Versuch einer Aktualisierung der „Feministische[n] Kritik“ von 1993
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Ich dokumentierte hier kürzlich eine „Feministische Kritik“ an der sog. Neuen Politik der RAF seit 1992, die schließlich in nichts anderes als den Zerfall des Gefangenen-Kollektivs und der Selbstauflösung der RAF mündete. Von Neuer Politik keine Spur. Kapitulation auf der einen Seite. Und Hilflosigkeit auf der anderen Seite des antiimperialistischen Spektrums.
(„Antiimperialistischer Widerstand“ oder kurz „Antiimps“ bedeutete im damaligen linken Sprachgebrauch noch nicht [oder jedenfalls nicht in erster Linie] – wie heute zumeist – Orientierung an reaktionären trikontinentalen Regimen und Bewegungen, sondern eine gewisse Affinität zum Versuch der RAF und anderer westeuropäischer Guerillagruppen eine „antiimperialistische Front in Westeuropa“ aufbauen.1 Ich kam mit dieser Szene 1989, während des letzten großen Hungerstreiks der Gefangenen aus der RAF in losen, distanzierten Kontakt, als sich diese Orientierung schon in einer, nun auch von den AkteurInnen selbst als solche erlebten Krise befand.)
Leserin Bäumchen postete zu dem dokumentierten Text von 1993 folgenden Kommentar:
„Vielen Dank! Die Zivilisationstheorie von Norbert Elias könnte erklären, warum mir der Text zu Anfang sehr unangenehm erschien; Gewalt ist verpönt heutzutage und monopolosiert, Zwänge internalisiert; der Mensch zivilisiert. Deswegen würde es mich interessieren, wie du zu diesem Text stehst und welche Schlüsse du daraus für dich oder für den Feminismus ziehst.
Liebe Grüße!“
Auch, wenn ich nicht in der Lage bin, das bekundete Interesse („wie du zu diesem Text stehst und welche Schlüsse du daraus für dich oder für den Feminismus ziehst“) wirklich systematisch zu beantworten, sprengt doch auch schon ein dahingehender Versuch jede vertretbare Kommentar-Länge, sodaß ich daraus hier einen neuen Beitrag mache. Aufgeworfen ist damit nicht weniger als die Frage nach den Perspektiven revolutionärer Politik und eines revolutionären Feminismus – und damit zunächst einmal das Problem, diese überhaupt – und sei es auch nur intellektuell – zu rekonstruieren.
I. Zur Hauptthese des Textes
Bäumchen schreibt, daß ihr der Text zunächst unangenehm erschien – und zwar vielleicht deshalb, weil dort Gewalt – anders als zumeist – nicht verpönt ist. In der Tat, die – unabhängig von der damaligen Diskussion über die RAF – grundlegende These des Textes lautet:
„in einer gesellschaft, in der weltweit frauen und mädchen aufgrund patriarchaler machtordnung unterdrückt werden, vergewaltigt werden, ihre gefühle, ihre kreativität, ihre körper, ihre phantasie, ihre lust, ihre arbeitskraft, ihre intelligenz, ihr wissen ausgebeutet werden, in der frauen eine unterstellte, eine kolonisierte soziale klasse sind, haben frauen individuell und kollektiv die berechtigung, mit jedem mittel gegen das system ihrer unterdrückung und gegen jeden einzelnen unterdrücker vorzugehen!“
Ich kann die Schwierigkeiten von Bäumchen mit dieser klaren Ansage verstehen, denn ich habe es meinerseits bisher nicht einmal bis zu einem Steinwurf auf einer Demo gebracht.2
Eine ernsthafte Diskussion über Gewalt zu führen, wie dies in der feministischen Kritik von 1993 gemacht wurde, setzt allerdings vieles voraus – vieles, was auch für diejenigen an linker und feministischer Politik Beteiligten wichtig ist, die nicht gerne Steine werfen, Mollis basteln oder mit Kalaschnikows raumlaufen.
