ist mit dem SYRIZA-Kurs etwas schiefgelaufen
Gen. systemcrash hat heute bei Facebook einen Artikel zu Griechenland verlinkt, und ich habe ein paar Anmerkungen dazu geschrieben:
Den von Dir verlinkten Artikel finde ich ganz okay – allerdings:
1. „Seit Amtsantritt der sozialistischen Regierung hatte die Clique um Alexis Tsipras keinen alternativen Plan, als einen ‚fairen Kompromiss mit der Troika auszuhandeln.‘ Stathis Kouvelakis, Mitglied im ZK der Partei, kritisierte dies zurecht bereits vor zwei Monaten. ‚Der Verhandlungsweg ist gescheitert, jetzt brauchen wir einen Plan B. Doch Tsipras hat keinen!‘“
Diesbzgl. fehlt m.E. eine Reflexion, daß mit Plan A ja nicht irgend etwas – relativ überraschend – schiefgegangen ist (m.E. lief er bis Sonntag sogar BESSER als zu erwarten war), sondern Plan A ABSEHBAR auf falschen analytischen und strategischen Prämissen beruhte. – Es scheint mir viel über die SYRIZA-Linke auszusagen, wenn sie meint, daß Plan A zumindest einen Versuch Wert war. D.h.: Auch deren analytischen und strategischen Prämissen waren fragwürdig, auch wenn sie versuchen, jetzt etwas standhafter zu bleiben als der Tsipras-Flügel.
2. Der Artikel erinnert und behauptet dann: „Syriza Wahlprogramm war nicht revolutionär oder radikal, trotzdem war es ein massiver Bruch mit den bestehenden Verhältnissen. Leider ist bis heute keiner der 40 Wahlprogramm-Punkte umgesetzt und die Menschen fragen sich: Warum?“
a) Fragen, daß „die Menschen“ wirklich und was sind deren Antworten?
b) Der erste dieser 40 Punkte war: „Überprüfung der Staatsschulden und Neuverhandlung der Zinsforderungen unter EINSTELLUNG der Zahlungen, bis die Wirtschaft sich erholt hat und Wachstum und Arbeitsplätze wiederhergestellt sind.“ (http://diefreiheitsliebe.de/…/syriza-das-40-punkte…/ / http://www.greanvillepost.com/…/the-european-situation…/)
Der Artikel reflektiert leider nicht, daß jedeR vorher hätte wissen könnten, daß dies nicht passieren wird, oder wenn SYRIZA (als die SYRIZA, die sie tatsächlich ist) das versucht hätte, es in einer Katastrophe geendet wäre.
c) Der Artikel reflektiert auch nicht, daß SYRIZA nicht erst in den letzten Tagen vom Weg abgekommen ist, sondern, daß schon in dem Moment, als die neue Regierung bei Amtsantritt – bei gegebenen Bedingungen: aus sehr guten Gründen – die Zahlungen nicht einstellte, schon ein deutlich anderer Weg eingeschlagen wurde, als im Wahlprogramm angekündigt war.
3. Der Artikel weist zurecht darauf hin, dass Tspiras vieles, woran er vor dem Referendum noch festhielt, jetzt aufgibt – aber der Artikel erwähnt nicht, daß vieles von dem Aufgezählten schon VOR dem Referendum aufgegeben war: „Das Angebot das Tsipras vorgelegt hat, beinhaltet die meisten Punkte die auch die Institutionen (EU-Kommission, Internationaler Währungsfonds und Europäische Zentralbank) gefordert haben. Eine Erhöhung der Mehrwersteuer bei Nahrung, Elektrizität, Hotels und Gastronomie auf 23 Prozent. Abschaffung der Steuervorteile für Inseln und die Anhebung des Renteneintrittsalter auf 67 Jahre, was faktisch einer Rentenkürzung gleich kommt. Zudem soll das gesamte griechische Tafelsilber unter den Auktionshammer: Flughäfen, die zwei größten Häfen, Wasserwerke und vieles mehr. „
So war z.B. schon vor dem Referendum unstrittig, daß die MWSt.-Einnahmen des griechischen Staates um mindestens 0,74 % der BIP steigen sollen (http://s.kathimerini.gr/resources/article-files/062415greek.pdf) – nun ist es, wie von den „Institutionen“ gefordert, 1 % geworden (http://www.amna.gr/english/articleview.php?id=10546).
Das heißt: Zu 74 % waren sich SYRIZA und „Institutionen“ über die Erhöhung einer linearen Steuer, die alle Einkommensschichten genauso betrifft, schon VOR dem Referendum einig. – Wo blieb zu diesem Zeitpunkt der Aufschrei der SYRIZA-Linken, gar der Rücktritt deren Minister(innen?)? Warum sind sie als Mitglieder einer 35 Prozent-Partei überhaupt – noch dazu: zusammen mit einer rechtspopulistischen Partei – in die Regierung eines bürgerlichen Staates eingetreten?
Noch ein paar andere heutige FB-Statements von mir:
1.
Zu einem Satz in Bezug auf die ursprüngliche SYRIZA-Programmatik: „angesichts der realen politischen Kräfteverhältnisse nicht realistisch durchsetzbar zu sein“ – die wirkliche Frage ist doch, ob es richtig war (und ist) auf dieser schlechten Machtgrundlage in die Regierung einzutreten.
2.
