Bertrand Sassoye / Pierre Carette / Pascale Vandegeerde / Didier Chevolet
AN DIE MILITANTEN DER „INTERNATIONALEN INFOLÄDEN“
(Antwort auf den offenen Brief vom Sommer 1990)
AN ALLE GENOSSINNEN UND GENOSSEN
Oktober 1991
EINLEITUNG
A. Zur Erinnerung: der Ursprung der Debatte
Im Oktober 1988 ist eine kleine Broschüre mit dem Titel „Frontline Info / Neues von Frontline“, (*) verteilt worden, in der verschiedene Dokumente und Kommuniqués (in französischer Übersetzung oder in englischer Version) zusammengestellt waren. Sie stammte von der Buchhandlung ‚Slagerzicht“, vom „Internationalen Informationszentrum Frontline’, von der „Stedelijk Overleg Amsterdam“ und von der „Revolutionär Initief Amsterdam“. Auf diese Weise beabsichtigten die AutorInnen, die Elemente der Information und Analyse bezüglich der damaligen schweren Krise zwischen den militanten Kräften der Niederlande auf die internationale Ebene zu bringen. Sie haben damit versucht, eine Verurteilung der ihnen entgegengesetzten Tendenz zu veranlassen, hauptsächlich gegen „Politieke Vleugel van de Kraakbeweging“ und gegenüber der Zeitung „Knipselkrant“ – zu deren Boykott sie übrigens aufriefen.
Durch diese Veröffentlichung und die darin genannten Zusammenhänge und Schlußfolgerungen entschieden wir uns, an der Debatte teilzunehmen, und dies umso gewissenhafter, da uns außerdem die Militanten von „Knipselkrant“ und vom „Politieke Vleugel van de Kraakbeweging“ direkt dazu aufgefordert haben. Im Juli 1989 haben wir mit anderen GenossInnen ein Dokument mit dem Titel „Betreffend die aktuelle Krise zwischen den revolutionären kämpferischen Kräften in den Niederlanden“(*) veröffentlicht. Wir denken, daß die Kenntnis der Broschüre „Frontline Info“ vom Oktober/November 1988 und unseres eigenen Beitrags vom Juli 1989 für ein gutes Verständnis der Debatte, wie sie sich zu Beginn darstellte, nützlich ist.
B. Die Entwicklung der Debatte
Unser Dokument vom Juli 1989 hat verschiedene Reaktionen hervorgerufen. Im September des gleichen Jahres hat der „Politieke Vleugel van de Kraakbeweging“ einen offenen Brief mit dem Titel ‚De krisis binnen de links raifikale buitenparlementaire beweging in Nederland’(*) an uns gerichtet. Der „P.V.K“ stellte darin seine Analyse der Krise, ihres Ursprungs, ihrer Entwicklungen und Perspektiven, der sich gegenüberstehenden Parteien etc. dar. Er präsentierte auch die Geschichte und die Rolle der Hausbesetzerbewegung in den Niederlanden. Wir finden hier die Gelegenheit, den GenossInnen des „Politieke Vleugel van de Kraakbeweging“ für ihr Mitwirken zu danken.
Im Juli 1990 erhielten wir eine imposante Broschüre in deutscher Sprache mit dem Titel „Dokumentation der Diskussion um den Boykott der Knipselkrant“, herausgegeben von den „Internationalen Infoläden“(*). Unter den Dokumenten dieser Publikation war im Namen eines „Teils der internationalen Struktur der Infoshops“ ein offener Brief an uns gerichtet.
Ein Aspekt dieses Briefes ist der Mühe wert, hervorgehoben zu werden, denn wir finden hier die Gelegenheit, an einen wichtigen Punkt unserer eigenen Position in der anfänglichen Debatte zu erinnern. In bezug auf die Krise zwischen den militanten Kräften in den Niederlanden haben wir von Anfang an die Grenzen und das Wesen unserer Intervention festgelegt. Unser konkretes Außenvorbleiben vor der niederländischen Bühne (und dazu die Inhaftierung einiger von uns) löste unsere Autorität in nichts auf und räumte uns nur eine politische Verantwortung ein. Übrigens hat sich in diesem Zusammenhang unser Beitrag vom Juli 1989 streng auf theoretischem Terrain gehalten und neben der Fragestellung nur auf den politischen Ratschlag oder die politische Kritik gestützt, in deren Abschluß wir den Boykott von „Knipselkrant“ verurteilen.
Die GenossInnen der „Infoläden“ scheinen, zumindest in dem an uns gerichteten Brief, die gleiche Zurückhaltung an den Tag zu legen. Dieser Text erwähnt nur kurz die Ereignisse in Amsterdam und bestätigt, daß es vor allem den direkt betroffenen Parteien zukommt, Stellung zu beziehen. Das Wesentliche dieses offenen Briefes besteht also aus einer Reihe von Reflexionen, Fragestellungen, Aufforderungen, auf die wir antworten möchten, aber auch aus Behauptungen, die wir gänzlich ablehnen. Einerseits ist dies die Eröffnung einer Debatte, von der wir uns wünschen, daß sie sich auf politischem Gebiet entwickelt und qualifiziert, andererseits aber eine Art Streit, den wir unbegründet finden. Wir hoffen, daß sich die Debatte in Zukunft streng auf die Fragen des theoretisch-politischen Interesses für den Fortschritt der revolutionären Bewegung beschränkt. In dieser Beziehung behalten wir volles Vertrauen und danken an dieser Stelle den GenossInnen der „Infoläden“ für ihren Brief.
Nachdem die Beiträge, die bis heute im Verlauf der Debatte erstellt wurden, angeführt worden sind, drängt es sich auf, die Abwesenden zu einer Stellungnahme aufzufordern… mit Ernsthaftigkeit, aber genauso mit Vorsicht. Wir können nicht akzeptieren, daß zwei zentrale Teilnehmer der Anfangsdebatte, nämlich die „Revolutionär Initiatief Amsterdam“ und „Knipselkrant“, es bis zum heutigen Tage nicht für nötig gehalten haben, sich zu äußern. Wir sind der Ansicht, daß ein solcher Rücktritt, wenn er sich bestätigt und als ungerechtfertigt erweist, die Betroffenen sehr stark in Mißkredit bringt. Aber wir haben gesagt, daß wir vorsichtig sein möchten. Zu der Zeit, als wir dieses Dokument fertigstellten, entdeckten wir zum Beispiel eine Broschüre in deutscher Sprache mit dem Titel „Beitrag für die Debatte… Mai ’91“, unterschrieben mit „Kommunistische Brigaden“(*), die besonders die Begriffe der Diskussion, die uns beschäftigt, zu berücksichtigen scheint und sich ihren politischen Thesen zuwendet. In der Erwartung, mehr darüber zu erfahren und unter anderem diesen neuen Beitrag einordnen zu können, begnügen wir uns damit, jeden an seine politische Verantwortung zu erinnern, in der Hoffnung, daß dies von allen geachtet wird.
C. Die Fortsetzung der Debatte
Mit unserer Intervention vom Juli 1989 waren drei Kollektive aus unserem Land, „Classe contre classe“, die Zeitschrift „Correspondances Revolutionnaires“ und die vier militanten Gefangenen der Kämpfenden Kommunistischen Zellen (CCC), beschäftigt. Sie brachte folglich die jedem Kollektiv eigene militante Vorgehensweise zum Ausdruck. Der hier vorliegende Text unterscheidet sich von den vorhergehenden insofern, als er ausschließlich von den Gefangenen verfaßt wurde. Warum? Was „Classe contre classe“ betrifft, so hat sich diese Struktur Ende 1989 selbst aufgelöst. Was die Zeitschrift „Correspondances Revolutionnaires“ betrifft, so macht sie eine Periode der internen Reflexion bzw. Neudefinition durch, deren Ergebnis Vorrang vor allen kollektiven öffentlichen Stellungnahmen hat.