Der Text von 1993 artikulierte noch eine Einsicht, die heute selbst viele, die ab und an mal bei Demos Steine schmeißen, nicht mehr haben (und die sich statt dessen auf Kindereien wie, „Die Bullen haben doch aber zuerst angefangen.“, stützen) – nämlich die Einsicht, daß ‚wir’ (ich weiß, dieses ‚wir’ existiert heute nicht; und es existierte auch 1993 nicht wirklich) irgendwann diejenigen sein müssen, die ‚anfangen’ müßten, wenn es uns denn die Bullen nicht abnehmen würden. Revolutionäre Politik ist nicht nur Selbstverteidigung; wir müssen mit dem Rücken von der Wand wegkommen, gegen die uns der staatliche, massenmediale und auch von vielen Linken mit einem undifferenzierten und extensiven Gewalt-‚Begriff’ betriebene (Anti-)Gewalt-Diskurs drängt – das ist die These der Feministischen Kritik:
„feminismus ist nicht nur selbstverteidigung mit dem rücken zur wand und dem grauen im herzen. feminismus ist nicht allein der gesellschaftliche rückzug in frauengemeinschaften. das empören gegen ungerechtigkeit, die wut im bauch, die theorie von unterdrückung und veränderung. feminismus ist mehr als die reaktion auf politische umstände oder materielle bedingungen. feminismus ist das bewußtsein, nicht nur von ursachen der unterdrückung, sondern auch von bedingungen, notwendigkeiten, möglichkeiten der veränderung.“
Entsprechend war auch Karl Marx der Ansicht:
„Die Gewalt ist der Geburtshelfer jeder alten Gesellschaft, die mit einer neuen schwanger geht.“ (Das Kapital. Bd. 1, 24. Kap., 6. Genesis des industriellen Kapitalisten; MEW 23, 779).
Und Mao Tse-Tung sagte:
„Für alles Reaktionäre gilt, daß es nicht fällt, wenn man es nicht niederschlägt.“ (Ausgewählte Werke. Bd. IV, 7-23 [17]).
II. Zum damaligen politischen Kontext und den Verschiebungen, die bis heute eingetreten sind
1. Im Kontext der vorgenannten, in den 70er- und 80er-Jahren auch von vielen Feministinnen geteilten Ansicht, gab es auch Anfang der 1990er Jahre noch ganz andere feministische Strukturen als heute.
-- Es gab FrauenLesben-Räume, -Gruppen, -Veranstaltungen, -Uni-Seminare, -Plena (innerhalb von Kongressen und größeren gemischten Gruppen), FrauenLesben-Vollversammlungen an Unis und innerhalb der autonomen Szene (mit relevanter zahlenmäßiger Beteiligung), und FrauenLesben-Blöcke bei Demonstrationen waren eine Selbstverständlichkeit – und alldas wurde auch gegen etwaig eindringende Männer verteidigt.
-- Heute existiert alldies nur noch selten, und, wenn, dann in Form von entsprechenden FrauenLesbenTrans-Strukturen.
-- Damit hatte die queere Biologismus-Kritik aber mehrfache problematische Effekte: Nicht nur wissenschaftstheoretisch gab es die starke Tendenz, zurecht kritisierte biologistische Tendenzen in der Frauenbewegung durch einen (in dem Falle: zumeist diskursanalytischen) Idealismus zu ersetzen, sondern auch politisch wurde der (vermeintliche) ‚Biologismus’ (hier in Form eines strategisch reflektierten – also durchaus nicht einfach unter „Biologismus“ abzubuchenden – FrauenLesben-Separatismus) durch einen Idealismus, was hier meint: durch naive Prämissen und/oder eine Vergeistigung des Geschlechts, ersetzt.
Queer Feminismus – Dichtung …
(Quelle: http://3.bp.blogspot.com/_inMGyJA1G_Q/S7jRSZ4P8WI/AAAAAAAAAMc/mLZzoxgYvaQ/s1600/tigre_indochine_02.jpg – Beschriftung hinzugefügt)
Während die ursprüngliche (de)konstruktivistische These lautete: Geschlecht ist kein unveränderliches Wesen einer Person, sondern ein Tun (doing gender) – wurde daraus in der politischen Praxis: Geschlecht ist ein Selbstverständnis; welche sich als Frau definiert, muß auch als Frau behandelt werden.
Damit wurde (feministische) Kritik an Trans-Wesen zu einem Tabu; und, wenn sie sich denn partout nicht vermeiden läßt, dann kann sie leicht unproduktiv eskalierende Formen annehmen, weil sie von allen möglichen Problemen der Unterschwelligkeit und Indirektheit (da der wirkliche Kritikpunkt mit einem Tabu belegt ist) sowie der Nicht-Rechtzeitigkeit und dann Übereilung/Überreaktion (da aufgestaute Konflikte nicht mehr produktiv bearbeitet werden können) belastet ist.
Und ein weiteres passierte (ich würde denken, ausgehend zunächst von der lesbischen Partykultur): In der Praxis spielte es gar keine große Rolle, ob FrauenLesben-Parties nun auf einmal zu Parties für Lesben und andere Weiblichkeiten oder sogar für Lesbians & friends wurden.
