(zu) These 1
Ja, „die Antwort (wer will: die Lösung) auf diese Krise [ist] der Aufbau sozialistischer Eigentums- und Produktionsverhältnisse“.
(zu) These 2
a) Aber das ist nur die Antwort von ein paar Kadern hier und ein paar mehr Kadern in Griechenland selbst. Aber dies ist – jedenfalls bisher – nicht die Antwort der Massen in Griechenland. Es ist nicht einmal die Antwort von LAE und SYRIZA auf die Krise.
Tsipras und seine deutschen FürsprecherInnen sind inzwischen dabei angekommen, die Krise für hausgemacht zu halten; als von einem Mangel an good governance, als von einem zuviel an Klientelismus verursacht, anzusehen.1 Deshalb die allgemein-plätzige Rhetorik vom Kampf des Neuen gegen das Alte, die Warnung vor einem Weg zurück und das SYRIZA-Wahlkampf-Motto „Nur nach vorn“.
Und die LAE hat anscheinend überhaupt keine Vorstellung davon, wie die Krise entstanden ist, hält an der alten SYRIZA-These, daß sie durch die neoliberale Austeritätspolitik verschärft wurde, fest und schlägt deshalb als Abhilfe linkskeynesianistische Konzepte vor, ohne darzulegen, wie sie durchsetzbar sein und unter fortbestehenden kapitalistischen Verhältnissen funktionieren sollen.
b) Deshalb gab es zwar bei „soziale[n] Mobilisierungen, dutzende[n] Generalstreiks und viele[n] Strukturen realer gesellschaftlicher Gegenmacht“ eine „breite Einheitsfront“ – mit (abgesehen von zeitlichen Mobilisierungskoinzidenzen) Ausnahme der KKE –, also vor allem von SYRIZA, ANTARSYA, deren Gewerkschaftsfraktionen und einigen Gruppen darum und dazwischen. – Aber dies war eine Einheitsfront des Dagegens – des gegen die Austeritäts-Memoranden sein.
c) Aber nicht nur die KKE, sondern auch ANTARSYA hat schon in der Vergangenheit – und zwar zurecht – nicht auf SYRIZA-Listen kandidiert. Denn es fehlte schon vor dem 6. Juli 2015 an einem gemeinsamen Programm für die Zukunft und auch schon an einem gemeinsamen ‚Politikstil‘ / Handlungskonzept für die Gegenwart.
d) Es wäre für den Kampf gegen die Austerität, geschweige denn für den Sozialismus nichts gewonnen, wenn sich nach der Wahl im Jan. KKE und ANTARSYA – statt ANEL – an der SYRIZA-Regierung beteiligt hätte. Denn der Kampf gegen die Austerität scheiterte nicht an einem Mangel an Stimmen im griechischen Parlament, sondern an einem Mangel an Fähigkeit – und auch schon einem Mangel an Konzept –, die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse in Griechenland selbst und vor allem europaweit zu ändern.
KKE und ANTARSYA haben zwar eine deutlich klarere Vorstellung als SYRIZA und die LAE, daß es sich letztlich um eine Machtfrage handelt, aber auch sie verfügen über keinen Plan, der ermöglichen würde, sie zumindest mittelfristig im Sinne der Lohnabhängigen zu beantworten.
(zu) These 3
Ja, – abgesehen von der impliziten Gleichsetzung von SYRIZA-Regierung und Einheitsfront volle Stimmung zur These von Thies Gleiss2.
(zu) These 4
Nein, die „Bildung einer linken Regierung auf ansonsten unverändert bleibenden Staatsstrukturen ist“ nicht, „eine Chance, die man eigentlich nicht hat, aber trotzdem nutzen muss“ – jedenfalls nicht, wenn es um den „Aufbau sozialistischer Eigentums- und Produktionsverhältnisse“ gehen soll. Das ‚Eigentliche’ (das Nicht-Haben dieser Chance) ist das Wirkliche (ein wirkliches Nicht-Existieren dieser Chance)!
Für revolutionäre SozialistInnen = KommunistInnen hat sich eh nichts an der Einsicht Rosa Luxemburgs3 in den grundlegenden Unterschied von kontroverser parlamentarischen Debatten- und konsensueller Regierungs-/Handlungslogik geändert: Es ist nicht möglich, als Regierungspartei gleichzeitig die kapitalistischen Produktionsverhältnisse (wegen gesellschaftlicher Machtlosigkeit) hinzunehmen zu müssen und trotzdem auf deren Überwindung hinzuarbeiten.
Schon die Schröder/Fischer-Regierung in Deutschland zeigt es und die SYRIZA-Erfahrung unterstreicht es: Was früher nur für revolutionär-antikapitalistische Politik galt, gilt unter den Bedingungen von kapitalistischer Krise und bürgerlicher Klassenoffensive für jede nicht-neoliberale linke Politik – schon weit unter dem (auch nur) Kratzen an den kapitalistischen Produktionsverhältnissen. Auch ‚linke’ (im weiten, nicht nur revolutionären Sinne) Politik ist heute auf der Grundlage der bestehenden Gesellschafts- und Staatsstrukturen nicht möglich.
(zu) These 5
These 5 von Thies Gleiss ist (nur) nach Maßgabe des schon zu These 2 Gesagten zuzustimmen.
(zu) These 6 und 7
Ja, die Spaltung von SYRIZA war im Interesse nicht-neoliberaler Politik notwendig.