Die vorliegende Antwort auf den offenen Brief der Militanten der „Infoläden“ stammt ausschließlich von den Gefangenen; sie drängt noch mehr darauf, die Debatte streng auf den theoretisch-politischen Bereich zu beschränken. Wir streiten nicht ab, daß dies eine genau vorgegebene Grenze ist, was manche unter Umständen beklagen werden. Unsererseits aber glauben wir, daß man auch sagen kann: die Debatte auf die theoretisch-politische Ebene erheben. Uns scheint, daß bei einer Erklärung der zahlreichen aktuellen Sackgassen subjektive Orientierungen und Verhaltensweisen vorherrschen über die wissenschaftliche Analyse und die revolutionäre Moral. Wir hoffen, daß der vor einiger Zeit begonnene Austausch sich auf internationaler Ebene vergrößern und verbessern wird. In dem Willen, ein ganz klein wenig diesem Fortschritt zu dienen, präsentieren wir diese Arbeit. Für die Verspätung entschuldigen wir uns.
D. Vorstellung
Unsere Antwort besteht aus zwei Teilen. Der erste, unserer Meinung nach der wesentliche Teil, behandelt politische Probleme von Bedeutung. Wie wir glauben, sind diese für die militante Bewegung in Deutschland oder in den Niederlanden besonders bedeutungsvoll. Dieser erste Teil besteht aus zwei Texten:
- EIN BISSCHEN ÜBER POLITIK
- ANTWORT AUF ZWEI PRÄZISE FRAGEN.
Wie stellt ihr euch den Kampf gegen das Patriarchat vor? Welche Bedeutung hat dieser Kampf für euch?
Der zweite Teil, der zwar nebensächlich, unserer Meinung nach aber notwendig ist, liefert einige zusätzliche Präzisierungen zu unserem Dokument vom Juli 1989, ebenso wie er mit den Behauptungen der Militanten der „Infoläden“ aufräumt. Die Texte des zweiten Teils tragen die Titel:
- „Falsche Zitate“?!
- Verrat, Konfrontation und Gewalt
- Die „Ätzerinnen“ (sic)
- Das Dokument der „Revolutionär Initiatief Amsterdam“
Die Dokumente, auf die in den Texten des zweiten Teils Bezug genommen wird, werden im Nachtrag in Form von Photokopien präsentiert.
Muß darauf hingewiesen werden, daß wir Reaktionen nur auf die beiden Texte des ersten Teils erwarten? Was uns betrifft, so betrachten wir den zweiten Teil als endgültig abgeschlossen.
Alle Dokumente mit Sternchen können bestellt werden bei:
„CORRESPONDANCES REVOLUTIONNAIRES“
BP 1310, 1000 BRUXELLES 1, BELGIQUE
ERSTER TEIL
EIN BISSCHEN ÜBER POLITIK
„Wie soll man die Wahrheit über den Faschismus sagen, als dessen Gegner man sich bezeichnet, wenn man nichts über den Kapitalismus sagen will, der ihn erzeugt?
Wie könnte eine solche Wahrheit ein praktisches Vermögen haben?“
BERTOLT BRECHT
In unserem Dokument vom Juli 1989 bestand das Wesentliche der Kritik am Aufruf zum Boykott von „Knipselkrant“ in zwei Punkten. Erstens: Wir wiesen darauf hin, wie sehr sich die Anklageschrift als von Arglist aufgeblasen herausstellte. Zweitens: Wir beklagten die systematisch unpolitische Haltung der Äußerungen, die die Denunziation von „KK“ unterstützten, und dies um so mehr, als der Grund und der Einsatz der offenen Krise in aller Offensichtlichkeit höchstgradig politisch waren.
Folglich bedauern wir, feststellen zu müssen, daß sich auch der offene Brief der GenossInnen der „Infoläden“ durch eine Tendenz zur Festsetzung sehr relativer Interessenpunkte charakterisiert, bei Vernachlässigung – bewußt oder nicht – der politischen Substanz und der politischen Möglichkeiten.
Wir hofften, Gesprächspartner auf einem vornehmlich politischen Terrain zu treffen, aber es wäre unbegründet, für unsere Enttäuschung ausschließlich die Militanten der „Infoläden“ verantwortlich zu machen. Wir sagten bereits, daß die „Debatte“ in ihrem Ursprung ungesunde Merkmale barg. Und in unserem Beitrag vom Juli 1989 waren wir gezwungen, Punkte zu untersuchen, die quasi gänzlich ohne reelles Interesse waren (um so mehr in der Form, wie die „R.I.A.“ diese ausgewertet hat). Aber wir versuchten gleichzeitig, diesen Stand der Dinge zu verändern, um dem Meinungsaustausch eine neue gesunde und konstruktive Orientierung zu geben: eine politische, im wahren Sinne des Wortes. Die Militanten der „Infoläden“ scheinen die Dringlichkeit unserer Sorge nicht zu teilen: ihr offener Brief kümmert sich nicht mehr um Fragen, die für die europäische revolutionäre Bewegung und ihre Zukunft lebenswichtig sind, er erörtert allzu oft nur die Randpunkte ihrer entscheidenden Interessen.
Doch wir wollen unsere Kritik dort, wo sie persönlich wird, noch einmal relativieren. Denn es scheint uns, daß die Haltung und die Vorstellungen, von denen der erhaltene Brief zeugt, in einer großen Fraktion der revolutionären Bewegung in Deutschland oder in den Niederlanden sehr weit verbreitet sind. In dieser Hinsicht hat uns die Erfahrung immer wieder gezeigt, daß die Neigung besteht, den Hauptfragen, die von der historischen Theorie abhängen, sorgfältig auszuweichen; Fragen, deren korrekte Resolution [d.h.: Lösung, Anm. d. Hg.] den gesetzmäßigen Weg der sozialistischen Revolution beschreibt.
Das sehr häufige Fehlen von Reflexionen, bezüglich der Perspektiven der revolutionären Aktivität – selbst im Herzen der Bewegung, die diese für sich beansprucht – kann uns ärgern, überrascht uns jedoch nicht.
Damit sich solche Reflexionen in zentraler und unmittelbarer Art und Weise durchsetzen, muß der objektive Nutzen des revolutionären Prozesses als grundlegend angesehen werden. Ein solch vorrangiges Interesse mag einem revolutionären Militanten nur natürlich erscheinen; in Wirklichkeit ist dieser Zusammenhang jedoch viel seltener, als man glauben könnte. Dieser beträchtliche Mangel stammt vom äußerst schädlichen Einfluß des Subjektivismus.
Eine wichtige Demonstration von Subjektivismus besteht – genau gesagt – darin, die politischen, ideologischen, strategischen und taktischen Entscheidungen von der revolutionären Sache abhängig zu machen; nicht von der wissenschaftlichen Analyse der Realität, sondern von der Geistesverfassung der Militanten. Das heißt diese Entscheidungen nicht von einer globalen Reflexion abhängig zu machen, sondern von dem, was eine besondere Situation oder Erfahrung zu sein scheint.
