer sind und sich als frauen und männer fortpflanzen, ist eine tatsache, […]“ –
noch darauf hingewiesen, daß auch das – für den Sport allerdings nicht besonders relevante Kriterium der Gebärfähigkeit keine eindeutige Zuordnung aller Menschen zu einem von ausschließlich zwei Geschlechtern erlaubt:
Auch unter dem Gesichtspunkt der Generativität, läge es durchaus nahe, mehr als zwei Hauptgruppen – Männer (angeblich = Nicht-Gebärfähige) und Frauen (angeblich = Gebärfähige) – zu bilden. Es läge unter dem Gesichtspunkt der Generativität vielmehr nahe, mindestens drei – vielleicht auch vier, fünf, oder sechs – Hauptgruppen zu bilden:
• Nie-Gebärfähige (darunter solche, die trotzdem gebären wollen, und solche die ohnehin nicht gebären wollen);
• Noch-Nicht- und Nicht-Mehr-Gebärfähige;
• (gebärwillige und gebärunwillige) Gebärfähige.
Und vor allem sind wohl Kulturen denkbar, die den Umgang mit den Folgen des Gebärens so regeln, daß die Tatsache des Gebärens nicht mehr ausschlaggebend für die Positionierung von Individuen in der gesellschaftlichen Struktur ist. (Das letzte Argument führt durchaus nicht zur Restauration der Unterscheidung zwischen sex und gender. Denn jedenfalls das Gebären ist [anders als die Gefährfähigkeit, die aber wiederum – wie gezeigt – nicht allen Frauen gemeinsam ist!] keine Eigenschaft (des sex Frau), sondern eine Tätigkeit. Es bleibt also bei Butler: Würde von der Tätigkeit des Gebärens bzw. Nicht-Gebärens – also vom doing gender – auf die Existenz zweier sex mit unterschiedlichen biologischen Eigenschaften geschlossen, so wäre dies nur ein neues Argument dafür, daß sex nicht ursprünglich, sondern vielmehr ein Effekt von gender ist.)