A. „Struktur“ laut Duden
1. „Struktur der Gesellschaft“ = „Konstruktion der Gesellschaft“ (im Unterschied zur bloßen ‚Fassaden-Gestaltung’)
2. Struktur als etwas, das in Elemente gegliedert ist
B. Die strukturalistische „Struktur“-Kategorie
1. Eine präzisere Bestimmung des Verhältnisses von Struktur und deren Ausgestaltung
2. In diesem Zusammenhang – ganz im Sinne von Marx nach dem epistemologischen Bruch von 1845 – die Betonung des Primats der Struktur(en) über die Individuen
3. Die Abgrenzung von der homogenen hegelianischen Totalitäts-Kategorie und dem Ausdruck „System“ der Systemtheorie sowie der Frankfurter Schule (oder vllt. auch eher ihres Umfeldes)
C. Der Unterschied zum Vorwort von 1859
D. Die Einleitung von 1857
E. Oberflächenphänomene
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F. Zusammenfassung
1. Auf einer – noch ziemlich banalen Ebene – können wir also sagen, daß das Geschlechterverhältnis jedenfalls insofern „strukturell“ […] ist, als es strukturiert ist – eine Struktur hat. Der Sache, wenn auch nicht dem Begriff scheint dies auch der Autor des eingangs zitierten Kommentars zuzugestehen: „Es gibt […] eine hochkomplexe Verkettung von Prägungen, Entwicklungen und Entscheidungen, die in Konsequenz dazu führt, dass Frauen sich tendenziell eine andere Rolle als Männer suchen.“1
M.a.W.: Das Geschlechterverhältnis ist weder ein homogenes Ganzes noch eine Ansammlung von unzusammenhängende Elementen, sondern eine „hochkomplexe Verkettung“, also eine „Struktur“.
2. Wir können aber sogleich noch einen Schritt weiter – zu einem etwas stärkeren Verständnis von „Struktur“ – gehen: Das Geschlechterverhältnis hat Effekte / Symptome / Wirkungen / Folgen und ist jedenfalls nicht nur Effekt / Symptom / Wirkung / Folge / Ausdruck / Oberfläche / Erscheinung von etwas Anderem (das seinerseits eine übergeordnete Struktur / die Ursache / der Grund / die ‚Tiefe’ / der Kern oder das ‚Wesen’ wäre).
a) Der erste Halbsatz („Das Geschlechterverhältnis hat Effekte / Symptome / Wirkungen / Folgen“) ist in dem – von dem Kommentar-Verfasser zugestandenen – Umstand, daß „eine hochkomplexe Verkettung von Prägungen, Entwicklungen und Entscheidungen [existiert], die in Konsequenz dazu führt, dass Frauen sich tendenziell eine andere Rolle als Männer suchen“ (meine Hv.), enthalten: Konsequenz = Folge2 – soviel können wir wohl festhalten.
b) Der zweite Halbsatz (Das Geschlechterverhältnis ist „jedenfalls nicht nur Effekt / Symptom / Wirkung / Folge / Ausdruck / Oberfläche / Erscheinung von etwas Anderem“) läßt sich kaum positiv beweisen.3
Vielmehr liegt die Beweis- oder zumindest Darlegungslast bei denjenigen, die etwas positiv behaupten. Diejenigen, die – wie der Kommentar-Autor in Bezug auf das Geschlechterverhältnis – behaupten, etwas sei nur ein „Oberflächenphänomen“, müßte zumindest mal darlegen, wovon denn das fragliche Phänomen die „Oberfläche“ sei und welche Beziehung denn zwischen Oberfläche und Tiefe bestehe.
Aus dem bloßen Umstand, daß zwei Objekte – nennen wir sie A und B – existieren, folgt nicht einmal der erste Anschein, daß eine (oder andere) Objekt sei „Oberfläche“ o.ä. des anderen (oder einen) Objektes.
In Bezug auf das Geschlechterverhältnis werden üblicherweise zwei bzw. drei KandidatInnen für die ‚Tiefe’ unter der vermeintlichen bloßen ‚Oberfläche’ „Geschlechterverhältnis“ benannt: 1. die Biologie; 2. ‚der Kapitalismus’ insbesondere; 3. Die Klassenverhältnisse im allgemeinen.
Die Hypothese, daß es an den Genen, Hormonen oder an der Anatomie liege, daß Frauen weniger verdienen und häufiger vergewaltigt werden als Männer, können wir für die Diskussion mit dem Kommentator-Autor wohl außen vorlassen. Bleiben KandidatInnen 2 und 3. Auch sie schneiden allerdings schlecht ab.
Denn keine der von Marx benannten Produktionsweisen – außer der asiatischen, wenn „Väter“ denn diesbzgl. tatsächlich Väter meint […] – unterscheidet zwischen Geschlechtern; alle definieren Stellen (Positionen), die – nach den ‚Regeln’ (Funktionsmechanismen) jeder dieser Produktionsweisen – sowohl von Frauen als auch Männern eingenommen werden können. Wenn in Gesellschaften dennoch (soziale) Geschlechterunterschiede existieren (und das ist jedenfalls bei den allermeisten uns bekannten Gesellschaften der Fall), können diese Unterschiede also nicht von jenen Produktionsweise verursacht/hervorgerufen o.ä. worden sein. Das Geschlechterverhältnis ist also keine ‚Oberflächenerscheinung’ der Klassenverhältnisse bzw. der Produktionsweisen.
3. Schließlich ist das Geschlechterverhältnis auch im stärksten Sinne strukturell – nämlich nicht nur ‚irgendwie’ strukturell, sondern gesellschaftsstrukturell bedeutend – von Bedeutung für die Struktur des gesellschaftlichen Ganzen. Das Geschlechterverhältnis ist nicht nur eine Überbau-Struktur, sondern strukturiert – neben den Klassenverhältnissen und dem Rassismus – auch die materielle Basis der Gesellschaft in Form von geschlechtshierarchischer Arbeitsteilung und sexueller/sexualisierter Gewalt. Damit ist das Geschlechterverhältnis Teil des ‚Fundaments’, das – mit seiner jeweiligen Struktur – Grenzen für die Variation der Überbau-Strukturen setzt.
Um die Position eines Individuums in der gesellschaftlichen Struktur bestimmen können, bedarf es nicht nur der Bestimmung der Position auf der Klassenachse, sondern auch auf der Ebene der Geschlechter- und ‚Rassen’-Achse.
Das Funktionieren von Patriarchat und Rassismus erklärt sich nicht aus der von Marx gegebenen Analyse der kapitalistischen Produktionsweise und auch nicht aus einer Analyse der anderen von ihm erwähnten Produktionsweisen, sondern bedarf jeweils eigener Begriffe.
- http://theoriealspraxis.blogsport.de/2017/05/21/zur-kritik-der-repressionshypothese-bzw-des-ausdrucks-unterdrueckung/#comment-24588 [zurück]
- Konsequenz = u.a. „Folge, Auswirkung“ (http://www.duden.de/rechtschreibung/Konsequenz). Folge = u.a. „Auswirkung eines bestimmten Handelns, Geschehens“; Synonym von „Folge“ ist u.a. „Konsequenz“ (http://www.duden.de/rechtschreibung/Folge). [zurück]
- Wie könnte die Nicht-Existenz von etwas bewiesen werden?! [zurück]
Ich habe jetzt die ergänzte Fassung hochgeladen.
siehe auch: https://systemcrash.wordpress.com/2017/06/01/wider-den-objektivistischen-vulgaermaterialismus/