Damit trat dann – in dem Maße, in dem dieses vermutlich zunächst Party-Phänomen auf politische Strukturen übertragen wurde – der Effekt ein, daß es eigentlich auch keinen Unterschied mehr zwischen Mann-zu-FrauLesbe-transgendern3 und Männern gab.
Der Separatismus als solcher – ob nun biologistisch oder macht-theoretisch oder wie auch immer begründet – verschwand weitgehend. Damit wurde aber eine politische Grundwahrheit vergessen, die selbst dem bürgerlichen Arbeitskampfrecht bekannt ist: Effektive Organisierung bedeutet die Möglichkeit zur gegnerInnenfreien Organisierung; niemandE kann gleichzeitig in einer Gewerkschaft und in einem Arbeit‚geber’verband-Mitglied sein, ohne daß deren spezifischer Charakter als Vereinigungen zur Vertretung spezifischer Interessen und Arbeitskampforganisationen beeinträchtigt wäre.
2. Mit jenem ‚Vergessen’ vollzog der Feminismus eine allgemeine Entwicklung im Zuge der (präventiven und anti-‚real’sozialistischen) neoliberalen Konterrevolution mit: In dem Maße, in dem der „Sachzwang“ zum neue Star am politischen Himmel wurde, wurde das Reden über Interessensgegensätze als solches zum Tabu.4
Sozialdemokratisch-sozialpartnerschaftliche Politik hatte schon immer einen solchen Zug; aber ‚68’ und die anschließenden Neuen Sozialen Bewegungen grenzten sich zunächst auch davon und auch von der stalinistischen und post-stalinistischen Politik der „friedlichen Koexistenz“ mit dem Imperialismus ab.
Im Zuge des ‚realpolitischen’ Durchmarsches bei den Grünen, der NGO-isierung der Neuen Sozialen Bewegungen und dem Zerfall der Stadtguerillagruppen blieb davon wenig übrig. Im sozialdemokratisch-gewerkschaftlichen Spektrum wurde – das nach ’68 durch linke Betriebsarbeit teilweise in Frage gestellte und abgeschwächte Konzept der „Sozialpartnerschaft“ durch „Bündnisse für Arbeit“, Ko-Management und Standort-Nationalismus noch radikalisiert.
In der neoliberalen politischen Konjunktur gab und gibt es nur noch Probleme und Lösungen, aber keine Interessensgegensätze mehr.
3. Insofern läßt sich auch die post-1989er feministische Diskussion (egal, ob es sich um akademische und linksradikale queer-Diskussionen oder um grün-sozialdemokratisches bis konservativ-neoliberales gender mainstreaming oder um ganz neue Wiederbeschäftigungen klassenkämpferische Ansätze mit der „Frauenfrage“ handelt5) auf den Generalnenner bringen: Der 70er- und 80er-Jahre-Feminismus war nicht nett genug zu Männern.
Gemeinsam6 statt Separatismus – SozialpartnerInnenschaft auf ‚feministisch’.
… und Wahrheit?
(Quelle: http://www.aufblasbares.de/images/pluesch/88828.jpg – Beschriftung hinzugefügt)
4. Im akademischen und linksradikalen Bereich (einschl. der von diesen beeinflußten Teile der Neuen Sozialen Bewegungen) hatte ‚queer’ bzw. die o.g. Biologismus-Kritik einen weiteren Effekt: Feminismus wurde weitgehend auf eine ‚Soli-Veranstaltung’ mit Trans- und Inter-Wesen reduziert, und die Themen des 70er- und 80er-Feminismus (Männergewalt gegen Frauen [wird am ehesten noch jedenfalls in feministischen blogs thematisiert); geschlechtshierarchische Haus- und Erwerbsarbeitsverteilung; Frauenlohndiskriminierung7; § 218) fallengelassen, ohne daß sie erledigt wären, oder jedenfalls an den Rand gedrängt bzw. institutionellem gender mainstreaming – mit entsprechenden inhaltlichen Abstrichen ggü. feministischen Positionen – zur Bearbeitung überlassen.
5. Daran ändern auch neuste Ansätze einer feministisch-queeren „Ökonomie-Kritik“ wenig:
Wenn diese „Kritik“ unter dem Motto läuft: „Wir wollten weder begrifflich noch analytisch vorlegen“ / „ist ganz stark offen“ / „in den Raum werfen und einladen“ / „Fragen“ (http://maedchenblog.blogsport.de/2010/03/01/und-nochmal-queerfeminismus-und-oekonomiekritik/), dann ist auch feministische-queere Ökonomie-Kritik nur ein weiterer Name für die intellektuelle (analytische) (und politische sowie) Kapitulation vor dem status quo.
