Vorschläge für korrigierte Übersetzungen zweier Butler-Zitaten aus Gender Trouble sowie eines Zitates aus Doing Gender von West/Zimmermann
Butler-Zitat 1:
a) us-amerikanisches Original
„[…], gender is always a doing, though not a doing by a subject who might be said to preexist the deed. […]. There is no gender identity behind the expressions of gender; that identity is performatively constituted by the very ‚expressions‘ that are said to be its results.” (Judith Butler, Gender trouble, New York / London, 1990, 25).
b) Übersetzung in der deutschen Ausgabe
„[…] die Geschlechtsidentität [ist] ein Tun, wenn auch nicht das Tun eines Subjekts, von dem sich sagen ließe, daß es der Tat vorausginge. […]. Hinter den Äußerungen der Geschlechtsidentität (gender) liegt keine geschlechtlich bestimmte Identität (gender identity). Vielmehr wird diese Identität gerade performativ durch diese ‚Äußerungen‘ konstituiert, die angeblich ihr Resultat sind.“ (Judith Butler, Das Unbehagen der Geschlechter, Suhrkamp: Frankfurt am Main, 1990, 49 – Hv. i.O.).
c) Vorschlag für eine korrigierte Übersetzung
„[…] gender ist ein Tun, wenn auch nicht das Tun eines Subjekts, von dem sich sagen ließe, daß es bereits vor der Tat existierte. […]. Hinter den Äußerungen von Geschlecht* liegt keine Geschlechtsidentität, vielmehr wird diese Identität gerade performativ durch diese ‚Äußerungen‘ konstituiert, von denen gesagt wird, daß sie das Resultat jener Identität seien.“
* gemeint sind: vergeschlechtliche Handlungen, kulturelle Codes etc.
Anmerkung:
Soll gender überhaupt übersetzt werden und nicht einfach der englische Ausdruck auch im Deutschen verwendet werden, so ist meiner Auffassung nach generell die Übersetzung „soziales Geschlecht“ (im Unterschied zu: sex = biologisches Geschlecht) der in der Suhrkamp-Ausgabe gewählten Übersetzung „Geschlechtsidentität“ vorzuziehen. Der Begriff gender bezieht sich in der feministischen Diskussion keineswegs nur auf Identitätsfragen.
„expressions of gender“ übersetze ich dagegen schlicht als „Äußerungen von Geschlecht“, da ohnehin klar ist, daß es sich um nicht biologische Phänomene handelt, sondern um das, was im sexistisch-biologistischen Diskurs als – notwendige – soziale Konsequenzen des biologischen Geschlechts angesehen wird.
An der vorliegenden Stelle ist die Suhrkamp-Übersetzung von gender als „Geschlechtsidentität“ besonders absurd, weil dies dann in der Konsequenz dazu führt, gender identity nicht als Geschlechtsidentität zu übersetzen.
Butler-Zitat 2
a) us-amerikanisches Original
„If gender attributes, however, are not expressive but performative*, then theses attributes effectively constitute the identity they are said to express or reveal. The distinction between expression and performativiness is crucial. If gender attributes and acts, the various ways, in which a body shows or produces its cultural signification, are performative, then there is no preexisting identity by which an act or attribute might be measured; […]“ (Judith Butler, Gender Trouble, Routledge: New York, 1990, 141).
* performative (≈ hervorbringend) ‹ lat. per- (= durch und durch, völlig, von Grund auf) + lat. formare (= gestalten, bilden).
b) Übersetzung in der deutschen Ausgabe
„Wenn die Attribute der Geschlechtsidentität nicht expressiv, sondern performativ sind, wird die Identität, die sie angeblich nur ausdrücken oder offenbaren sollen, in Wirklichkeit durch diese Attribute konstituiert. Die Unterscheidung zwischen Ausdruck und Performanz ist zentral: Wenn die Attribute und Akte der Geschlechtsidentität, die verschiedenen Formen, in denen ein Körper seine kulturellen Bezeichnungen zum Vorschein bringt oder produziert, performativ sind, gibt es keine vorgängig existierende Identität, an der ein Akt oder Attribut gemessen werden könnte.“ (Judith Butler, Das Unbehagen der Geschlechter, Suhrkamp: Frankfurt am Main, 1990, 207).
c) Vorschlag für eine korrigierte Übersetzung
„Wenn die Eigenschaften der Geschlechter nicht ausdrückend, sondern hervorbringend [präziser: hervorgebracht, TaP] sind, dann konstituieren diese Eigenschaften die Identität, von der behauptet wird, daß sie sie ausdrücken oder offenbaren würden. Die Unterscheidung zwischen Ausdruck und Performativität [Hervorbringung] ist zentral: Wenn die Eigenschaften der Geschlechter und die geschlechtlichen Handlungen, die verschiedenen Formen, in denen ein Körper seine kulturelle Bedeutung zeigt oder produziert, performativ sind, dann gibt es keine vorgängig existierende Identität, an der diese Eigenschaften oder Handlungen gemessen werden könnten, […].“
Das Zitat von West/Zimmermann
a) englisches Original
„Doing gender involves a complex of socially guided perceptual, interactional, and micropolitical activities […]. When we view gender as an accomplishment, an achieved property of situated conduct, our attention shifts from matters internal to the individual and focuses on interactional and, ultimately, institutional arenas. Gender […] is the activity of managing situated conduct in the light of normative conceptions of attitudes and activities […].“ (Candace West / Don H. Zimmermann, Doing gender, in: Judith Lorber / Susan A. Farell (Hg.), The Social Construction of Gender, Sage: Newbury Park / London / New Dehli, 1991, 13 – 37 [14] – Hv. i.O.). /
b) deutsche Übersetzung durch Regine Gildemeister und Angelika Wetter (Wie Geschlechter gemacht werden. Die soziale Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit und ihre Reifizierung in der Frauenforschung, in: Gudrun-Axeli Knapp / Angelika Wetterer [Hg.], Traditionen. Brüche. Entwicklungen feministischer Theorie, Kore: Freiburg i. Br., 1992, 201-254 [212] – Hv. getilgt; der letzte Satz des hier angeführten Zitates ist dort nicht mit zitiert bzw. übersetzt)
„Das Herstellen von Geschlecht (doing gender) umfaßt eine gebündelte Vielfalt sozial gesteuerter Tätigkeiten auf der Ebene der Wahrnehmung, der Interaktion und der Alltagspolitik, […]. Wenn wir das Geschlecht (gender) als eine Leistung ansehen, als ein erworbenes Merkmal des Handelns in sozialen Situationen, wendet sich unsere Aufmerksamkeit von Faktoren ab, die im Individuum verankert sind, und konzentriert sich auf interaktive und letztlich institutionelle Bereiche.“
c) Vorschlag für eine korrigierte Übersetzung
„Doing gender ist ein gegliedertes Ganzes [eine Struktur] von sozial gesteuerten, wahrnehmungs-bezogenen und mikropolitischen Tätigkeiten und Interaktionen […]. Wenn wir gender als etwas Hergestelltes ansehen, als ein produziertes Merkmal [gesellschaftlich] situierten Verhaltens, dann verschiebt sich unsere Aufmerksamkeit weg von Dingen im Innern von Individuen und richtet sich [statt dessen] auf institutionalisierte Kampfplätze, an denen interagiert wird. […]. Gender ist Bewältigung [Erledigung] [gesellschaftlich] situierten Verhaltens im Lichte von normativen Konzeptionen für Haltungen und Handlungen.“
(mehr…)