Thesen wie „Selbstbestimmung der Kampfpole“, Optionen wie „antiimperialistische Front“ sind nichts anderes als die Übertragung spezifischer Eigenschaften des Subjektivismus, die eng verbunden sind mit dem kleinbürgerlichen Individualismus, auf eine – formell und in Anspruch genommene – grüppchenhafte Stufe. Von dem Moment an, wo sich jeder gemäß seinen eigenen Beziehungen, ausgehend von seinen eigenen Erfahrungen, bestimmt, wo jeder nur mit dem Teil der Erfahrung anderer übereinstimmt, der wiederum auf die eigene Erfahrung paßt, erweist sich eine authentische Maßnahme der Synthese – also der Vereinigung und der Organisation – als unmöglich.
Auf diese Weise kann die revolutionäre Bewegung die nebulöse Form eines vielseitigen Bindemittels von stark unterschiedlichen „Polen“ annehmen, die aus einer großen Mannigfaltigkeit sozialer Kategorien stammen, ihre jeweiligen Wege verfolgen (welche bei Gelegenheit durchaus übereinstimmen können), stark mit ihren spezifischen Problemen beschäftigt sind und so eine Unzahl von Prioritäten etablieren. Einige werden sich auf das Problem des Sexismus polarisieren, andere auf die Solidarität mit irgendeinem Volk im Kampf, andere auf den Antirassismus, andere auf den Antimilitarismus, andere auf die Wohnungsfrage, die Hausbesetzer, andere auf den antifaschistischen Kampf, wieder andere auf die Unterstützung politischer Gefangener, und die Liste ist endlos. Innerhalb eines solchen Mosaiks können Brücken geschlagen werden, Verbindungen und Kooperationen sich etablieren, jedoch wird dies niemals verhindern, daß Heterogenität und Zersplitterung strukturell vorhanden sind. Die Unfähigkeit, sich einzubringen, sich in ein globales, synthetisches und zusammenhängendes Projekt zu integrieren und sich in einer zentralen, vereinigten Kraft zu organisieren, verurteilt folglich die revolutionäre militante Bewegung dazu, in revolutionärer Hinsicht nichts zu haben, als den Traum, den Anspruch oder, schlimmer, den sich widerrechtlich angeeigneten Titel.
DER SUBJEKTIVISMUS SPIELT EINE ROLLE IM VORDERGRUND DER ENTARTUNG VON KRÄFTEN, DIE POTENTIELL REVOLUTIONÄR ODER SOGAR REVOLUTIONÄR AN ALTERNATIVEN KRÄFTEN SIND, dazu verurteilt, ewig am Rande des System zu vegetieren, das zu bekämpfen sie vorgeben (vorgaben).
Daß die Frage des Sexismus die Genossinnen, die direkt mit ihm konfrontiert sind, sehr stark beschäftigt, ist normal, genauso wie ein immigrierter Genosse in der Frage des Rassismus besonders wachsam sein wird. Oder mehr noch, daß die einer dramatischen ökonomischen Unsicherheit unterworfenen GenossInnen persönlich gegen die Ungleichheiten, die Verschwendung und die Spekulation revoltieren werden. Und wir könnten noch hundert ebenso unleugbare Fälle aufzählen. Denn wir beabsichtigen bestimmt nicht, bis zu welchem Grad auch immer, die Legitimität des Kampfes gegen den Sexismus, den Rassismus, die Degradierung der Lebensbedingungen etc. in Abrede zu stellen; so wie es auch nicht darum geht, eine Hierarchie von mehr oder weniger widerwärtigen Phänomenen zu erstellen und diese stufenweise anzugreifen.
Wovon zumindest von einem revolutionären Standpunkt aus die Rede ist, ist, alle unsere Kräfte zusammenzunehmen, um eine starke Kriegsmaschine gegen das kapitalistische System (und all seine sozialen Äußerungen, wie Rassismus, Sexismus etc.) aufzubauen, die homogen und zusammenhängend ist; eine Kriegsmaschine, die ihre Anstrengungen auf Punkte konzentriert, an denen das System verwundbar ist, an denen der revolutionäre Hebel es am sichersten und schnellsten ins Wanken bringen kann (und nicht dort, wo dieses System für diesen oder jenen Genossen am widerlichsten ist).
Wir lesen in dem offenen Brief der GenossInnen der „Infoläden“, daß als Antwort auf eine angeblich vom „P.V.K.“ gemachte Äußerung – „Erst die Revolution, dann die Frauen“ – der Aufruf zum Boykott der „Knipselkrant“, ausgehend von Deutschland, folgenden Abschnitt enthielt: „Ein revolutionärer Kampf kann nur antiimperialistisch und antipatriarchal sein. Es gilt im Kampf um Selbstbestimmung und Kollektivität gegen Unterdrückung und Ausbeutung in allen Punkten zu kämpfen und sich selbst darin zu verändern, sich selbst als Subjekt. Nicht einen Bereich auf später oder irgendwann zu verschieben. Entweder wir packen es an und kämpfen gegen Unterdrückung und Ausbeutung, oder wir bleiben Unterdrücker, Ausbeuter, Schwein. Um die HERRschaft des Menschen über den Menschen zu beenden, ist es notwendig, den antipatriarchalen Kampf zu führen. Ein Kampf, der nicht antipatriarchal ist, ist KEIN revolutionärer Kampf.“ Ja, ein Kampf, der nicht antipatriarchalisch ist, ist kein revolutionärer Kampf. Und ein Kampf, der nicht antirassistisch ist, ist kein revolutionärer Kampf. Und ein Kampf, der nicht antifaschistisch ist, ist kein revolutionärer Kampf. Und ein Kampf, der nicht das Ökosystem verteidigt, ist kein revolutionärer Kampf. Und ein Kampf, der nicht solidarisch mit anderen Völkern im Kampf ist, ist kein revolutionärer Kampf. Etc. etc. etc.
Die Formulierung, mit der der oben zitierte Abschnitt schließt, ist schön und legitim, aber sie birgt nicht das geringste praktische Element einer Antwort auf die Frage nach dem revolutionären Kampf heute in Europa. Was tun? Dort liegt die wahre Frage. Die subjektivistische Konzeption der Welt ist absolut unfähig, dieser Frage auch nur einen Deut an Lösung zu geben: bestenfalls erzeugt sie nur eine illusorische und stereotype Einstimmigkeit (wir sind alle gegen Sexismus, Rassismus, Militarismus etc.), in keinem Fall aber erlaubt sie der revolutionären Aktivität, sich in rationeller Art und Weise zu orientieren. Die Marxisten-Leninisten ihrerseits sind der Ansicht, daß das Problem auf zwei Ebenen untersucht werden muß. Da ist einerseits das interne Problem innerhalb der revolutionären Bewegung und andererseits das Problem der Verhältnisse zwischen revolutionärer Bewegung und dem Rest der Gesellschaft.
Es scheint uns richtig und notwendig, daß innerhalb der revolutionären Bewegung größte ideologische Strenge herrscht, und daß man dort keine sexistische, rassistische, individualistische etc. Äußerung toleriert. Hier müssen die Militanten auf genaueste Art und Weise den sozialen Verhältnissen der Gesellschaft, die sie zu konstruieren beabsichtigen, vorgreifen. Aber man darf dabei nicht aus den Augen verlieren, daß es Aufgabe der revolutionären Bewegung ist, die Revolution zu machen, daß die Revolution die gesamte proletarische Klasse betrifft und daß in der Beziehung zwischen revolutionärer Bewegung und Proletariat es der Erfolg der Revolution ist, der alle Kräfte und Aufmerksamkeiten mobilisieren muß.