6. In der derartiger Beliebigkeit und Zahnlosigkeit gehen ein postmoderner wissenschaftstheoretischer Relativismus (Es gibt keine Wahrheit!) und ältere marxistische, feministische und anti-rassistische Standpunkt-Theorien (Die Wahrheit liegt beim Proletariat!; Die Wahrheit liegt bei der schwarzen, jüdischen, lesbischen Rollstuhlfahrerin!) ein untunliches Bündnis ein:
Wenn denn heute überhaupt noch etwas als „männlich“ oder „patriarchal“ kritisiert wird, dann am ehesten, überhaupt eine Position zu vertreten. Von einer Position mehr als vage subjektiv überzeugt zu sein, oder gar überzeugt zu sein, daß Behauptungen bewiesen und Vorschläge begründet werden müssen – und zwar in einer Weise, die auch für Dritte nachvollziehbar ist8 und die nicht nur um den eigenen Bauchnabel kreist, gilt am ehesten noch als „patriarchal“.
Noch mehr auf der Höhe der Zeit ist allerdings, auch in diesem Fall die Begriffe „männlich“ oder „patriarchal“ zu meiden – es sei denn, ihre Verwendung wäre wirklich unabweislich notwendig, um (in Form eines ad hominem-Gegenschlages) Angriffe auf queere Beliebigkeit und Zahnlosigkeit wirksam abzuwehren – und statt dessen lieber von „dominant“, „diskriminierend“ oder „übergriffig“ zu reden. Eine Position zu haben, von ihr überzeugt zu sein und dafür explizierbare und explizierte Gründe zu haben und folglich die eigenen Position anderen Positionen gegenüber vorzuziehen und die eigene Position auch anderen Leuten anzuraten – das ist heute der definitive Angriff auf den Frieden im queer-feministischen Schrebergarten.9 Wenn auch nichts heute feministischen Zorn hervorrufen kann – dies ruft garantiert den Vorwurf „Diskriminierung“ und „übergriffig“ von nicht nur eineR hervor.10
III. Für eine Rückeroberung des Wortes „Feminismus“ für revolutionäre Politik
Und deshalb gefällt mir die Feministische Kritik von 1993 so sehr – weil sie beansprucht, feministisch zu sein,
-- obwohl und gerade weil sie eine klare Position artikuliert
-- und folglich andere Positionen klar und deutlich kritisiert11
-- und dabei gegen den ganzen Strom der AdressatInnen schwimmt. –
Gegen den Strom zu schwimmen, das machen nicht nur nicht Feministinnen; das machten auch Lenin und Sinowjew während des ersten Weltkrieges12 –
(Quelle: http://www.buchfreund.de/covers/13337/P12835.jpg)
und das wäre auch das, was aus dem dekonstruktivistisch-queeren Konzept der Ent-Identifizierung wirklich zu lernen wäre;13 und zwar gerade in Bezug auf den in der Vorbemerkung andeutungsweise angesprochenen Konflikt zwischen Imperialismus und reaktionärem Antiimperialismus: Ähnlich wie sich die Bolschewiki sowohl gegen den russischen Imperialismus als auch gegen den deutschen Imperialismus und gegen die sozialdemokratische Vaterlandsverteidigung in jedem Land stellten, so erfordert revolutionäre Politik heute eine doppelte Absage sowohl an den westlichen, militärischen und zivilgesellschaftlichen, universalistischen Menschenrechts-Missionarismus als auch an den reaktionären Antiimperialismus. Beide sind im Namen antipatriarchaler, antikapitalistischer und antirassistischen Parteilichkeit zu bekämpfen.
Das ist also die erste Lehre, die wir auch heute noch aus der Feministischen Kritik von 1993 ziehen können:
-- Es gibt keine revolutionäre Politik, die nicht gegen den Strom schwimmt.
-- Revolutionäre Politik hängt heute zu allererst daran, den Begriff des Antagonismus, selbst noch den harmloseren des Interessensgegensatzes, in die heutige politische Sprache wiedereinzuführen, die nur noch „Probleme“, „Lösungen“ und vielleicht noch „Mißverständnisse“ – und im übrigen ganz viiiiel „guten Willen“ kennt.
-- Revolutionäre Politik ist allerdings genauso wenig wie Geschlecht ein Wille, sondern eine Praxis – eine Praxis, die damit beginnt, nicht nur endlos Fragen zu stellen, sondern auf eigenes Risiko zumindest Hypothesen zur Beantwortung von Fragen vorzuschlagen und für sie zu argumentieren.