(zu) These 8
These 8 sei zunächst wörtlich zitiert, bevor ihr widersprochen wird: „Die Pflicht zur linken Einheitsfront ergibt sich aber spätestens nach den Wahlen. Die stärkste linke Kraft soll eine Regierung der Linken bilden und alle anderen Linken, ob mit im Parlament oder außerhalb, sollten sie – mit Kritik und bei aller Unabhängigkeit – unterstützen, auch wenn es nur bei wenigen Maßnahmen klappt und möglich ist.“
These 8 ist folgende Anti-These entgegenzusetzen:
a) War schon zu Anfang des Jahres kein gemeinsame Regierungsprogramm von reformistischer und revolutionärer Linker möglich, so ist heute und auch übermorgen kein gemeinsames Programm von neoliberaler Linken (SYRIZA) sowie reformistischer (LAE) und revolutionärer Linken (KKE und ANTARSYA) möglich.
b) SYRIZA zur Bildung einer linken „Einheitsfront“-Regierung aufzurufen, trägt nicht zur Überwindung von Illusionen bei, sondern schürt sie.
c) Abgesehen von SYRIZA wird es keine auch nur annährend „stärkste“ linke Kraft geben. Für KKE, LAE und ANTARSYA wird es bei weitem nicht einmal zu einer Sperrminorität gegen Verfassungsänderungen reichen.
(zu) These 9
Auch diese These sei zunächst wörtlich zitiert: „Auch nach der Wahl und einer hoffentlich neuen linken Einheitsfront bleibt die Aktualität des Sozialismus als Antwort auf die Krise in Griechenland und der EU unverändert. Nicht als Losung für Sonntagsreden, sondern als Tagesaufgabe am Montag und den folgenden Tagen….“
Anti-These: Diese Antwort ist zwar in dem Sinne „Tagesaufgabe“, daß das heutige politische Agieren so zu gestalten ist, daß es dazu beiträgt, daß diese Antwort nicht nur heute auf dem Papier geben, sondern künftig auch gesellschaftlich durchgesetzt werden kann.
Davor steht aber die keineswegs leichter zu lösende Aufgabe, die Massen in Griechenland und dem ‚kleinen’ Rest Europas, für eine marxistische (i.S.v. Marx’ Kritik der politischen Ökonomie) Analyse der Krise und für einen revolutionär-sozialistischen Weg heraus aus ihr zu gewinnen.
[*] https://www.facebook.com/thies.gleiss/posts/492355930938944.
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„‚The choice you face is to turn back or to keep fighting on together. Turning back would mean to return to a course of 40 years that piled debts on Greeks,‘ he said, marking the end of a four-week campaign that attracted little public interest.“
„‚Nur nach vorn‘, steht jetzt auf den neuen Wahlplakaten seiner [Tsipras‘] Partei – ‚mono prosta‘.“
Gabriele Zimmer hofft „auf eine weitere Regierung unter SYRIZA-Führung. ‚SYRIZA ist die einzige politische Kraft, die in der Lage ist, die Macht zu übernehmen und die Rückkehr der alten Eliten zu verhindern, die Griechenland dahin gebracht haben, wo es noch immer steht sowie Klientelismus, Korruption und falsche Strukturen abzubauen.‘“
http://www.neues-deutschland.de/artikel/984953.die-zeit-der-traeume-ist-vorbei.html [zurück]
- „Der politische und Klassengegner in Griechenland und der EU haben alle Mittel mobilisiert, um die linke Antwort auf die Krise zurückzuschlagen: Die Regierung wurde verteufelt; alle Versuche die linke Einheitsfront zu spalten, fanden Anwendung; die Regierung der Linken wurde erpresst und ökonomisch aufgerieben. Alles keine überraschenden Dinge, sondern politics as usual im Klassenkampf.“ [zurück]
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„Es ist freilich Tatsache, daß die Sozialdemokratie, um praktisch zu wirken, alle erreichbaren Positionen im gegenwärtigen Staate einnehmen, überall vordringen muß. Allein als Voraussetzung gilt dabei, daß es Positionen sind, auf denen man den Klassenkampf, den Kampf mit der Bourgeoisie und ihrem Staate führen kann.
In dieser Beziehung besteht aber zwischen den gesetzgebenden Körpern und der Regierung eines bürgerlichen Staates ein wesentlicher Unterschied. In den Parlamenten können die Arbeitervertreter, wo sie mit ihren Forderungen nicht durchdringen können, sie doch wenigstens in der Weise vertreten, daß sie in oppositioneller Stellung verharren. Die Regierung hingegen, die die Ausführung der Gesetze, die Aktion zur Aufgabe hat, hat keinen Raum in ihrem Rahmen für eine prinzipielle Opposition, sie muß in allen ihren Gliedern und stets handeln, sie muß deshalb, auch wenn sie, wie in Frankreich seit einigen Jahren in den gemischten Ministerien, aus verschiedenen Parteivertretern besteht, doch stets einen grundsätzlich gemeinsamen Boden unter den Füßen haben, der ihr das Handeln ermöglicht, den Boden des Bestehenden, mit einem Wort, den Boden des bürgerlichen Staates. Der äußerste Vertreter des bürgerlichen Radikalismus kann im großen und ganzen mit dem rückständigsten Konservativen Seite an Seite regieren. Ein prinzipieller Gegner des Bestehenden hingegen steht vor der Alternative: entweder auf Schritt und Tritt der bürgerlichen Mehrheit in der Regierung Opposition zu machen, d. h., tatsächlich kein aktives Mitglied der Regierung zu sein – ein augenscheinlich unhaltbarer Zustand, der zur Entfernung des sozialistischen Mitgliedes aus der Regierung führen müßte“https://www.marxists.org/deutsch/archiv/luxemburg/1899/07/taktisch.html [zurück]
Thies Gleiss machte gegen meine Einwände geltend:
Ich antwortete gerade darauf:
Die neun Thesen von Thies Gleiss gibt es auch außerhalb von FB – und zwar dort:
http://www.antikapitalistische-linke.de/?p=1026