– Mit einem PS. vom 07.08.2011 –
„Während des Transgenialen CSD 2011 wurde eine queere Person auf den Toiletten der Bar ‚Roses‘ in der Oranienstrasse vergewaltigt. […]. Allen Tätern_innen sagen wir: wir werden nicht schweigen, wir halten zusammen!!!“
(http://transgenialercsd.blogsport.de/2011/07/25/stellungnahme-zum-vergewaltigungsvorfall-waehrend-des-transgenialen-csd-2011/)
Schön zu hören, wo es doch vorher in Bezug auf den Umgang mit sexuellen Belästigungen und andere „diskriminierende[n] Situation“ noch hieß:
- „Wenn Du eine diskriminierende Situation beobachtest […], gibt es für den NOTFALL eine AWARENESS-TELEFONNUMMER, die Du anrufen kannst.“ (Großbuchstaben i.O.)
- „Grundsätzlich gilt: Wir alle sind dafür verantwortlich […] möglichst deeskalierend.“ auf sexuelle Belästigungen zu reagieren (in der verschwiemelten tCSD-Sprache: „den Raum zum demonstrieren und feiern ohne Diskriminierung zu schaffen.“)
- „Grundsätzlich gilt schon mal bei schwierigen situationen: […] nicht körperlich werden!“
„für den NOTFALL“ = ‚hab Dich aber bloß nicht zu zimperlich‘ und: ‚Wir sind vielbeschäftigte Menschen und können uns nicht nur um dieses Awareness-Dings kümmern.‘
Erst heißt es „nicht körperlich werden“ und jetzt wird aber auf einmal getönt: „Wir schlagen zurück! […]. Bildet Banden!“
Laut der eingangs zitierten Stellungnahme wurde eine „queere Person“ vergewaltigt, außerdem wird ganz allgemein von „Tätern_innen“ gesprochen. Zum Geschlecht des/der „Täter_in“ im vorliegenden Fall erfahren wir nichts, allein: die Tat wird als „homophober Angriff “ charakterisiert.
Diese ent-geschlechtlichende Rede über die Vergewaltigung ist in vielerlei Hinsicht problematisch:
► Falls es sich um die Vergewaltigung einer FrauLesbe durch einen Mann handelt, ist diese ent-geschlechtlichende Rede eine Entnennung des gesellschaftlichen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisses zwischen Männern und Frauen, in dem Vergewaltigungen an der Tagesordnung sind.1
► Sollte es sich um die Vergewaltigung eines (schwulen, bi-, pansexuellen, …) Mannes durch einen (heterosexuellen) Mann handeln, so würde auch in diesem Fall die ent-geschlechtlichende Rede einen relevanten Teil der patriarchalen Realität entnennen.
► Sollte es sich schließlich um eine ‚innere-queere‘ Tat handeln (was allerdings die Frage aufwerfen würde, was mit der Charakterisierung der Tat als „homophob“ genau gemeint ist – „homophobe“ queers, gibt es das?!), so wäre nach der Reproduktion der herrschenden gesellschaftlichen Strukturen innerhalb der queer-Szene bzw. die dortige Entstehung neuer Herrschaftsstrukturen zu fragen.
Demgegenüber legt die ent-geschlechtlichende Redeweise der zitierten „Stellungnahme“ den Schleier der ent-politisierenden Sprach-Diplomatie über die Tat und verhindert notwendige politische Positionierungen. –
Aus diesem Anlaß (und im Nachgang dazu) ein Zitat aus:
Monika Schröttle
Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen
in: Streit. Feministische Rechtszeitschrift 2009, 147-158 (152 f. = Abschnitt V.; im Original handelt es sich bei den hiesigen FN 2 und 3 um die FN 8 und 9):
Die These der Gendersymmetrie bei Gewalt in Paarbeziehungen