Vgl. ergänzend:
Kuschelsex oder Kuschelpolitik? Lesbisch-kommunistische De-Konstruktion oder ex-autonom-postmoderner Liberalismus?
und
De-konstruktiv oder destruktiv? – queer Lesbianismus
sowie
Bombardiert das Hauptquartier der Philosophen-Könige (Engl. version)
mit der These:
„Der Kommunismus ist […] kein irdisches Paradies der universellen Gemeinsamkeit, sondern der konkrete und negative Kampf gegen jede Form von Herrschaft und Ausbeutung, keine neue ideale Ordnung; kein Ende der Geschichte. Ich möchte [… in diesem] Sinne einen Satz von Althusser über den Humanismus meinerseits gegen den Universalismus wenden: Althusser sagte, das Wort „Humanismus“ tötet den Klassenkampf. Der Universalismus […] tötet ebenfalls den Klassenkampf, tötet feministische Kämpfe, tötet antirassistische Kämpfe. Gesellschaftliche Kämpfe sind Kämpfe zwischen partikularen Interessen; revolutionäre Kämpfe sind Kämpfe, die sich nicht mit einem Kompromiß zwischen Herrschenden und Beherrschten, zwischen Ausbeutenden und Ausgebeuteten bescheiden. Und über den kämpfenden partikularen antagonistischen Interessen steht kein Universelles, das die Antagonismen schließlich einer philosophischen Synthese zuführt.“
und schließlich zum theoretischen Kontext:
Pluralismus und Antagonismus – Eine Rekonstruktion postmoderner Lesweisen –.
- Vgl. dort http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/08/06/23-std-vor-veranstaltung-konzert-beginn-ziemlich-viel-unklares/#comment-132 den letzten Abschnitt „Nachbemerkung zum antiimperialistischen Anspruch der MD-VerteidigerInnen und dem MD-Stück ‚Terror touchit’“ [zurück]
- Und mir scheint, ich muß diesbzgl. auch kein übermäßig schlechtes Gewissen haben: So wenig sich bestreiten läßt, daß so manche Scherben-Demo effektiv Aufmerksamkeit auf bestimmte Themen gelenkt hat, so klar ist aber auch, daß Steine auch mehr als einmal vom Anlaß, aus dem sie geworfen wurden, ablenkten.
Und zumal gilt: Solange die Situation so ist, wie schon 1992 von „frauen […] aus verschiedenen politischen bereichen“ kritisiert – nämlich, daß„autonome politik als ‚lückenfüller‘ für funktionen, die kirchen, parteien, humanistische kräfte nicht mehr besetzen“
funktioniert, gilt auch in Bezug auf Steine schmeißen, meine Kritik am tCSD, der ohne Steine auskommt: Auch das Steine Schmeißen ist dann nur eine Geste, die keine Handlung ist – jedenfalls keine revolutionäre. [zurück]
- Hier im weiten Sinne, d.h. unter Einfluß und nicht als Gegenbegriff zu Transsexuellen verstanden. [zurück]
- Demgegenüber bemängelte die Feministische Kritik: „von dem in sich schon unvollständigen antagonismus ‚proletariat’ – ‚bourgeoisie’ ist nichts mehr übriggeblieben, die rede ist nur noch von ‚menschen’. im kontext der ‚herrschenden verhältnisse’ von ‚menschen’ zu sprechen, negiert die gesamte ausbeutungs- und gewalthierarchie im imperialistischen patriarchat.“ Und sie postulierte: „jede politische/gesellschaftliche entwicklung entsteht aus der dialektik des aufstandes von unten gegen die herrschaft von oben.“ [zurück]
- Siehe bspw. die Broschüre „100 Jahre Internationaler Frauenkampftag. Zusammenkämpfen gegen Patriarchat, Ausbeutung und Unterdrückung“ mit Texten von ARAB (Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin), Deutscher Kommunistischer Partei (DKP) Berlin, Sozialistischer Deutscher Arbeiterjugend (SDAJ) Berlin, Kurdistan Solidaritätskomitee Berlin, A.-K. Kowarsch und Sozialistischer Linker Hamburg (SoL) (http://8maerz.blogsport.de/images/8maerz.pdf)
Die Broschüre läuft sie mit Thesen wie„Weil das Patriarchat unmittelbar mit dem Kapitalismus zusammenhängt, müssen die Kämpfe um die Befreiung der Frau und der Kampf gegen den Kapitalismus verbunden werden.“ (S. 29; siehe dort auch den letzten Satz)
und
„sind wir der Meinung, dass es im Kapitalismus keine gleichberechtigte geschlechterbefreite Gesellschaft geben kann.“ (S. 2)
auf eine Restauration der prä-feministischen These vom „Hauptwiderspruch Klassenkampf“ hinaus. –
Das im Haupttext in Anführungszeichen gesetzte Wort „Frauenfrage“ kommt in der Broschüre nicht vor; ich verwende es dennoch, weil es in jenem Spektrum der herkömmliche Ausdruck ist, mit dem sich auf das hier interessierende Gegenstandsfeld (Geschlechterverhältnis) bezogen wird. [zurück] - Siehe den Titel der vorgenannten Broschüre und genauso den Aufruf des gleichen Spektrums (lt. gedruckter Fassung von: junge Welt, SDAJ, Kurdistan Solikomitee, DKP Berlin, ARAB, Zusammenkämpfen Berlin, Antifaschistische Aktion [scil. ALB?] + ein Gruppen-Logo ohne Namen) zu einer Veranstaltung am 8. März und einer gemischten Demonstration am 11. März: „Heraus zum 8. März 2011: Zusammen kämpfen“ (http://8maerz.blogsport.de/aufruf/).
