Auszug aus einem älteren und längeren Text von mir (S. 73 – 74):
Foucaults Analyse der Macht als produktiv verhindert es nicht, Macht im Zusammenhang mit Herrschaft zu thematisieren. Vielmehr bezieht sich Foucault selbst für seine Analyse der Produktivität der Macht ausdrücklich auf Marx:
„Was hat Marx getan, als er [bei] seiner Analyse des Kapitals auf das Problem des Arbeiterelends stieß? Er hat die übliche Erklärung abgelehnt, die aus diesem Elend die Wirkung einer natürlichen Knappheit oder eines abgekarteten Diebstahls macht. […]. Marx hat die Anklage des Diebstahls durch die Analyse der Produktion ersetzt. Mutatis mutandis ist das ungefähr das, was ich machen wollte. Es geht nicht darum, das sexuelle Elend zu leugnen, aber es geht auch nicht darum, es negativ mit Repression zu erklären.“ Es gehe vielmehr um die „positiven Mechanismen“, die es hervorbringen (Foucault 1977c, 180).
[…]. Genau in diesem Kontext erhält Foucaults Kritik der sog. Repressionshypothese ihren präzisen Sinn. Gegen die Repressionshypothese richtet er seine Produktivitätsthese: die Macht sei „dazu bestimmt Kräfte hervorzubringen, wachsen [zu] lassen oder zu ordnen, anstatt sie zu hemmen, zu beugen oder zu vernichten.“ (Foucault 1976a, 163; vgl. auch schon: Foucault 1975a, 34, 212 oben, 220 und später Foucault 1977c, 188). Paradebeispiel dafür ist das, was Foucault „subjektivierende Unterwerfung“ (Foucault 1975a, 238, 247) nennt: Gerade die „Subjektivierung der Menschen“ bedeute deren „Konstituierung als Untertan/Subjekt“ (Foucault 1976a, 78). Entsprechend hatte Althusser gezeigt: „das Individuum wird als (freies) Subjekt angerufen, damit es […] (freiwillig) seine Unterwerfung akzeptiert […]. Es gibt Subjekte nur durch und für ihre Unterwerfung.“ (1969/70, 148, s.a. 140 ff. – Hv. getilgt).
Weder Foucault noch Althusser haben diese Analyse vorgenommen, um Unterwerfung als Freiheit zu feiern, sondern um aufzuzeigen, daß die Freiwilligkeit selbst Bestandteil der herrschenden Verhältnisse ist. „Der Modus der Gewalt zeichnet sich durch ein direktes Einwirken auf Körper aus, während Macht indirekt auf Subjekte wirkt.“ (Lemke 1997, 304) Macht und Freiheit sind „keine Gegensätze, die einander ausschließen“, sondern sie schließen „einander ein, so dass Freiheit zu einem charakteristischen Element einer Machtbeziehung wird: ‚Macht wird nur auf ›freie Subjekte‹ ausgeübt und nur sofern diese ›frei‹ sind‘“ (Lemke 1997, 305, der hier: Foucault 1983b, 255 zitiert). „Freiheit ist die Bedingung der Möglichkeit von Macht“ (Hark 1996a, 45).
Literatur:
Althusser 1969/70: Louis Althusser, Ideologie und Ideologische Staatsapparate (Anmerkungen für eine Untersuchung) [1969/70], in: ders., Ideologie und Ideologische Staatsapparate. Aufsätze zur marxistischen Theorie, VSA: Hamburg/Westberlin, 1977, 108 – 153 = ders., Ideologie und ideologische Staatsapparate. 1. Halbband (Gesammelte Schriften hrsg. von Frieder Otto Wolf. Band 5), VSA: Hamburg, 2010, 37 ff. (im Internet unter: http://www.b-books.de/texteprojekte/althusser/index.html; engl. Fassung im internet unter: http://www.marx2mao.com/Other/LPOE70ii.html#s5).
Foucault 1975: Michel Foucault, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Suhrkamp: Frankfurt am Main, 19941 (frz. Originalausgabe: Editions Gallimard, 1975).
Foucault 1976a: ders., Sexualität und Wahrheit. Erster Band Der Wille zum Wissen, Suhrkamp: Frankfurt am Main, 19958 (frz. Originalausgabe: Editions Gallimard, 1976).
Foucault 1977c: ders., Nein zum König Sex. Ein Gespräch mit Bernard-Henri Levy, in: ders., Dispositive der Macht. Sexualität, Wissen und Wahrheit, Merve: [West]berlin 1978, 176 – 198 (frz. Erstveröff. in: Le Nouvelle Observateur, 12. März 1977, Nr. 644).
Hark 1996a: Sabine Hark, deviante Subjekte. Die paradoxe Politik der Identität, Leske + Budrich: Opladen, 1996.
Lemke 1997: Thomas Lemke, Eine Kritik der politischen Vernunft. Foucaults Analyse der modernen Gouvernementalität, Argument: Berlin/Hamburg, 1997 (Argument-Sonderband Neue Folge Band 251).
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