Es besteht durchaus eine Reihenfolge zwischen den beiden Ebenen, die gleichzeitig deren stärkste und ungeteilte Einheit begründet. Der Sinn der revolutionären Aktivität, also der Bewegung, die Anspruch auf die Verantwortung dieser Aktivität erhebt, ist die revolutionäre Umwandlung der Gesellschaft und nicht die Eroberung einer Enklave neuer Verhältnisse innerhalb der alten Gesellschaft. Die Verdrängung eines sozialen Systems durch ein anderes ist ein historisch-objektives Phänomen, das besonders strengen Gesetzen gehorcht, die durch die historisch-materialistische Analyse, relativ zur Entwicklung der Produktivkräfte und zu den Rollen der sozialen Klassen etc. aufgedeckt werden. In dieser Hinsicht hat die revolutionäre Bewegung in erster Linie die Aufgabe, diese Gesetze zu kennen, sie zu verstehen und sie in all ihren Orientierungen und Taten zu berücksichtigen; bei der Strafe, auf ewig zum Scheitern verurteilt zu sein oder in der Jauche der Alternative (sei sie auch bewaffnet) zu degenerieren.
Man muß sich von der beschränkten, egozentrischen und typisch subjektivistischen Sichtweise befreien, die der revolutionären Bewegung vor allem die Verantwortung zuschreibt, einen für die persönliche und kollektive Entfaltung der Militanten günstigen Bereich abzustecken. Die Revolutionäre verwirklichen sich, indem sie zur Umwandlung der Gesellschaft beitragen (also direkt und indirekt zur eigenen Umwandlung) und nicht, indem sie auf einer selbstbeobachtenden und narzißtischen Suche vom Weg abkommen, was um so unfruchtbarer und suspekter ist, als es utopisch – falsch – ist, eine reale Befreiung von bürgerlich-ideologischen Kategorien ins Auge zu fassen, außerhalb des objektiven Rahmens der sozialistischen Revolution und ihrer Kulturrevolutionen. Der revolutionäre Kampf ist zwar ein Befreiungsfaktor für diejenigen, die sich ihm verschreiben, aber er ist es nur soweit, als man sein Ziel nicht aus den Augen verliert: die Revolution, die Diktatur des Proletariats und den sozialistischen Aufbau in Richtung des Kommunismus.
Abgesehen davon, daß es eine abscheuliche Ungeschicklichkeit ist, „Erst die Revolution, dann die Frauen“ zu verkünden, ist es eine Dummheit. Eine Dummheit, denn die Revolution hat nur einen Sinn als Befreiung der Frauen, der Männer, der unterdrückten Völker und schließlich der gesamten Menschheit. Eine Dummheit, weil die Formulierung glauben macht, daß ein mechanisches Verhältnis dort besteht, wo ein dialektisches ist. Das revolutionäre Vorhaben kann nur ein globales Vorhaben sein, das die Gesamtheit aller Bestrebungen des ganzen Volkes in seiner Verschiedenheit vereinigt und in der Praxis den Weg für die Verwirklichung dieser Bestrebungen öffnet (so auch die Bestrebungen nach Gleichheit zwischen den Geschlechtern, zwischen den Rassen etc.).
Aber „Erst die Revolution“ zu proklamieren, ist das Grundlegende, weil es für die revolutionäre Bewegung nicht darum geht, eine Unmenge einzelner Interessen voranzubringen (seien sie auch legitim und lebenswichtig), sondern den Gang ihrer Globalität, einer Globalität derjenigen Klasse, die allein es erlauben wird, daß sich diese Interessen durch den Sturz des Kapitalismus endlich realisieren und harmonisch miteinander übereinstimmen. (Könnte man nicht übrigens denken, daß dies die GenossInnen vom „P.V.K.“ wirklich auszudrücken versuchten?)
Das Prinzip „Erst die Revolution“ ist wesentlich; es muß gut verstanden und dann verarbeitet werden. Wir als Marxisten-Leninisten beabsichtigen eine permanente Wachsamkeit in bezug auf unser Verhalten und unsere Beziehungen; wir achten darauf, daß sowohl persönlich als auch kollektiv kein Keim sexistischer, rassistischer, individualistischer etc. Fäulnis auftaucht. Aber wir nehmen diese Verhaltensweise als Revolutionäre an, ausgehend von einer objektiven Position der Revolutionäre und mit revolutionärer Zielsetzung. Wir glauben, daß Wachsamkeit und kollektive Kontrolle, revolutionäre Disziplin, Respekt der kommunistischen Moral nur im Rahmen eines globalen, zentralistischen Vorgehens möglich ist, das sich für eine einheitliche Linie, in einer organisatorisch-einheitlichen Kraft für das einzige Ziel, den Sturz der Bourgeoisie und ihres Staates und für den Aufbau des Sozialismus, einsetzt. Wir glauben, nur auf diese Art und Weise einen Anspruch auf den Einfluß der Gesellschaft und ihrer Entwicklung erheben zu können.
Daraus geht hervor, daß wir das Recht auf Selbstbestimmung eines antipatriarchalischen Kampfpols ablehnen, wie wir dieses Recht für alle Kampfpole ablehnen, (daß diese unvermeidlich als spontaner Ausdruck der Gegensätze existieren, ist eine andere Sache). Wir bemühen uns immer um die theoretische, politische und organisatorische Einheit der revolutionären Bewegung, mittels der widerspruchsvollen Debatte, in der sich die richtigen Gedanken gegenüber den falschen durchsetzen, und durch die Konstruktion der Partei.
Das Besondere muß ins Allgemeine übergehen! Die Erfahrung eines jeden sollte in der kollektiven Erfahrung aufgehen, damit sich die kollektive Linie in jeder einzelnen Kampffront ausdrückt (und diese in der Reihenfolge der Prioritäten und der Unterordnung, die die wissenschaftliche Analyse hervorheben wird, organisiert) und damit sie unaufhörlich stärker wird durch den Reichtum aller Erfahrungen und die Überprüfung der Analyse. Außerhalb dieser Maßnahme schreitet nichts fort, ist nichts erreichbar.
Auch wenn wir in dem offenen Brief Abschnitte lesen wie: „Wir wollen, daß eine Organisierung unseres Kampfes gegen das patriarchal-kapitalistische System in den wesentlichen Momenten des sozialen Zusammenlebens, wie wir es uns für die zu erkämpfende Gesellschaft vorstellen, schon enthalten ist“, denken wir, es mit einer (im nicht-materialistischen Sinne) völlig idealistischen Konzeption zu tun zu haben; mit einer subjektivistischen Abweichung, die den Anspruch erhebt auf radikal neue soziale Verhältnisse „in den wesentlichen Momenten des sozialen Zusammenlebens“, vor und/oder unabhängig von einer revolutionären Umwandlung der Gesellschaft.