In dieser Tendenz – ggü. den Einsichten des 70er und 80er Jahre-Feminismus – die Interessensgegensätze zwischen Männern und Frauen zu nivellieren, die Möglichkeit eines Zusammenkämpfens gegen das Patriarchat zu behaupten, waren sich bei der genannten Veranstaltung – ungeachtet der sonstigen Unterschiede hinsichtlich theoretischem background und Sprachstil – auch die Vertreterinnen eher traditionalistischer Positionen und die Vertreterin einer queer-feministischen Gruppe auf dem Podium einig.
Ein Kampf gegen das Patriarchat setzt aber die Bereitschaft, nicht die Herrscherposition in diesem gesellschaftlichen Verhältnis einzunehmen, also im Falle von Männern, die Bereitschaft, ihre männliche Identität aufzugeben, voraus. Also ist ein „Zusammenkämpfen“ allenfalls mit Ex-Männern möglich – und selbst dann nicht ohne das im Haupttext angesprochene Recht auf feministische Kritik an Trans-FrauenLesben, mich eingeschlossen! (Männer können, wenn wir nicht biologistisch sein wollen, qua definitionem bestenfalls wohlwollend, solidarisch oder neutral gegenüber dem feministischen Kampf sein, aber nicht dessen Subjekte/Protagonisten). –
Etwas ganz anderes, als anläßlich des 8. März eine gemischte Demo zu veranstalten, wäre es im übrigen, zum einen eine FrauenLesben(Trans)-Demo zu veranstalten, hinter der im Abstand von 500 Metern zum anderen eine pro-feministische Männer (und Trans-)Demo läuft und in deren Aufruf sich Männer (und Trans-Wesen) mit ihrer Rolle im Patriarchat und welchen Beitrag sie dazuleisten können und wollen, beide (ihre Rolle und das Patriarchat im allgemeinen) zu überwinden, auseinandersetzen. Dann würde sich Männer (und Trans-Wesen) nämlich nicht ‚Lieb Kind’ bei FrauenLesben mitmachen, aber in der Außenwahrnehmung einer gemischten Demo weitgehend untergehen, sondern sichtbar Solidarität zeigen und sich mit den gesellschaftlichen Reaktionen (insb. von Männern) darauf auseinandersetzen müssen – also ganz im Sinne dessen, was Ingrid Strobl schon Anfang der 90er Jahre postulierte: „Frauen, die das Machtverhältnis zwischen Frauen und Männern bekämpfen, Frauen, die der patriarchalen Norm […] den Krieg erklären, Frauen, die die herrschenden Verhältnisse, die Herrschaft im wahren Sinne des Wortes radikal aufheben wollen, bedürfen nicht so sehr der männlichen Genossen, die sich für ihre Freunde halten, als der männlichen Genossen, die bereit sind, zum Feind des Mannes zu werden.“ (http://www.sterneck.net/gender/strobel-freiheit/index.php). [zurück] - Im klassenkämpferischen Spektrum wird dagegen die Erklärung der Frauenlohndiskriminierung aus ihrer angeblichen Kapital-Funktionalität wiederbelebt: „durch die Abwertung der Frauenarbeit kann der Wert der Ware Arbeitskraft auch insgesamt gedrückt werden.“ (S. 15 der in FN 5 genannten Broschüre). Dadurch, daß das Kapital Männern (jedenfalls in fordistischer Zeit) „Familienlöhne“ zahlte, ‚sparte’ das Kapital aber nichts.