Zu einem Satz über das gestern von der SYRIZA-Regierung bei den „Institutionen“ eingereichte Papier: „der 13-seitigen Kapitulationserklärung der griechischen Regierung“ – Da müßte sich jetzt aber die Frage anschließen, wie eine solche „Kapitulation“ zustandekommt: Liegt es an der Schlechtigkeit der handelnden Subjekte? Oder ist diese „Kapitulation“ vielleicht sogar das Optimum dessen, was auf dem (parlamentarisch-kapitalistischen) Weg, von dem Anfang an klar war, daß ihn SYRIZA geht, rauskommen konnte?
3.
Zu einem Satz über Tsipras: „Welche Optionen hat er [Tsipras] denn, Kerstin?“ – Er könnte zum Beispiel als Regierungschef zurücktreten, Kommunist werden und sich am Aufbau einer revolutionär-kommunistischen Partei beteiligen… – aber das wäre etwas ganz anderes als er nicht erst seit vorgestern macht…
4.
Zu einem etwas längeren Text:
NEHMEN WIR MAL AN, DASS DAS SO STIMMT: ….
Nehmen wir mal an, daß das so stimmt – welche Möglichkeiten gibt es dann, darauf zu reagieren?
1. Es nicht um drei Ecken – als Entschuldigung für die eigene Linie – weitertratschen, sondern es selbst – unter Nennung von Ross und Reiterin – öffentlich zu machen und Maßnahmen des praktischen Umgangs damit bekannt zu geben.
oder 2.: Es bekannt zu geben, zuzugeben, daß man damit naiver Weise nicht gerechnet hat, kein Antwort weiß und deshalb zurückzutritt
oder es 3. so zu machen, wie es gemacht wird: Sich zu beugen und gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
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Hinzukommt noch: @ „Die Troika habe klipp und klar gesagt, wir lassen ab Montag alle Banken und Eure Wirtschaft kollabieren, wenn Ihr nicht beidreht.“
Vermutlich muß die „Troika“ dafür gar nicht allzu viel MACHEN, sondern nur einfach NICHTS machen – denn Griechenland wird doch aktuell nicht wegen einer von der „Troika“ für falsch gehaltenen Wirtschaftspolitik bestraft, sondern Griechenland ist objektiv (jedenfalls innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise) auf frisches Geld angewiesen, und warum sollte die Troika (nicht aus irgendeiner abstrakten, moralischen Perspektive, sondern aus ihrer EIGENEN Perspektive) dieses Geld zur Verfügung stellen, OHNE daran die von ihr für richtig gehaltenen Bedingungen zu knüpfen? – In der kap. PW wird in der Regel nicht verschenkt, sondern getauscht.
Das nicht bedacht zu haben, ist doch der EIGENE Fehler von SYRIZA und all denjenigen, die übertriebene Hoffnungen in SYRIZA investiert haben.
Ein Text, den ich zwar nicht in seinen durchscheinenden politischen Bewertungen, aber in seiner Analyse der Schnelligkeit und Deutlichkeit der Entwicklung der Tage nach dem Referendum ziemlich plausibel finde (obwohl er schon am Dienstag veröffentlicht wurde, also die allerletzten Entwicklungen noch gar nicht reflektiert, die aber der dort aufgezeigten Logik folgen):
7. Juli 2015 um 16:21 Uhr
Tsipras als Repräsentant aller griechischen Euro-Befürworter – Ein Kompromiss wäre möglich
Ein Lagebericht von Niels Kadritzke
http://www.nachdenkseiten.de/?p=26692
Diese Fragen werden sich die Syriza-Politiker sicher selber auch stellen. Nur, was geht das denn uns Linke an, wie die Antwort ausfällt. Denn die sind ja keine Revolutonäre sondern bürgerlich/prokalpitalistische Politiker, deren Ziel war und ist, wie sie das kapitalitische Griechenland wieder nach vorn bringen können. Daran gemessen können die einen von denen sagen, daß die Tspras-Regierung ein „Sieg“ war, die anderen dürfen gerne meinen, daß das ein kapitaler Fehler war.
Deshalb ist meine Antwort auf deine Frage
Nein um Charakterfehler anson´sten aufrechter Revolutionäre geht es hier nicht, sondern höchstens um Fehlkalkulationen bürgerlicher Politiker, die in harter Konkurrenz zu anderen Staaten und deren bürgerlichen Politikern erkennen mußten, daß ihr nationales Interesse nichts zählt.
Deshalb gebe ich dir auch recht, wenn du schreibst,
„„Welche Optionen hat er [Tsipras] denn, Kerstin?“ – Er könnte zum Beispiel als Regierungschef zurücktreten, Kommunist werden und sich am Aufbau einer revolutionär-kommunistischen Partei beteiligen… – aber das wäre etwas ganz anderes als er nicht erst seit vorgestern macht…“
In der Tat, als bürgerlicher Politiker, der einen kapitalistischen Staat managen will und dazu die Alternativen hat, die er dann eben in einer gegebenen Situation hat oder auch nur zu haben meint, macht er dann das. Das hat aber überhaupt nichts zu tun mit den Inhalten einer kommunistischen Agitation, die eine revolutionäre Gruppe in und für Griechenland machen würde.
Obiger Link führt zur Trotskistiki Omada Elladas (TOE) – zu Deutsch:Trotzkistische Gruppe Griechenlands, griechische Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga (IKL)
@ Bernhard:
Also mich führt der Link hinter Deinem Namen zu „Racist Terror and the Legacy of Slavery
Bloody Charleston“…