„Wie ein Lauffeuer erfasste der Aufruhr der arbeits- und zukunftslosen Jugendlichen gegen die Vetternwirtschaft Bin Ali-Regime die Völker Tunesiens. Eine sich zu Beginn gegen Hunger, Arbeitslosigkeit und Elend richtende Rebellion, entwickelte sich sehr rasch zu einem Volksaufstand für Freiheit und Demokratie, zu einer revolutionären Erhebung zum Sturz des verhassten Unterdrücker-Regimes. […]. Als klar wurde, dass Bin Ali nicht zu halten war, sprangen Teile des bestehenden Systems, die Armee und die Bürokratie ab. Auch seine ‚Hauptsponsoren‘ Frankreich, Deutschland, Italien und USA ließen ihren, bis vor kurzem ‚vertrauenswürdigen‘, treuen ‚Verbündeten‘ und ‚Freund‘ wie eine heiße Kartoffel fallen. Sie schwenkten um. Ihre Geschäfte wollten sie nun mit den ‚neuen‘ Machthabern weiterführen. Plötzlich entdeckten sie, dass Tunesien seit vierzig Jahren von einem ‚fürchterlichen‘ und ‚autoritären‘ Diktator beherrscht wurde. Zudem war, so empörten sie sich, der Staat durch und durch korrupt! Diese imperialistischen Heuchler! […]
der bisherige Verlauf [ist] so, dass einige verhasste Vertreter des Regimes durch andere ersetzt werden. Aber das System der Ausbeutung und die Abhängigkeit vom Imperialismus bleiben bestehen. Es werden neue Koalitionen von Gruppen der alten Elite, und vor allem der ‚moderat islamischen‘ Opposition, die bisher von der Macht ausgeschlossen war geschmiedet. Das wird als Demokratisierung verkauft. Zwar werden einige formal bürgerlich demokratische Schritte unternommen, bzw. dahingehende Versprechungen gemacht, aber wirkliche Freiheit und Demokratie für das werktätige Volk gibt nicht. So sind die Revolutionen in Maghreb und in Arabien momentan abgebrochene, halbe Revolutionen.
[…]. Alle imperialistischen Mächte USA, EU, Kanada, China und Russland usw. machen sich diese Rebellionen der Völker zunutze. […]. Der bisherige Verlauf der Volksaufstände zeigt als wichtigsten Mangel der Bewegung das Fehlen einer kommunistischen Organisation und Führung. Die enorme Schwäche der kommunistischen Bewegung lässt den Imperialisten und ihren Helfershelfern Raum für ihre Manöver. […].
Wir Kommunisten sind Feinde des faschistischen Ghaddafi Regimes. Wir sind für die Zerschlagung dieses Regimes durch die volksdemokratische Revolution der Völker Libyens. Wir unterstützen mit all unseren Möglichkeiten ihren Kampf gegen das Ghaddafi Regime. Wir sind zugleich gegen jede Intervention der Imperialisten! Denn wir wissen, dass all die schön formulierten Ziele ‚Unterstützung der Demokratie und Freiheit‘, ‚Schutz der Zivilbevölkerung vor Massakern‘, ‚Menschenrechten‘ nichts als Lügen sind. Auch wenn viele Menschen im Osten Libyens heute in ihrer Verzweiflung in den Imperialisten ihre Retter und Schutzmacht sehen, ändert das nichts an dieser Tatsache. […]. In diesem Sinne rufen wir alle auf: Kämpft gegen die imperialistische Intervention und gegen den Krieg der Imperialisten in Libyen. Dies ist auch die beste Unterstützung des Kampfes der Völker Libyens gegen das faschistische Ghaddafi Regime. Wirkliche Befreiung wird nur durch die Revolution der Völker Libyens erreicht werden.“
(Flugblatt von Bolşevik Partizan [Nordkurdistan/Türkei] und TROTZ ALLEDEM! [Deutschland])
Ich würde meinerseits vorschlagen, noch deutlicher zwischen politischen Revolutionen und solchen, die auch die Produktionsverhältnisse erfassen, zu unterscheiden sowie dem – in dem Flugblatt verwendeten – abschätzigen Begriff von „formal“ widersprechen; auch der dort verwendete „Faschismus“-Begriff scheint mir diskussionsbedürftig.
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