English version: http://qlipoth.blogspot.com/2010/07/idea-of-communism-from-to-z.html
oder: Lassen wir ihnen ihren Alterssitz im Elfenbeinturm des Universalismus?
Was hat es auf sich mit der „Idee des Kommunismus“? – so läßt sich nach Abschluß der Kommunismus-Konferenz in der Berliner Volksbühne, die unter eben diesem Titel tagte, fragen. Feststellen läßt sich eines: Beim Kongreß war das Universelle gegenüber dem Partikularen stets präsent. Und etwas Strukturelles fiel auf: Unter 17 ReferentInnen gab es nur eine Frau.1
Ich dokumentiere im Folgenden mein – leicht überarbeitetes und erweitertes – Statement in der Abschlußdiskussion des Kongresses.
Das Universelle war das beherrschende Thema des Kongresses. Dabei plädierten die meisten ReferentInnen für das Universelle, die Gemeinschaft, die Gleichheit und zeigten eine Geringschätzung des Partikularen. Aus dem Publikum gab es Kritik, und anderen unter anderem mit dem Verweis auf Marx’ Kritik des Gothaer Programms, wo Marx den Kommunismus nicht durch die Gleichheit, sondern durch die Befriedigung der unterschiedlichen Bedürfnisse charakterisiert sah (‚Jedem nach seinen Bedürfnissen.’). Lenin stimmte dem in Staat und Revolution vehement zu, und erklärte die Gleichsetzung von Kommunismus und Gleichheit für eine Verzerrung des Kommunismus durch „bürgerliche Professoren“. Waren die ReferentInnen der Konferenz eben solche?
Alain Badiou berief sich für seine Präferenz für ein universell Gemeinsames auf Lenins Unterscheidung zwischen politischen und nur-gewerkschaftlichen Kämpfen. Gewerkschaftliche Kämpfe seien partikular, politische Kämpfe seien universell. Aber was Badiou dabei außer Acht läßt, ist, daß Lenin die politischen Kämpfe dadurch definierte, daß sie nicht nur für Verbesserungen innerhalb des Lohnssystems geführt werden, sondern von der „Erkenntnis der unversöhnlichen Gegensätzlichkeit ihrer [der Arbeiter] Interessen zu dem gesamten gegenwärtigen politischen und sozialen System“ getragen sind. Und auch dieser Kampf ist negativ definiert, er ist gegen das „gegenwärtige politische und soziale System“ gerichtet. Auch die Kämpfe gegen „die Verfolgungen der Sektierer, die Mißhandlungen der Bauern, das Wüten der Zensur, – die Soldatenschindereien, die Verfolgung selbst der harmlosesten kulturellen Bestrebungen usw.“, sind ‚Kämpfe dagegen’; Kämpfe gegen die Verfolgung. Lenin postuliert nicht die Notwendigkeit von etwas wie einer positiven kommunistischen Religion. Der Kommunismus ist für Lenin kein irdisches Paradies der universellen Gemeinsamkeit, sondern der konkrete und negative Kampf gegen jede Form von Herrschaft und Ausbeutung, keine neue ideale Ordnung; kein Ende der Geschichte.
Ich möchte im gleichen Sinne einen Satz von Althusser über den Humanismus meinerseits gegen den Universalismus wenden: Althusser sagte, das Wort „Humanismus“ tötet den Klassenkampf. Der Universalismus, der hier drei Tage lang propagiert wurde, tötet ebenfalls den Klassenkampf, tötet feministische Kämpfe, tötet antirassistische Kämpfe. Gesellschaftliche Kämpfe sind Kämpfe zwischen partikularen Interessen; revolutionäre Kämpfe sind Kämpfe, die sich nicht mit einem Kompromiß zwischen Herrschenden und Beherrschten, zwischen Ausbeutenden und Ausgebeuteten bescheiden. Und über den kämpfenden partikularen antagonistischen Interessen steht kein Universelles, das die Antagonismen schließlich einer philosophischen Synthese zuführt.
Schon Marx und Engels hatten im Kommunistischen Manifest eine Kritik an den utopischen Sozialisten formuliert, die letztlich auch die heutigen Universalisten trifft: Sie glaubten „weit über [d]en Klassengegensatz erhaben zu sein […]. Sie wollen die Lebenslage aller Gesellschaftsglieder, auch der bestgestellten, verbessern. Sie appellieren daher fortwährend an die ganze Gesellschaft ohne Unterschied, ja vorzugsweise an die herrschende Klasse. Man braucht ihr System ja nur zu verstehen, um es als den bestmöglichen Plan der bestmöglichen Gesellschaft anzuerkennen.“
Uns wurde drei Tage lang erzählt, man müsse sich ja nur auf den menschlichen (statt tierischen [schweinischen]) Standpunkt stellen und einsehen, daß der Kommunismus das Universelle sei.
