„Michael Prütz von der Neuen Antikapitalistischen Organisation“ (NAO) schimpft heute über die „Naivität und Blindheit“ von „Leuten“ wie Alexis Tsipras (Hv. v. TaP):
Die Niederlage der SYRIZA-Regierung hat die Linke in ganz Europa vor die Frage gestellt, wie es weitergehen soll. Dabei kommt die Niederlage von SYRIZA nicht überraschend, denn die griechische Regierung hat nicht ernsthaft über Alternativen zum jetztigen System und der EU disktuiert.
Tsipras und seine Freunde haben wirklich geglaubt, dass sie im Rahmen der EU-Institutionen Kraft ihrer Argumente Veränderungen herbeiführen können. Welche Naivität und Blindheit bringt diese Leute dazu, nach dreißig Jahren neoliberaler Politik der EU auf Veränderungen durch Worte zu setzen?
Ich frage mich allerdings: Wie steht es mit der eigenen „Naivität und Blindheit“ von Micha Prütz in Sachen SYRIZA in den vergangenen drei Jahren?
Im Mai 2012 schrieb Micha Prütz: Bei den damals gerade anstehenden Wahl in Griechenland gehe es,
„um die Frage, ob es zur Bildung einer linken Regierung kommt, die mit der Art und Weise der aktuellen Politik des Kapitals und seiner Institutionen bricht. Die Frage nach der sozialistischen Revolution, nach dem Ende des Kapitalismus mag sich in den nächsten Monaten stellen – keiner kann das beurteilen – aber, wie gesagt, es geht jetzt um die nächsten vier bis sechs Wochen.“
Es wäre vernünftig, wenn sich zu den wahrscheinlich in den nächsten 4 Wochen kommenden Wahlen, und nur zu diesen, alle Kräfte der Linken, sowohl die antikapitalistisch-revolutionären, als auch die reformistischen, hinter Syriza versammeln würden. Natürlich würde dies nicht die Aufgabe der eigenen Identität bedeuten, Kräfte wie Antarsya müssen weiter für den grundlegenden Bruch mit dem Kapitalismus agitieren. Aber es besteht die Chance, im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung, im Interesse der Mehrheit der Lohnabhängigen, einen Bruch mit der herrschenden Logik herbeizuführen.
Und im Januar diesen Jahres, vor den erneuten Wahlen schrieb Micha Prütz:
Es ist sogar möglich, das Syriza die absolute Mehrheit der Parlarmentssitze gewinnt. […]. Was wäre das Ergebnis eines Syriza Wahlsieges ? In den Augen breiter Teile der Lohnabhängigen und der Jugend wäre bewiesen, das die Rechte und die Sozialdemokratie geschlagen werden kann. Nach einer Serie von Niederlagen in den letzten 30 Jahren wären die Schleussen geöffnet und ein neuer Zyklus von Kämpfen würde beginnen. Mut ist genauso ansteckend wie Angst.
Der Rest des Artikels vom Jan. war nicht mehr ganz so optimistisch, wie der von 2 1/2 Jahr zuvor; aber gleich nach der Wahl setzte Micha Prütz wie folgt fort:
„Der Wahlsieg von SYRIZA in Griechenland ist großartig und eröffnet der Linken in Europa völlig neue Perspektiven. Zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten ist es einer linkssozialistischen Partei gelungen, die neoliberale Hegemonie im Ansatz zu brechen.“
Was war also für wen „nicht überraschend“?!
Auch die „NaO Berlin“ insgesamt, deren Erklärung nach der Wahl zurückhaltender war, als der Text von Mich Prütz, titelte, „Troika abgewält“ – und scheint gar nicht verstanden zu haben, daß die „Troika“ kein Zusammenhang ist, der sich so einfach ‚abwählen‘ läßt.
Und im ‚Naiv- oder Blindsein‘ war auch die „NaO Berlin“ gut:
Die „Politik der [ersten Tage der Tspiras-]Regierung wird sowohl im Inneren als auch im Verhältnis zur EU schnell an Grenzen stoßen. Eine neue Etappe des Klassenkampfs ist eröffnet und die Fragen der Macht rücken in den Vordergrund. Regierungsgewalt und tatsächliche Macht sind zwei gänzlich verschiedene Dinge. Ein Zusammenstoß ist unvermeidbar.“
Daß die Regierung der Machtfrage einfach aus- und zurückweichen kann, scheint auch die „NaO Berlin“ nicht auf dem Schirm gehabt zu haben…
PPS. – nur für’s Protokoll:
Ich selbst schrieb im übrigen im Mai 2012 zu dem Satz von Micha Prütz:
Sie würde den antikapitalistischen Kräften in ganz Europa, den sozialen Bewegungen und Gewerkschaften, die bisher vergeblich gegen die Sparpolitik angerannt sind, Auftrieb und Zuversicht verleihen.
folgendes:
Letzteres mag in den ersten Wochen nach der Bildung einer solchen Regierung der Fall sein.
M.E. kann – beim gegenwärtigen internationalen Kräfteverhältnis und bei den gegenwärtigen ökonomischen und technologischen Bedingungen – eine Regierung in einem Land der EU-Pheripherie keinen “Bruch mit der herrschenden Logik der Sparpolitik in ganz Europa” vollziehen. Eine Regierung, die das versucht, könnte dabei nur auf die Schnauze fallen – und der Katzenjammer danach wäre absehbar.
Micha Prütz – „Naivität[en] und Blindheit[en]“ ohne Ende: Nun wird also, nachdem Tsipras dafür nicht mehr so recht taugt, der Keynesianer Lapavitsas abgefeiert:
https://www.facebook.com/michael.prutz/posts/1161123617247654
In fünf Jahren lesen wir dann: ‚Die Niederlage der Lapavitsas-Partei muss niemanden überraschen‘ – nein, in der Tat nicht. Nur Micha müßte dann eigentlich überrascht sein…