Der Ko-Herausgeber der Hamburger Zeitschrift Sozialismus, Joachim Bischoff, sein Redakteur Björn Radke und der Stellvertretende Bundesvorsitzende der Linkspartei und Bundestagsabgeordnete Axel Troost haben eine kleine Kostprobe abgeliefert, was sie unter einer „wirklich wissenschaftliche sozialistische Zeitschrift“ verstehen:
Sie ‚analysieren‘ das neueste Griechenland-Memorandum wie folgt:
- „die griechische Regierung […] setzte […] durch“ -
Herzlichen Glückwunsch dann noch nachträglich…
- „Die Details über die Vereinbarung klingen weniger schlimm als die Kritiker befürchteten.“
Sie erkennen aber immerhin:
- „Das neue Programm ist gewiss nicht auf wachstumsfördernde Impulse ausgelegt. [… Vielmehr] wie bisher […] ein Mix aus Deregulierungen und Einsparungen“
- „Die Gläubigerländer […] räumen bei der Erwirtschaftung eines Primärhaushaltes eine längere Frist ein.“
Dies ist freilich kein Zugeständnis, sondern bloß Verzicht auf eine zusätzliche (!) Verschärfung.
Denn diese ‚Streckung‘ beruht darauf, daß die Wachstumsprognose nach unten gesetzt wurde. Also wird nur darauf verzichtet, die daraus resultierenden Mehrausgaben und Mindereinnahmen durch weitere Kürzungen zu decken.
Sie sagen es sogar selbst:
- „die griechische Wirtschaft 2015 zwischen 2,1% und 2,3% schrumpfen wird. Im laufenden Jahr wird deshalb kein Primärüberschuss erzielt werden können.“
Aber deshalb ist das Folgende unzutreffend:
- „Die Vertreter der Institutionen haben ihre Ansprüche zurückgenommen […]“
Denn – wie schon gezeigt –: Es ist nur der Verzicht auf eine weitere Verschärfung! -
Dann zwischendurch mal wieder eine Erkenntnis:
- „Eingriffe bei der Sozialversicherung und dem Gesundheitswesen, eine Arbeitsmarktreform und die Öffnung von Märkten und Berufen [stehen] im Vordergrund“.
Aber: ‚Die Gläubiger haben Zugeständnisse gemacht, die griechische Regierung hat sich durchgesetzt.‘ Ein Kreis ist viereckig.
- „Die Regierung hat sich zwar verpflichtet, die in Griechenland übliche vorzeitige Pensionierung abzuschaffen, sie will aber die entsprechenden Eingriffe erst im zweiten Halbjahr 2015 vornehmen“
Ja, vor allem: „erst“. Huhu Hamburg, die zweite Hälfte des Jahres 2015 läuft bereits sechs Wochen. Guten Morgen!
Und dann wieder mal eine Erkenntnis:
- „Fest steht, dass ein nominaler Schuldenschnitt (‚haircut‘, d.h. Verzicht auf die Rückzahlung eines Teils der Schulden) nicht infrage kommt.“
Weiter:
- „Entscheidend für den Erfolg des dritten Memorandums ist, dass Regierung und Gläubiger das Umfeld für einen nachhaltigen Aufschwung schaffen.“
Was wäre denn ein „Erfolg“ des Memorandums? – Was ist denn das Ziel des Memorandums?
Und wie wird in der kapitalistischen Produktionsweise ein „Umfeld für einen nachhaltigen Aufschwung“ geschaffen? – Und geht das überhaupt: „nachhaltig“ in der kapitalistischen Produktionsweise? Ist sie nicht vielmehr durch den Zyklus von Auf- und Abschwüngen gekennzeichnet? -
Das Trio zitiert ohne zu widersprechen:
- „Keine der Reformen des dritten Programms wird die Wirtschaft kurzfristig deutlich stärken können‘, erklärte DIW-Präsident Marcel Fratzscher.“
- „‚Deshalb SOLLTE Europa ein Investitionsprogramm für Griechenland planen, das Beschäftigung und Wachstum nachhaltig stärkt.‘“
Abgesehen von der Frage, ob’s denn überhaupt helfen würde: Es PASSIERT jedenfalls NICHT.