Denn: Egal, ob nun Haus- und Erwerbsarbeit zwischen den Geschlechtern gleich oder ungleich verteilt ist – auf jeden Fall müssen die Löhne, den – historisch-kulturell wandelbaren – Reproduktionsbedarf der gesamten Familie decken. Der „Familienlohn“ (bei Zuweisung der Hausarbeit nahezu exklusiv an Frauen) bedeutete also keine ‚Ersparnis’ für das Kapital, sondern ausschließlich, daß das Geld für den Reproduktionsbedarf von Frauen durch die Taschen von Männern floß, die dadurch Kontroll-Macht über Frauen erlangten.
Auch für die heutige neoliberale Konstellation läßt sich nicht sagen, das Kapital würde als handelndes Subjekt Frauenarbeit „abwerten“. Bestimmte Arbeit wird nicht schlecht bezahlt, weil deren Ausübung durch Frauen als Alibi genommen würde, sie schlecht zu bezahlen, sondern: Weil wir in einem Patriarchat leben wird schlecht bezahlte Arbeit überproportional Frauen zugewiesen.
Vgl. ausführlicher zur Kritik von Ansätzen, die das Patriarchat aus seiner (vermeintlichen) Kapital-Funktionalität erklären: http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/10/13/zur-kritik-des-marxistisch-gegenstandpunklerischen-kleinredens-von-sexismus-und-patriarchat/ [Abschnitt „zu I.“, Abschnitt c)] und bes. http://theoriealspraxis.blogsport.de/1991/11/16/wo-viel-licht-ist-ist-auch-viel-schatten/ [Abschnitt II.B.2.]. [zurück] - Vgl. meine Kritik daran, daß die letztjährigen Rassismus-Vorwürfe gegen den mainstream-CSD zunächst ohne jedwede Belege vorgebracht wurden: http://theoriealspraxis.blogsport.de/images/Butter_bei_die_Fische.pdf; zum späteren Stand der Debatte, der diesen Mangel etwas beseitigte: http://maedchenblog.blogsport.de/2010/07/04/na-also-warum-nicht-gleich-so/; zur wissenschaftstheoretischen Seite des Problems: http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/11/07/konvergenzen-des-wissenschaftstheoretischen-relativismus/. [zurück]
- Die Feministische Kritik läßt sich für diesen „Frieden“ nicht ausbeuten: „frauen sind aufgrund ihrer sozialisation auf frieden und harmonie eingeschworen. wir beobachten, daß auch viele linke frauen immer mehr vor der konfrontation mit den verhältnissen zurückweichen, protestieren, wachen, sich zurückziehen.
feministinnen wissen, daß die herrschende realität immer beängstigender wird. aber sie wissen auch, daß sich ducken nicht vor schlägen schützt, daß die herrschenden die unsicherheiten benutzen wollen, um die einen gefügig zu machen und zu integrieren und die anderen zu isolieren und anzugreifen.“
Und die Feministische Kritik macht in dem Zusammenhang eine Unterscheidung zwischen feministischer Bewegung und Frauenbewegung: „für die feministische bewegung heute ist es wichtig, zu verstehen, daß die frauenbewegung damals und mehrheitlich auch heute noch organisierte militante politik vielfach praktisch ablehnt, ja bereits theoretisch für unangemessen, weil ‚unweiblich’ erklärt.“ (Hv. hinzugefügt). –
Auch die Rote Zora postulierte: „Mag sein, daß es erschreckt, wenn Selbstverständliches in Frage gestellt wird, daß Frauen, die von klein auf die Opferhaltung eingebleut kriegen, verunsichert sind, wenn sie damit konfrontiert werden, daß Frauen weder Opfer noch friedfertig sind. Das ist eine Herausforderung. Die Frauen, die ihre Ohnmacht wütend erleben, finden sich in unseren Aktionen wieder.“ (http://theoriealspraxis.blogsport.de/images/Emma_Rote_Zora.pdf, S. 8). [zurück] - Beispiel (in eigener Person) – das Ende dieser Diskussion: http://maedchenblog.blogsport.de/2010/11/04/1114/. Andere online- und offline-Beispiele (ebenfalls in eigener Person) könnte ich anführen. [zurück]
- In der Feministischen Kritik heißt es: „die raf betont außerdem, daß wir in einer zeit leben, in der die gewalt so weit bis in jede zwischenmenschliche beziehung vorgedrungen sei, daß das mittel der gewalt damit stumpf und entwertet und somit aufzugeben sei – und alle müßten nun ‚ganz neu überlegen’.