Dies ist die Art von Überlegung, die im besonderen Sinn zur Aufgabe einer „revolutionären“ Position zugunsten einer alternativen Position führt. Denn schließlich, wenn es wirklich möglich ist, „in den wesentlichen Momenten des sozialen Zusammenlebens“ soziale Verhältnisse zu schaffen, die vollständig zum Ressort der „zu erkämpfenden Gesellschaft“ gehören, warum muß besagte Gesellschaft dann noch erkämpft werden? Man sieht hier, wieviel Keime des Linksradikalismus mit seinen unvernünftigen Forderungen der Subjektivismus auf einmal in sich trägt; dazu noch Keime des Reformismus (wenn auch radikal oder bewaffnet) mit seinem Wunsch, das System zu verbessern und sogar eine Nische in seinen Innerem auszuhöhlen. Es ist unbestreitbar, daß der revolutionäre Kampf für diejenigen, die ihn führen, befreiend ist, aber er ist es nur insofern, als er wirklich revolutionär ist, das heißt, in der objektiven Funktion der übergeordneten Interessen der sozialistischen Revolution; und in den Rahmen dieser Funktion müssen sich die internen ideologischen Kämpfe der revolutionären Bewegung einfügen, wenn man nicht in den alternativen Typus der alternativen Geselligkeit oder den Sektentypus verfallen will.
Lenin bestand auf der Tatsache, daß der Klassenkampf, im genauen Sinn, nicht begänne, ehe sich die Proletarier Ziele gesetzt hätten (seien sie auch nur ökonomischer Art), die ihre Klasse in der Gesamtheit betreffen (sich also der Klasse der Kapitalisten in ihrer Gesamtheit widersetzten). Die Einzelkämpfe (so auch der eine oder andere Streik in dem einen oder anderen Unternehmen), die unvermeidlich auftauchen, bevor diese globalisierende Maßnahme erscheint, stellen, um Lenins Ausdruck wieder aufzugreifen, nur eine „schwache Keimzelle“ des Klassenkampfes dar. Nun, wir wollen auf der Tatsache bestehen, daß man ebenso nicht von revolutionären Kampf sprechen kann, bevor man es mit einem globalen, zentralisierenden Kampf für die Zerstörung des Kapitalismus und für den Aufbau des sozialistischen Systems zu tun hat. Die partiellen und verstreuten Kämpfe, die existieren, bevor dieses globale Projekt erscheint, können in der Tat (d.h. wenn sie Forderungen authentisch-proletarischer Natur ausdrücken) nur als „schwache Keimzellen“ des revolutionären Kampfes bezeichnet werden.
Ein globales revolutionäres Projekt impliziert eine theoretische Vereinigung (weil die Maßnahme der Synthese eine der gesamten revolutionären Bewegung gemeinsame Vision der Welt erfordert, eine Vision der Welt, die unserer Meinung nach der Marxismus-Leninismus sein muß); dies impliziert eine politische, strategische und programmatische Vereinigung (damit die Kräfte den objektiven Bedürfnissen entsprechend sinnvoll konzentriert und verteilt werden und der Zusammenhalt und die Gewicht ihrer Demonstrationen das Vertrauen der Massen gewinnen); dies impliziert schließlich eine organisatorische Vereinigung (die den anderen Ansprüchen an Einheit die Krone aufsetzt und aus der das Konzept der Partei seine historische Legitimität schöpft).
Wir sind nicht naiv: Wir wissen, daß aus den Reihen derer, die sich als „die revolutionäre europäische Bewegung“ bezeichnen, viele einem historischen revolutionären Schritt – der Klasse – fernbleiben werden. Viele werden die „Selbstbestimmung der Kampfpole“ verteidigen und den Schritt der theoretischen, politischen, strategischen, programmatischen und organisatorischen Vereinigung ablehnen; den Schritt der Unterordnung des Teils unter das Ganze, des Zweitrangigen unter das Vorrangige, der einzelnen (oder fraktionellen) Interessen unter das kollektive (oder parteiliche) Interesse.
Wir wissen, daß das subjektivistische, kleinbürgerliche Gift derartig in der europäischen militanten Bewegung verbreitet ist, daß viele GenossInnen noch lange darin verharren werden, sich vorrangig in ihren eigenen Interessenpolen und nicht gemäß der übergeordneten Interessen des revolutionären Kampfes zu positionieren und zu engagieren, wie sie der historische und dialektische Materialismus und die Erfahrung der internationalen kommunistischen Bewegung offenbaren. So werden auch die GenossInnen zahlreich sein, die gegenüber der historisch-zentralen Rolle des Klassenkampfes blind bleiben (Klassen, die – erinnern wir daran – sich objektiv aus der politischen Ökonomie heraus definieren und auf keine andere Weise), dem Widerspruch zwischen Proletariat – und besonders der Arbeiterklasse – einerseits und der Bourgeoisie andererseits, genauso, wie sie blind bleiben gegenüber dem wissenschaftlichen Wert der marxistisch-leninistischen Lehren.
Unsere Pflicht als Kommunisten ist es, diese GenossInnen inständig zu bitten, sich von dem schädlichen Einfluß des Subjektivismus zu befreien, der sie verwirrt. Auch, wenn wir nicht ignorieren, daß eine große Zahl dies nicht kann oder nicht will, solange es stimmt, daß die soziale und kulturelle Herkunft vieler revolutionärer Militanter ein großes Hindernis darstellt, die Abweichungen zu überwinden, die genauso kleinbürgerlich sind wie der Subjektivismus (und seine frontistische Folge), und Einigkeit unter einer authentisch-proletarischen Position herzustellen.
Diese Befreiung kann einen noch härteren und dauerhafteren Kampf erfordern, als die Kämpfe, die nötig sind, um sexistische, rassistische, chauvinistische etc. Verhaltensweisen in den Reihen der revolutionären Bewegung auszurotten. Denn es verhält sich so, daß Antisexismus, Antirassismus etc. als solche, außerhalb eines vorrangigen Klassenzusammenhangs gänzlich mit einer (klein)-bürgerlichen Position übereinstimmen können; es reicht, an die humanistischen Grundlagen der Sozialdemokratie zu denken, in denen sich das europäische, intellektuelle und „progressistische“ Kleinbürgertum unverfälscht wiedererkennt… und auf die es auch seinen fanatischen Antikommunismus stützt. Die Wahl von wirklich proletarischen Positionen und Schritten hingegen erfordert – mit allem, was dies in Begriffen von Engagement, Moral, Disziplin, Parteigeist, Unterwerfung des Teils unter das Ganze, des Opfers an das übergeordnete Klasseninteresse etc. bedeutet – einen fundamentalen und beständigen, definitiven Bruch mit den Interessen und dem individualistischen Gepäck des Kleinbürgertums. Es ist wesentlich, den Individualismus und den Subjektivismus zu verwerfen; es ist ein harter Kampf, den wir in unseren Reihen, unseren Köpfen, unseren Entscheidungen, überall und für alle, ununterbrochen und ohne Zögern führen müssen. Die Kapazität der europäischen revolutionären Bewegung hat einen davon abhängigen, reellen revolutionären Kampf entwickelt.
ANTWORT AUF ZWEI PRÄZISE FRAGEN
Wie stellt ihr euch den Kampf gegen das Patriarchat vor? Welche Bedeutung hat dieser Kampf für euch?
„Die Bourgeoisie, wo sie zur Herrschaft gekommen, hat alle feudalen, patriarchalen (…) Verhältnisse zerstört.“
KARL MARX & FRIEDRICH ENGELS
Manifest der Kommunistischen Partei
Zuallererst, bevor wir zu unserer eigentlichen Position kommen, erscheint es uns sinnvoll, über den Gebrauch des Begriffes Patriarchat nachzudenken, um das Wesen der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, das dem sozialen Gebilde unserer heutigen Länder eigen ist, darzustellen. Wir denken, daß, wenn es auch noch erlaubt ist, in bezug auf bestimmte Länder auf dem Weg der Entwicklung oder periphere Länder (auf verschiedenen Stufen) von Patriarchat zu sprechen, es in bezug auf die entwickelten Länder der imperialistischen Zentren unzweckmäßig ist; ganz einfach, weil, ungeachtet der Beständigkeit von besonderen Formen ökonomischer Ausbeutung, sozialer, ideologischer und kultureller Unterdrückung, die Gleichheit der Rechte zwischen Männern und Frauen erworben ist.