- „Für einen tragfähigen Schuldenstand wäre eine nominale Wachstumsrate – das heißt einschließlich der Inflation – von 2% wichtig.“
Warum „wäre […] wichtig?! – „ist […] wichtig“, wollte das Trio sicherlich sagen. Mit dem Konjunktiv rutscht ihnen raus, was sie nicht sagen wollen:
Daß das, was sie für „wichtig“ halten, unrealistisch ist.
- „Ein wichtiger Ansatzpunkt ist das europäische Investitionsprogramm mit gut 35 Mrd. Euro zur Förderung des griechischen Wirtschaftswachstums.“
Aha! „Ein wichtiger Ansatzpunkt…“ – und dann sagen sie selbst, daß mindestens 30 Mrd. davon ohnehin schon budgetiert sind und „deutlich unter 5 Mrd.“ zusätzliche Mittel sind:
- „Dabei handelt es sich um jene Posten im EU-Haushalt, die für die Zeit von 2014 bis 2020 ohnehin […] budgetiert sind. Tatsächlich betragen die zusätzlich locker gemachten oder (!) vorgezogenen (!) Geldspritzen für die Griechen deutlich unter 5 Mrd. Euro.“
Aber trotzdem ist die Grünen-Vorsitzende mit ihrer Kritik am Memorandum ‚zu fundamentalistisch‘:
- „Die Kritik am dritten Memorandum ist verbreitet. ‚Die Gläubiger halten trotz einiger Zugeständnisse insgesamt am Kaputtsparkurs fest‘, kritisierte Grünen-Parteichefin Simone Peter.“
Kritik ist „verbreitet“, aber nur weil es den KritikerInnen an der höheren Einsicht aus Hamburg fehlt, daß ein Kreis viereckig ist.
Auch Sahra Wagenknecht irre, wenn sie schreibt: „Das ist kein Hilfspaket, sondern die Fortsetzung des Kürzungs- und Privatisierungswahnsinns.“
- „Wagenknecht [wischt] mit oberflächlicher Geste jede kleine positive Veränderung des vorliegenden Memorandums beiseite“.
Welche – und seien sie noch so klein – Verbesserungen denn? Das einzige, was das Trio vorweisen kann, ist ein Verzicht auf weitere Verschärfungen – über den Stand vom 13.7., der seinerseits eine deutliche Verschärfung gegenüber dem Stand von Ende Juni ist, hinaus.
Resümee des Schönfärber-Trios:
- „Mit der pauschalen Kritik, die zwar an die Adresse der Bundesregierung gerichtet ist, nimmt die zukünftige Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Bundestag auch die fundamentalistische Position der ‚Linken Plattform‘ ein – und eine deutliche Distanzierung zur Politik der Regierung Tsipras, die sich die Option einer Alternative nicht völlig aus der Hand nehmen lassen will.“
Und zwar nimmt sie diese „Distanzierung“ ja wohl zurecht (!) vor, wenn gilt, was das Trio selbst schreibt:
++ „Das neue Programm ist […] wie bisher […] ein Mix aus Deregulierungen und Einsparungen“
++ „Eingriffe bei der Sozialversicherung und dem Gesundheitswesen, eine Arbeitsmarktreform und die Öffnung von Märkten und Berufen [stehen] im Vordergrund“
++ „Fest steht, dass ein nominaler Schuldenschnitt (‚haircut‘, d.h. Verzicht auf die Rückzahlung eines Teils der Schulden) nicht infrage kommt.“
++ „Keine der Reformen des dritten Programms wird die Wirtschaft kurzfristig deutlich stärken können‘, erklärte DIW-Präsident Marcel Fratzscher.“
Die transformatorische EURO-Linke dichtet gerade Bertolt Brechts Solidaritätslied um:
„Rückwärts, und schon vergessen, worin uns’re Stärke besteht!
Beim Hungern und ohne Essen, rückwärts und schon vergessen,
die Solidarität!“