dem feminismus ist ein gewisses bewußtsein über das ausmaß der strukturellen und individuellen gewalt während der letzten zwei- bis viertausend jahre von männern gegenüber frauen vor allem in ‚zwischenmenschlichen beziehungen’ zu verdanken. wer so argumentiert [sicherlich gemeint: so, wie die RAF – TaP], entwaffnet den aufstand von unten: direkt und geschichtlich, psychologisch, emotional, politisch. […]. es ist notwendig, öffentlich zu unterscheiden zwischen faschistischer gewalt, gewaltmonopol des staates und rebellion von unten; es ist notwendig, position zu beziehen.
wenn die raf ihre aufforderung zum gewaltverzicht gefühlsbetont zu untermauern versucht mit dem jammer: ‚wir haben immer nur auf den feind gestarrt, uns nie um uns gekümmert’, dann ist das nicht nur unpolitisch und entpolitisierend, sondern sexistisch und rassistisch, ausdruck der privilegien weißer männer (und sich daran orientierender weißer frauen). ein privatisierendes päuschen, wie die raf es vorschlägt, heißt mehr vergewaltigte frauen, mehr sexuell ausgebeutete mädchen, mehr diskriminierung und entwürdigung, mehr ökonomische ausbeutung für jede einzelne und für unser geschlecht als sozial unterdrückte klasse, heißt das fortbestehen, die festigung der herrschaft.“ [zurück] - Vgl. dazu die Rezension von Kurt Tucholsky in: Die Weltbühne, 13.04.1926, Nr. 15, S. 567; online unter: http://www.textlog.de/tucholsky-gegen-den-strom.html.[zurück]
- Vgl. dazu und zum folgenden http://maedchenblog.blogsport.de/2010/06/20/dis-identification-means-to-transform-the-imperialist-war-into-revolutionary-civil-war/ und http://maedchenblog.blogsport.de/2010/06/20/ent-identifizierung-jenseits-von-frauenfeindlichkeit-und-weiblichkeitskult/. [zurück]
Cornelia Klinger unterscheid 1995 wie folgt zwischen Multikulturalismus und Dekonstruktion:
(Cornelia Klinger, Über neuere Tendenzen in der Theorie der Geschlechterdifferenz, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 1995, 801 – 813 [804] – kursive Hv. i.O.; fette hinzugefügt).
Was der DUDEN sagt:
Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. Mannheim 2003 [CD-ROM])
Bereits 1992 diagnostizierten und kritisierten „frauen […] aus verschiedenen politischen bereichen“ in ihrem Papier „Zur Politik der Frauen aus dem Antirassistischen Zentrum und grundsätzliche Überlegungen zur antirassistischen Politik“ (S. II):
Vgl. zur kritischen Bilanzierung der post-1989er feministischen Diskussionen auch noch:
Andrea Baier / Stefanie Soine
Sex ohne Grenzen: Die lesbische Variante des Neoliberalismus
in: beiträge zur feministischen theorie und praxis H. 45, 1997, 71 – 79.
als .pdf-Datei.
und
Beate Selders, Und immer: „Was bin ich?“ Über Butches und Femmes, Rollenspiele und Roll-Backs und Christiane Quadflieg, Butch und Femme. „Männlichen Machen“ auf Lesbenart?, in: Blau, Winter/Frühjahr 1997/98, 4 – 6 und 7 – 12
als .pdf-Bild-Datei
sowie
Teresa Ebert
Bringing „Materialism“ Back into Feminist Cultural Studies
in: Cultural Critique, No. 23, Winter 1992/1993, 5 – 50 (kostenloser online-Zugang über Universitäts-Netzwerk u.ä.).
Und das – aus einem schon öfters zitierten Text von Cornelia Eichhorn und Sabine Grimm – paßt auch noch zum Thema:
Jenny Bourne: Gewalt ist nicht unweiblich!
(Jenny Bourne, Für anti-rassistischen Feminismus, ohne Verlag: ohne Ort, 1991 [?; vgl. dort und bes. dort], S. 14)
Low End Models:
„casse ta gueule
das nächste mal bin ich besser vorbereitet ich schlage dir die fresse ein casse ta gueule was meint ihr eigentlich wer ihr seid meine geduld ist endgültig vorbei ich schlage dir die fresse ein casse ta gueule ich schlage dir die fresse ein casse ta gueule ich schlage dir die fresse ein casse ta gueule ich schlage dir die fresse ein casse ta gueule“
Audio-Datei:
http://theoriealspraxis.blogsport.de/images/LowEndModelsCassetagueule.mp3.
Gewissermaßen eine Fortsetzung zu meinem obigem Artikel:
Eine revolutionär-feministische Perspektive auf die „linksradikale, queerfeministische Perspektive“ (von Samstag) auf den 8. März
https://linksunten.indymedia.org/de/node/108153