Diese Geringschätzung des Partikularen gegenüber dem Universellen scheint mir auch der Grund zu sein, warum Feministinnen mit dem Kommunismus, mit dem hier propagierten holistischen Kommunismus, nichts zu tun haben wollen: Denn die Herrschaftsideologie des Universellen, das die gesellschaftlichen Widersprüche stillegt und unter philosophische Vorherrschaft stellt, hat für Männer, die – auch wenn sie Kommunisten sind – Herrschende im Patriarchat sind, augenscheinlich eine erhebliche Attraktivität.
Ich möchte es in den Worten der chinesischen Kulturrevolution sagen: Wir müssen das Hauptquartier, das Hauptquartier dieser Philosophen-Könige bombardieren, wenn der Kommunismus für Feministinnen interessant werden soll, wenn der Kommunismus nicht erneut eine Herrschaftsideologie werden soll, wenn er nicht erneut eine der von Brecht kritisierten „allzu vollständigen Weltanschauungen“ werden soll.
Auf vorstehendes Statement antworteten sowohl Alain Badiou als auch Slavoj Žižek. Alain verwies mich auf den Nationalsozialismus, der eine Differenzphilosophie par excellence, die Unterscheidung von Menschen und Untermenschen, gewesen sei, hin. Und Slavoj sah in der Unterstützung des Irak-Krieges (mir scheint der Afghanistan-Krieg wäre das treffendere Beispiel gewesen) durch liberale Feministinnen einen Beleg für die schädlichen Folgen des partikularen Feminismus. Hier meine nachträgliche Antwort:
Der Nationalsozialismus war nicht nur eine Differenzphilosophie, sondern auch eine Volksgemeinschafts-Ideologie, die – wie jeder Versuch, eine Gemeinschaft positiv zu definieren – mit Ausschlüssen einher ging. Die richtige Antwort auf die nationalsozialistische Feinderklärung ist aber nicht, um Aufnahme in die Volksgemeinschaft zu bitten oder den Nazis eine ‚wirkliche’ Volksgemeinschaft als Alternative anzutragen, sondern die Waffe in die Hand zu nehmen.
Und was die liberalen Feministinnen anbelangt – sie befürworten den Krieg gerade nicht im Namen partikularer Interessen, sondern im Namen des universellen ‚Wertes’ der Gleichberechtigung. Genau daran zeigt sich, worin in herrschaftskritischer Perspektive der Fehler des Universalismus liegt: Er ist paternalistische und imperialistische Selbstermächtigung, für andere zu handeln – ihnen ‚Befreiung’ von ‚außen’ und von ‚oben’ angedeihen zu lassen. Aber schon die KommunistInnen der Ersten Internationale wußten: Die Befreiung der Arbeiterklasse kann in aller erster Linie nur das Werk der Arbeiterklasse selbst sein. Und auch die Befreiung der afghanischen Frauen und queers, kann in aller erster Linie nur das Werk der afghanischen Frauen und queers selbst sein. Die beste Unterstützung, die Feministinnen in den USA, Deutschland usw. dafür leisten können, ist nicht die Propagierung universeller ‚Werte’, sondern der Sturz des eigenen Patriarchats und des eigenen Imperialismus. –
Bliebe im Nachhinein nur noch zu überlegen, ob es wirklich der Bombardierung des Hauptquartiers der Philosophen-Könige bedarf – oder können wir ihnen ihren Alterssitz im Elfenbeinturm des Universalismus lassen?
Dieser Text als .pdf-Datei:
Ausführlicher Bericht über den Kongreß (von mir noch nicht gelesen):
http://www.freitag.de/community/blogs/liebernichts/kommunismus-kongress-tag-1-denken-vor-handeln
Und bei Ingo Stützle gibt es einen
Kurzer Nachtrag zum Kommunismus-Kongress
- Auf beide Punkte war bereits eine andere Rednerin in der vorhergehende Diskussionsrunde eingegangen, worauf Žižek antwortete, es seien viele Frauen eingeladen worden, die aber abgesagt hätten; teils explizit, weil sie nichts mit dem Kommunismus zu tun haben wollten, so z.B. Judith Butler. [zurück]
Da bringst du aber zig Dinge durcheinander. Oder anders, du kritisierst diese pomo-Philosophen dafür, dass sie noch ein ganz wenig am Universalismus festhalten und zu wenig pomo sind. Feminismus ist leider zwangsläufig keine radikale Kritik, d.h. eine, die alle Verhältisse umzuwerfen zum Ziel hat, sondern eine systemimmanente. Deshalb ist kommunistische Kritik auf einer anderen Ebene angesiedelt. Diesen Unterschied nicht zu sehen, diskreditiert schon die ganze Kritik. Denn sie reduziert die Klassengesellschaft auf Klassenunterdrückung als Äquivalent zur Frauenunterdrückung.
Genau. Bist Du einverstanden oder nicht? Und warum?