Das Patriarchat beruht auf der Familie, deren Vermögensbesitzer der Mann ist und in der die Übertragung des Vermögens der Abstammung in väterlicher Linie folgt. Allen anderen Aspekten des Patriarchats und insbesondere seinen ideologischen Folgen ist es daran gelegen, die Unterdrückung der Frau auf die eine oder andere Art zu rechtfertigen, was von der Frage des Besitzes des Familienvermögens, seiner Ausdehnung und seiner Übertragung herrührt. Deshalb erlaubt unserer Meinung nach die Gleichheit der Rechte zwischen den Geschlechtern in der zeitgenössischen Familie und insbesondere die rechtliche Gleichheit auf dem Gebiet des Besitzes und des Erbes nicht, die moderne kapitalistische Gesellschaft als patriarchalisch zu bezeichnen; und dies, wir wiederholen es ausdrücklich, trotz der unleugbaren Beständigkeit von spezifischen Äußerungen ökonomischer Ausbeutung, sozialer, ideologischer, kultureller etc. Unterdrückung der Frauen. Wir denken, daß es korrekter ist, unsere aktuellen Gesellschaften als fortgeschrittenen Kapitalismus und die bürgerliche Demokratie als sexistisch zu beschreiben.
Es scheint uns noch wichtiger, den Begriff Patriarchat in seinen exakten historischen Zusammenhang zu stellen. Denn es ist gänzlich absurd und falsch, zu behaupten, daß das Patriarchat die Gebärmutter des Kapitalismus sei oder, wie es die GenossInnen der „Infoläden“ schreiben, „eine den Kapitalismus – mit bedingende Herrschafts- und Unterdrückungsform“.
In einer allgemeinen Form beruht eine solche Konzeption auf dem philosophischen Idealismus: sie behauptet, daß der Überbau die Struktur kreiert; sie versichert in der Finalität, daß der Mensch die Gesellschaft und die Geschichte kreiert, statt ein historisches und soziales Produkt zu sein. Eine solche Konzeption verwirft in absoluter Art und Weise den gesamten historischen und dialektischen Materialismus. Sie ist falsch.
Noch genauer, das Patriarchat ist das Ergebnis der Entwicklung der Produktivkräfte, die, indem sie das niedere Stadium der Barbarei überholten, mit dem primitiven (stämmischen, klanhaften) Kommunismus brachen, in dem die Abstammung nach Mutterrecht herrschte. Es ist das Wachstum der Produktivität der Arbeit, das (dank der Züchtung, der Agrarkultur, der Herstellung von Werkzeugen) die neuen Reichtümer ins Leben rief und die Akkumulation erlaubte. Es maß dem Privateigentum eine neue Dimension bei und wurde dadurch zum Schlüssel für die Vernichtung der traditionellen Verhältnisse, die von der Hauswirtschaft des primitiven Kommunismus abstammten.
Engels: „In dem Verhältnis also, wie die Reichtümer sich mehrten, gaben sie einerseits dem Mann eine wichtigere Stellung in der Familie als der Frau und erzeugten andererseits den Antrieb, diese verstärkte Stellung zu benutzen, um hergebrachte Erfolge zugunsten der Kinder umzustoßen. Dies ging aber nicht, solange die Abstammung nach Mutterrecht galt. Diese mußte also umgestoßen werden und sie wurde umgestoßen. (…) Damit war die Abstammungsrechnung in weiblicher Linie und das mütterliche Erbrecht umgestoßen, männliche Erblinie und väterliches Erbrecht eingesetzt. (…) Die erste Wirkung der nun begründeten Alleinherrschaft der Männer zeigt sich in der nun auftauchenden Zwischenform der patriarchalischen Familie.“ (aus: „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“)
Auch der Kapitalismus entsteht aus der Entwicklung der Produktivkräfte, aber einige Jahrtausende später. Das ist der ökonomische Rahmen in (und aus) dem der Kapitalismus zum Vorschein kommt, bzw. die feudalistische Produktionsweise, die unbestreitbar patriarchialisch ist. Daraus kann man dennoch nicht den logischen Schluß ziehen, daß das Patriarchat der Ursprung des Kapitalismus wäre. Das Wichtigste ist der Privatbesitz an Produktionsmitteln, und es ist belanglos – zumindest aus [dem, Einf. d. Hg.] historischen Gesichtspunkt des Auftauchens des Kapitalismus – ob er innerhalb der Familie von dem einen oder anderen Geschlecht monopolisiert ist oder sich durch die eine oder andere Abstammung überträgt. Dies wird bestätigt durch die einfache Tatsache, daß heute die kapitalistischen Produktionsverhältnisse fortbestehen, wo doch die Gleichheit der Rechte zwischen den Geschlechtern feststeht, was den Besitz, seine Wertsteigerung und seine Übertragung betrifft.
Überdies wäre es sinnvoll zu unterstreichen, daß es die kapitalistische Entwicklung selbst ist (und besonders die industrielle Revolution, die die Frau aus dem Kreislauf des Haushalts herausholt und sie in die Lohnproduktion stürzt), der man die soziale Basis schuldet, die der Bewegung der Frauenbefreiung erlaubt hat, zu entstehen und zu Ergebnissen zu kommen.
Das Patriarchat hinter sich gelassen zu haben, ist einer der historischen revolutionären Verdienste des Kapitalismus.
Dies alles um zu erklären, daß wir in keiner Weise die spezifische Unterdrückung der Frau in der imperialistischen Gesellschaft abstreiten (wie auch ihre Ausbeutung in der ehelichen Familie als ökonomische Einheit, ihre größte faktische Unsicherheit, ihre Versachlichung etc.) und noch weniger die brutalste Unterdrückung, die sie in zahlreichen peripheren Drittweltländern erduldet. Wir beabsichtigen weder, dieses Problem zu bagatellisieren, noch ihm einen Platz in der historischen Evolution der Menschheit einzuräumen, den es nicht hat. Der Kampf für die Gleichheit der Geschlechter schließt sich dem Kampf für die Befreiung aller Unterdrückten und Ausgebeuteten dieser Welt an, aber er ist nicht der wesentliche Hebel. Dieser wesentliche Hebel, wir brachten es kurz in unserem Text „Ein bißchen über Politik“ zur Sprache, ist der universelle und antagonistische Widerspruch zwischen internationalem Proletariat und imperialistischer Bourgeoisie. Allein die revolutionäre Lösung wird diesem Widerspruch einen wirklichen sozialen, ökonomischen, politischen und ideologischen Fortschritt der Menschheit ermöglichen: Der Marsch zu der kommunistischen Gesellschaft.
Wir möchten nun über einen fundamentalen Unterschied zwischen der Ansicht sprechen, die einerseits bei einer großen Mehrheit der für die Befreiung der Frau kämpfenden Bewegungen besteht und andererseits der Ansicht, die von den revolutionären Kommunisten vertreten wird, zu denen wir gehören. Dieser Unterschied besteht in der Position und beruht auf der Klassenanalyse. Unserer Ansicht nach können in einer Gesellschaft, die in sozial-antagonistische Klassen geteilt ist, keine Rechte oder Freiheiten existieren, die dem Klassenkampf übergeordnet sind.
