Im Sommer war das Spektakel zu erleben, daß gerade diejenigen, die
- seit dem Frühjahr 2012 die größten Hoffnungen mit einem Wahlsieg von SYRIZA verbanden (Micha Prütz [NAO]: „es besteht die Chance, im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung, im Interesse der Mehrheit der Lohnabhängigen, einen Bruch mit der herrschenden Logik herbeizuführen.“)
- die nach dem – im Jan. 2015 dann tatsächlich erfolgten – Wahlerfolg am lautesten jubelten (Marx 21: „Der Erfolg von Syriza ist auch ein Sieg der Menschen, die in den letzten Jahren gegen die Kürzungspolitik auf die Straße gegangen sind.“ / GAM: „dieser Wahlausgang [ist] auch ein Zeichen gegen die Kürzungen, gegen die Massenverarmung in Griechenland.“)
- deren befreundeten Organisationen in Griechenland SYRIZA-Entrismus betrieben (Marx 21 / DEA) oder die vom deutschen Schreibtisch aus SYRIZA, KKE und ANTARSYA aufforderten, zusammen eine „Arbeiterregierung“1 (GAM) bzw. „Linksregierung […] ohne bürgerliche Parteien“2 (NAO) zu bilden
- und die etwaige vorhandene Zweifel an der Richtigkeit des Weges (Plan A) von SYRIZA jedenfalls gut zu verstecken wußten,
auf einmal lauthals einen „Plan B“ forderten.
- Die Liga für die 5. Internationale, zu der in Deutschland die GAM gehört, hatte auf einmal einen ganz einfachen und klaren Plan: „the Greek working class must make the country ungovernable.“
- Und die Marx21-Mitglieder Janine Wissler und Nicole Gohlke forderten Mut zum Eurozonen-Austritt: „Letztlich hat es aber die Linke in Europa versäumt, ernsthafte Überlegungen für einen Plan B zu entwickeln. In den Verhandlungen mit den Gläubigern hat sich die Linksregierung damit jeglicher Alternativen beraubt. Durch den Verzicht auf einen Plan B blieb am Ende nur eine einzige Option: Um jeden Preis im Euro zu bleiben.“
- Und auch Micha Prütz hatte auf einmal alles schon vorher gewußt: „Dabei kommt die Niederlage von SYRIZA nicht überraschend, denn die griechische Regierung hat nicht ernsthaft über Alternativen zum jetztigen System und der EU disktuiert.“ (meine Hv.)
Ich selbst stelle damals die These auf, „Kapitalismus ohne Euro“ – das sei „auch kein Zuckerschlecken“, und stellte die skeptischen Fragen:
„‚Letztlich hat es … die Linke in Europa versäumt, ernsthafte Überlegungen für einen Plan B zu entwickeln.’ Ja, aber was heißt das denn? – jetzt, nachdem die SYRIZA-Regierung ein halbes Jahr im Amt ist; nachdem Tsipras die Brüsseler Vereinbarung unterschrieben hat; nachdem das griechische Parlament die ersten beiden geforderten Gesetzespakete verabschiedet hat – und nachdem dieser Plan B (der im übrigen vielleicht schon immer hätte der ‚Plan A’ sein sollen) nicht existiert? […] Kann die Strategie mitten im Kampf gewechselt werden, ohne die Truppe darauf vorzubereiten?“
Die Idee, daß das Problem nicht im Fehlen eines Reserveplans B (für den Fall, daß der vermeintlich gut durchdachte Plan A überraschenderweise scheitert) liegt, sondern es schon an einem tragfähige Plan A fehlte, hatte damals auch Leo Meyer von der Marxistischen Linken (die 2014 unter dem Motto „ökologisch, emanzipatorisch, feministisch, integrativ“ von Mitgliedern eines Flügels der DKP und anderen Linken gegründet wurde):
„Wenn die SYRIZA-geführte Regierung keine Möglichkeit hatte, die Gegenseite zu irgendetwas zu zwingen, dann nicht weil sie keinen ‚Plan B‘ in der Tasche hatte, sondern weil sie bei anderen Regierungen keine Verbündeten finden konnte, und weil die Linke in den anderen europäischen Ländern – vor allem in Deutschland – keinen ‚Plan A‘ hatte, um die Stärke zu entwickeln mit der sie die Regierungen zu Zugeständnissen hätte zwingen können.“
Dieser Verlagerung der Diskussion von Fachsimpelei über die Taktik von SYRIZA hin zur Frage nach einer Strategie zur Veränderung des Kräfteverhältnisses in den ökonomisch, politisch und militärischen führenden Ländern Europas, namentlich in Deutschland, griff nun Thomas Seibert (Interventionistische Linke) mit einem Papier vom 10. Dezember auf:
Erste Notizen zum Plan A einer neuen Linken (nicht nur) in Deutschland
das zunächst bei kommunisten.de veröffentlicht und inzwischen an verschiedenen Stellen im Netz verlinkt bzw. gespiegelt wurde3.
Dazu haben nun wiederum Gen. systemcrash und ich ein paar Anmerkungen bei linksunten.indymedia beigesteuert:
Das strategische Dilemma der Linken des 21. Jahrhunderts
https://linksunten.indymedia.org/de/node/162939.
- „Syriza steht nun vor der Herausforderung, ihre Massenunterstützung bei den Wahlen zu einer Kraft in den Betrieben und auf der Straße zu formieren, welche die ‚Regierung der nationalen Rettung’ verjagen und eine Arbeiterregierung errichten kann“ / „Jene Linken, die außerhalb Syrizas in Antarsya standen und deren Stimmanteil von Mai bis Juni um zwei Drittel einbrach, sollten jetzt Syriza beitreten und dort für eine revolutionäres Programm kämpfen. So könnte Syriza noch stärker [sic!, TaP] zu einer Führung im Kampf für die Macht der Arbeiterklasse werden.“ (http://www.arbeitermacht.de/infomail/628/griechenland.htm – meine Hv.) [zurück]
- „Wo, wie in Griechenland, in einer zugespitzten Klassenkampfsituation die Bildung einer Linksregierung möglich werden kann, fordern wir von diesen die Bildung einer Regierung ohne bürgerliche Parteien und Maßnahmen, die einen wirklichen Bruch mit dem System einleiten.“ (http://nao-prozess.de/manifest-fuer-eine-neue-antikapitalistische-organisation/) [zurück]
- http://www.trend.infopartisan.net/trd1215/t421215.html,
https://emanzipatorischelinke.wordpress.com/2015/12/13/erste-notizen-zum-plan-a-einer-neuen-linken-nicht-nur-in-deutschland/, http://www.solidarische-moderne.de/de/article/458.erste-notizen-zum-plan-a-einer-neuen-linken.html und http://www.axel-troost.de/article/8834.nach-athen-im-kampf-um-die-grenzen-nach-paris-von-unterwegs-erste-notizen-zum-plan-a-einer-neuen-linken-nicht-nur-in-deutschland.html. [zurück]
Der am Ende des obigen Artikels genannten Text Das strategische Dilemma der Linken des 21. Jahrhunderts steht nunmehr – wegen des Verbotes von linksunten.indymedia – dort:
http://systemcrashundtatbeilinksunten.blogsport.eu/2015/12/21/das-strategische-dilemma-der-linken-des-21-jahrhunderts/
zur Verfügung.