In der ‚Griechenland/EU-Debatte‘ im neuen deutschland, in deren Rahmen ich mich am Samstag auch bereits geäußert hatte, hat sich heute Halina Wawzyniak, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, zu Wort gemeldet:
»Kein Weg« ist Politik nach dem TINA-Prinzip
Die Linke sollte grundsätzlich Ja zur EU sagen, den Anspruch aber stärker verfolgen, diese zu verändern
http://www.neues-deutschland.de/artikel/979457.kein-weg-ist-politik-nach-dem-tina-prinzip.html.
Darauf habe ich meinerseits mit zwei Texten geantwortet – mit einem längeren bei scharf-links:
Ein bemerkenswerter Schlenker in der Grexit-Debatte – Antwort auf Halina Wawzyniak
http://scharf-links.de/44.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=52426&tx_ttnews[backPid]=56&cHash=20ef7854a4
und einem kürzeren bei FB:
These Gohlke/Wissler: „Ein Verbleib in der Eurozone bedeutet für Griechenland die Garantie auf weitere Kürzungen und Verelendung, die faktische Aufgabe demokratischer und parlamentarischer Kompetenzen und stellt SYRIZA vor eine Zerreißprobe. Er zwingt die SYRIZA-Regierung nun – zumindest vorläufig – dazu, statt zur Beenderin der Austeritätspolitik zum ausführenden Organ der Diktatur der Troika zu werden.“
Anti-These Wawzyniak: „Statt eine Strategie zu entwickeln, wie das Eintreten dieses Szenarios verhindert werden kann – die Auseinandersetzung läuft aktuell – wird der Kopf in den Sand gesteckt. Ja, die derzeitigen Pläne sehen keine Beendigung der Austeritätspolitik in Europa und damit auch in Griechenland vor. Aber an den derzeitigen Plänen wird sich nichts ändern, wenn den Herrschenden das Spielfeld überlassen bleibt.“
Wie kann denn von „Strategie“ gesprochen werden, wenn die Pseudo-Strategie auf einer Prämisse („die Auseinandersetzung läuft aktuell“) aufbaut, die vollständig neben der Realität liegt:
-- Die Brüsseler Vereinbarung wurde doch gerade so konstruiert, daß sie jeden Spielraum; jedes Nachbessern effektiv AUSSCHLIESST:
+++ Die Vorleistungen, die erfüllt werden mußten, bevor überhaupt die eigentliche Verhandlungen aufgenommen wurden.
+++ Die Bestimmung: „bei Abweichungen von ehrgeizigen Primärüberschusszielen nach Konsultation des Fiskalrates und vorbehaltlich der vorherigen Zustimmung der Institutionen quasi-automatische Ausgabenkürzungen eingeführt werden“
+++ Die Bestimmung: „Die Regierung muss die Institutionen zu sämtlichen Gesetzesentwürfen in relevanten Bereichen mit angemessenem Vorlauf konsultieren und sich mit ihnen abstimmen, ehe eine öffentliche Konsultation durchgeführt oder das Parlament befasst wird.“
-- Das (völlig notwendige!) Stromlinienförmigmachen von SYRIZA:
+++ Die Umbildung der Regierung.
+++ Die Aufforderung an die dissentierenden Abgeordneten, ihre Mandate zurückzugeben.
+++ Neuwahlen (mit einer logischerweiser um die DissidentInnen bereinigten SYRIZA-Liste), „wenn es dabei [bei den weiteren Abstimmungen] nicht für eine eigene Mehrheit der Regierung reiche“.
+++ Ein Parteitag erst, wenn die Verhandlungen abgeschlossen sind.
Wo findet denn da eine Auseinandersetzung worüber statt? Da wird doch gerade alles getan, um eine Auseinandersetzung zu VERHINDERN.
Eine Auseinandersetzung wird überhaupt erst wieder möglich, wenn das „Spielfeld“ (Wawzyniak), auf dem im Moment nur verloren werden KANN (das der Regierungspolitik und in der Eurozone) VERLASSEN wird, wenn das Terrain gewechselt – und mit reorganisierten Truppen eine neue Strategie verfolgt – wird.
Siehe zu Letzterem bereits meinen Gedanken von Samstag:
„Was SYRIZA heute braucht (wenn sie denn als Einheit erhalten werden soll oder will) ist der Rückzug – und damit den Spielraum, die eigenen Truppen zu reorganisieren –, den der Brester Frieden für die Bolschewiki bedeutete. Das heißt, die Leistung, die Tspiras, der beansprucht (und m.E. zu Recht beansprucht!), für die Sache von SYRIZA hart gekämpft zu haben, jetzt erbringen sollte, wäre, zurückzutreten und SYRIZA die Gelegenheit zu geben, nicht (als Regierungspartei: zwangsläufig) handeln zu müssen, sondern denken zu können: die entstandene Lage zu analysieren; eine neue Strategie zu entwerfen; sie in der griechischen Gesellschaft zu kommunizieren“