Es ist vollkommen richtig, daß in der Vergangenheit Bourgeoisie und Proletariat manchmal ihre Kräfte vereinigt haben (in widersprechender Form insofern beide selbst Produkte der herrschenden Produktionsweise sind), um den Feudalismus endgültig zu liquidieren.
In diesem sehr allgemeinen Rahmen hat der Kampf gegen das Patriarchat und für die rechtliche Gleichheit der Geschlechter die Bewegungen der bürgerlichen, kleinbürgerlichen und proletarischen Frauen vereinigen können (bis vor nicht allzu langer Zeit, das ist wahr). Aber heute ist es unbedingt nötig zu verstehen, daß diese Zeiten durch die bürgerlichen Demokratien der imperialistischen Zentren ein Ende gefunden haben. Es gibt gegenwärtig überaus mehr gegensätzliche als gemeinsame Interessen einer Bürgerlichen und einer Proletarierin; die Intensität der ersten löscht die zweiten völlig aus.
Tatsächlich hängt alles von den realen Zielen ab, die man zu erreichen sucht. Entweder eine radikale und komplette Veränderung der sozialen Verhältnisse, hin zu der Gesellschaft der Gleichheit; die Abschaffung der Ausbeutung und der Unterdrückung des Menschen durch den Menschen, die Beseitigung des Sexismus, der Phallokratie etc.; oder antisexistische, antiphallokratische Reformen, die aber im Rahmen der global unveränderten sozialen Verhältnisse, in der die Teilung in Klassen und die Unterdrückung des Menschen durch den Menschen fortbestehen, zwangsläufig unbefriedigend sind. Das erste Ziel ist das der revolutionären KommunistInnen, das zweite das der reformistischen, bürgerlichen und kleinbürgerlichen FeministInnen.
Welche Haltung muß die kommunistische Avantgarde gegenüber den Kampfbewegungen proletarischer Frauen (gegen Überausbeutung, Sexismus etc.) einnehmen? Natürlich eine ungebrochene Unterstützung, die aber in eine politische Arbeit integriert sein muß, welche darauf abzielt, diesen Bewegungen ihren natürlichen Rahmen – den Klassenkampf – bewußt zu machen und somit in Richtung des revolutionären Kampfes zu qualifizieren. Und welche Haltung muß die kommunistische Avantgarde gegenüber dem bürgerlichen und kleinbürgerlichen Feminismus einnehmen? Eine Kritik ohne Zugeständnisse an seinen reformistischen und antiproletarischen Charakter.
Abschließend denken wir: wenn es richtig ist, den Sexismus und die Phallokratie, dort, wo und in der Form wie sie sich zeigen, zu bekämpfen (auch im Proletariat und ganz besonders unter den Kommunisten, die beispielhaft sein müssen, wo sie doch bloß die schwierigen Entwürfe der neuen Menschheit und ihrer sozialen Harmonie sind); dann wird nur die Revolution ermöglichen, alle sozialen, ökonomischen und politischen und auch die ideologischen, eng mit dem Kapitalismus verbundenen, Probleme zu lösen und mit der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, der Unterdrückung des Menschen durch den Menschen völlig Schluß zu machen. Für die ProletarierInnen der ganzen Welt ist dieser Einsatz die doppelte Mühe wert.
[Wir lassen an dieser Stelle die Abschnitte A. „Falsche Zitate“?! und B. Verrat, Konfrontation und Gewalt des zweiten Teils des Textes der CCC-Gefangenen aus. Denn diese beschäftigen sich kaum auf theoretisch-grundsätzlicher Art und Weise mit der Frage des Patriarchats, sondern mit Einzelfragen des eingangs angesprochenen Konflikts in der Amsterdamer Szene und der daraus entstandenen Debatte. Anm. d. Hg.]
C. Die „Ätzerinnen“ (sic)
In der von den „Internationalen Info-Läden“ herausgegebenen Broschüre findet man natürlich unser Dokument vom Juli 1989. Was wir weniger natürlich finden ist, daß bei der Gelegenheit dieser Publikation sich unser Text gespickt mit achtzehn in Klammern gesetzten Kommentaren wiederfindet, beansprucht von anonymen „Ätzerinnen“. Wir wollen diesbezüglich reagieren, erst auf den Hauptinhalt der Kommentare und dann auf das Verfahren als solches.
Die Mehrzahl der Kommentare betrifft die Abwesenheit von lexikologisch, orthographisch oder grammatikalisch femininen Formen in bestimmten Passagen unserer Abfassung. Eine unabhängige Notiz am Ende unseres Dokuments scheint den allgemeinen Sinn dieser Kommentare zu rekapitulieren: „Zur femininen Form, die so oft in diesem Text nicht vorhanden ist: es ist uns nicht klar, ob das ein Problem der Übersetzungen ist und zu Anfang haben wir noch versucht das im ganzen Text zu verändern, zum Ende hin haben wir es aufgegeben, das es einfach zu viel war“.
Tatsächlich ist der Ursprung der Schwierigkeiten linguistisch und besteht in der Tatsache, daß die gesamte Sprache nach der dominanten Ideologie gestaltet ist. Nehmen wir folgendes Beispiel: vier Interventionen der „Ätzerinnen“ bestehen in dem Zusatz von „und frau“ hinter „man“. Nun existiert das Problem „man/Mann“ im Französischen nicht. „Man“ heißt „on“ (unbestimmtes Fürwort), ohne daß da die geringste Erinnerung an seinen lateinischen Ursprung „homo“ wäre. Daher kommt es, daß im Französischen niemand je die Idee hätte, „et elle(s)“ oder „et Ia/les femme(s)“ nach dem Gebrauch von „on“ hinzuzufügen, dessen Geschlecht gänzlich als unbestimmt etabliert und anerkannt ist. Was konnte der Übersetzer tun, konfrontiert mit all den „on“ in unserer Abhandlung, als sie mittels ihres deutschen Ersatzes zu übersetzen? Wir können doch trotz allem nicht von unserem Übersetzer verlangen, daß er des Sexismus der deutschen Sprache schuldig sei!
Wir sind übrigens umso weniger geneigt, die Übersetzungsarbeit zu kritisieren, als sie von einem vernünftigen antisexistischen Bemühen zeugt. Zum Beispiel beschreibt im Französischen das Wort „camarade“ (Genosse/Genossin, d.Ü.) beide Geschlechter, sowohl im Singular als auch im Plural, während im Deutschen vier unterschiedliche Formen existieren. Nun, die Übersetzung löst dieses Problem mit dem Begriff „Genoss/innen“, um „des camarades (des deux sexes)“ (Genossen [beider Geschlechter], d.Ü.) zu ersetzen.
Ist es nun möglich, systematisch alle lexikologischen, orthographischen oder grammatikalischen Fälle zu beheben, die auf einem Vorrang des männlichen Genus beruhen, in einer durch eine uralte patriarchalische, sexistische Kultur gestalteten Sprache? Im Französischen ist dies unmöglich, zumindest wenn man die Sprache als Kommunikationsmittel betrachtet. Die Präzision der Begriffe, die Übereinstimmung der Adjektive, der Partizipien der Vergangenheit, die Wahl der Fürworter etc. sind zu vielfältig und komplex, um die verallgemeinerte Verweigerung der Vorherrschaft des männlichen Genus oder seines Vorranges in Fällen der Mischung zu erlauben.
Wir müssen uns mit der historischen Realität der Kommunikation abfinden, immer darauf achtend, soweit wie möglich – d.h. ohne die Kommunikation selbst zu gefährden – sexistische Äußerungen einer sexistischen Kultur zu verwerfen. Zum Beispiel opfern wir einen Teil unserer Lesbarkeit, indem wir „les militant(e)s“ (die Militanten, d.Ü.) schreiben oder wir verdoppeln die Übereinstimmung des Prädikatsnomens hinter „camarades“, wir verwenden die Wiederholung „les travailleurs et les travaileuses“ (die Arbeiter und die Arbeiterinnen, d. Ü.), wir präzisieren „les proletaires, hommes et femmes“ (die Proletarier, Männer und Frauen, d.Ü.) etc. Aber wir vermeiden auch den Gebrauch von erfundenen Worten, deren antisexistische Orthodoxie ihresgleichen nur in der Seltenheit der Eingeweihten findet; so verbinden wir „fraternel“ und „fraternite“ (bürgerlich und Brüderlichkeit, d.Ü.) nicht mit „sororal“ oder „sororite“ (schwesterlich und Schwesterlichkeit), was heutzutage ebenso rar in den Wörterbüchern, wie der sozialen und politischen Kultur unbekannt ist.
Also? Also nichts. Genauso wie wir nicht beabsichtigen, den Übersetzer unseres Dokuments vom Juli 1989 für den Sexismus der deutschen Sprache verantwortlich zu machen, erklären wir uns nicht des Sexismus der französischen Sprache für schuldig. Diese ist unumgänglich das einzige, uns zur Verfügung stehende Instrument, um uns verständlich zu machen, trotz all seiner Fehler verwenden wir es zu diesem Zweck – der uns sehr teuer ist. Wir übernehmen ohne eine Spur von Zögern die Tatsache, dies zu respektieren und auch hier die Regeln der Orthographie, der Grammatik etc., wenn die Klarheit unseres Ausdrucks davon abhängt. Und die Kritiken, die man uns eventuell zu diesem Thema senden könnte, nehmen wir mit einem Schulterzucken entgegen.
Zumal es trotzdem die Mühe wert wäre, sich über die reale Wirkung lexikologischer Formen und grammatikalischer Regeln auf den Klassenkampf Gedanken zu machen, oder sei es auch nur in der Beziehung zwischen Männern und Frauen innerhalb der revolutionären Bewegung… Ehrlich gesagt bezweifeln wir stark, daß dies irgendeine Wirkung haben könnte und es scheint uns, als wenn die deutschen GenossInnen der Sache eine übertriebene Wichtigkeit beimessen. Daß man seinen Ausdruck von Wörtern, Begriffen, Konstruktionen etc., die eine aktive Verwirrung mit Merkmalen der dominanten bürgerlichen Ideologie etablieren würden, ausmerzt, ja natürlich, aber daß man sich nicht vorstellt, aus einer gleichmacherischen, grammatikalischen Richtigstellung ein dynamisches Element des Kampfes gegen die bürgerliche Organisation der Gesellschaft zu machen. Wir werden die Gesellschaft nicht verändern, indem wir die Sprache verändern, aber wir werden (besonders) die Sprache ändern, wenn wir die Gesellschaft verändern.
Vergessen wir auch nicht, daß die Sprache aus dem Überbau stammt und daß ihre Wechselwirkungen mit der Basis nicht den Vorrang der Basis vor dem Überbau verdecken dürfen.
Aber die Kommentare, die unser Dokument spicken, sind nicht alles ideologisch-linguistische Vorwürfe. Es sind dort andere, die sich auf eine Diskussion mit einer „Gruppe Molotow“ (die wir nicht kennen) beziehen, Scherze sein wollen, uns beschimpfen und in lapidarer Art und Weise eine Uneinigkeit in Erinnerung rufen, die wir im offenen Brief entwickelt wiederfinden etc. Also, letztlich wollen wir öffentlich die Frage der Zweckmäßigkeit der Einfügung dieser achtzehn in Klammern gesetzten Kommentare stellen.
Uns erscheint schon die Vorgehensweise an sich kritisierbar: sie begibt sich unaufhörlich und eigenmächtig daran, einem Genossen während seiner Darstellung das Wort abzuschneiden. Soetwas schickt sich nicht. In einer Debatte wartet man ab, bis man mit dem Reden an der Reihe ist, und man respektiert die Rechtschaffenheit der Beiträge, die die anderen Beteiligten zuversichtlich beibringen.
Wenn die „Ätzerinnen“ an der Diskussion teilzunehmen wünschen oder an einer anderen mit der „Gruppe Molotow“, so werden wir die Beiträge, die sie bringen aufmerksam lesen,… aber außerhalb unserer eigenen Abfassungen. Worauf ihr Ausdruck, wie auch der unsrige unbestreitbar an Klarheit gewinnen würde. Weil jenseits von elementarem Respekt unter GenossInnen sich die Frage vom Nutzen des Austausches stellt.
Unsererseits schreiben wir in erster Linie, um verstanden zu werden. Wir verbinden also mit der Zugänglichkeit und der Lesbarkeit unserer Dokumente eine umso größere Bedeutung, als daß wir die ersten sind, die wir unsere Grenzen auf diesem Gebiet kennen: wir wissen unseren Schreibstil schleppend, bedürftig, widerlich, manchmal hochnäsig und immer zum Kotzen. Und wir wissen auch, daß die Übersetzungen die unangenehme Gepflogenheit haben, diese Mängel zu vergrößern, wenn sie nicht eine große Zahl von Sinnwidrigkeiten mit sich bringen, was schlimmer ist. So viele Schwierigkeiten, die verursachen, daß wir sehr ungern, was immer es auch sei – und besonders Unnötiges – sehen, was den Zugang und das Verständnis unserer Abhandlungen noch schwieriger macht. Deshalb bitten wir ausdrücklich darum, unsere Texte zukünftig nicht mehr einer solchen Behandlung zu unterziehen.
D. Das Dokument der „Revolutionär Initiatief Amsterdam“
[Dieser Abschnitt beschäftigt sich einmal mehr mit einem Aspekt des Streits in Amsterdam. Wir dokumentieren ihn deshalb hier genauso wenig wie die dem Text der CCC-Gefangenen beigefügten Reproduktionen verschiedener älterer Stellungnahmen zu dieser Debatte, die für die gegenseitigen Vorwürfe des Falschzitierens relevant sind.]
Quelle:
Broschürengruppe in Zusammenarbeit mit dem ASTA-FU sowie Frigga Haug, Wolfgang Fritz Haug, Wolf Dieter Narr, Uwe Wesel, Harald Wolf (Hg.)
Für eine neue revolutionäre Praxis. Triple oppression & bewaffneter Kampf. Eine Dokumentation von antiimperialistischen, feministischen, kommunistischen Beiträgen zur Debatte über die Neubestimmung revolutionärer Politik 1986-1993
Selbstverlag: Berlin, 1. Aufl. 1994, 2. Aufl. 1995, S. 87 – 94 (gegenüber dieser Fassung sind hier die dort am Ende stehenden vier Knastadressen der seinerzeitigen Gefangenen weggelassen).
Auf S. 207 der Broschüre heißt es zur Herkunft des Textes:
„aus: Bertrand Sassoye / Pierre Carette / Pascale Vandegeerde / Didier Chevolet, An die Militanten der ‚Internationalen Infoläden’ (Antwort auf den offenen Brief vom Sommer 1990) An alle Genossinnen und Genossen. Oktober 1991, fotokopierte deutsche Übersetzung ohne Ort und ohne Jahr, S. 1 – 14, 20 – 22.“