Nein, nicht „ist“, sondern „könnte sein“ – falls künftiger Kommunismus nicht mehr klassenreduktionistisch wäre.
Wo liegt jetzt bitte das Argument? – Vgl. vorsichtshalber http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/10/17/kurz-und-buendig-zwei-einfuehrungen-in-den-feminismus/.
Mein Argument ist das folgende: Wenn du schreibst „Der Universalismus […] tötet ebenfalls den Klassenkampf, tötet feministische Kämpfe, tötet antirassistische Kämpfe.“ dann stellst du Dinge in eine Reihe, die nicht in eine Reihe passen. Du reduzierst den Klassengegensatz auf eine Unterdrückungsform wie andere auch, anstatt zu sehen, dass sie im Gegensatz zu Patriarchat oder Rassismus konstituierend für den Kapitalismus ist. D.h. der Kapitalismus könnte auch ohne jegliche Unterscheidung von Menschen anhand von Geschlecht oder Physiognomie funktionieren. Er bringt aber notwendig eine Klassengesellschaft hervor, um letzteres einzusehen reichen rudimentäre Marx-Kenntnisse aus. Dein Universalismus-Bashing ist also genuin antimarxistisch.
Ich reagiere so pikiert, weil du dich meines Wissens, wenn ich falsch liege, nehme ich alles zurück und behaupte das Gegenteil, als MarxistIn verstehst und deshalb halte ich es für wichtig darauf hinzuweisen, dass das mit Marx nicht mehr viel zu tun hat. Diese Komiker in der Volksbühne haben mit ihm oder Begriffen wie Kommunismus allerdings auch herzlich wenig zu tun.
Ja (vgl. zu letzterem Satz auch http://maedchenblog.blogsport.de/2010/06/22/judith-butler-ueber-soziale-gerechtigkeit-sowie-high-und-happy-in-den-strassen-feiern-interview/#comment-42665)), und?
Du bist anscheinend der Ansicht, daß die gesellschaftliche Struktur von den Klassenverhältnissen stärker/ausschlaggebender geprägt ist, als von anderen den anderen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen. Dafür bringst Du aber kein Argument vor.
Nein, mir geht es nicht darum, welche Verhältnis die gesellschaftliche Strukturen mehr prägt.* Wenn es mir daraum gehen würde hättest du mich erfolgreich auf deine Ebene gezogen und könntest mir deine Argumente um die Ohren hauen. Mir geht es darum, dass wenn es dir um eine solche Frage geht, was jetzt wie prägt, du dich auf einer Antidiskriminierungsebene befindest. Auf der mutiert dann Klassenunterdrückung von einem dem Kapitalismus innewohnenden Verhältnis zu einer Antidiskriminierungsfrage. Klassismus statt Klassenantagonismus.
Das hat dann nur nichts mehr mit Kommunismus zu tun.
* Ich würde auch nicht sagen, dass Patriarchat oder Rassismus die Strukturen weniger prägen. Sie sind halt nur nicht an den Kapitalismus gekettet, d.h. sie sind zum einen nicht zwangsläufig vorbei mit dem Ende des Kapitalismus, andersherum ist der Kapitalismus aber auch nicht vorbei mit dem Ende von Rassismus und Patriarchat.
Nein, m.E. sind auch Patriarchat und Rassismus keine bloßen „Diskriminierungen“, sondern Elemente der materiellen Struktur (Arbeitsteilung) der Gesellschaft.
Folglich verwandelt meine Position auch nicht den Klassenantagonismus in „Klassismus“ (wenn unter letzterem in erster Linie ein ideologisches Phänomen oder individuelle Fehlhaltung verstanden wird).
Vielmehr bin ich der Auffassung, daß auch Rassismus und Patriarchat antagonistische Verhältnisse sind, deren Überwindung gleichbedeutend ist mit dem Verschwinden der gesellschaftlichen Gruppen, die von diesen Verhältnissen konstituiert werden (analog zur Abschaffung der Klassen).
Vgl. http://maedchenblog.blogsport.de/2010/06/20/ent-identifizierung-jenseits-von-frauenfeindlichkeit-und-weiblichkeitskult/, Abschnitt III.
Ja, und was schlußfolgerst Du daraus?
Auf eine Nachfrage aus dem Publikum ganz am Ende der Konferenz, warum kaum Frauen eingeladen worden wären – in der Tat war nur eine einzige Frau unter den Sprechern – antwortete Žižek, (der die Konferenz zusammen mit Alain Badiou instigiert hatte,) dass sehr wohl viele Frauen eingeladen wurden, aber, teils aus gesundheitlichen, teils aus inhaltlichen Gründen abgelehnt hätten. So hätte etwa Judith Butler ihre Einladung, auf dem Kongress zu sprechen, ausgeschlagen, weil sie nicht mit dem K-Wort assoziiert werden wolle.
Dass die Philosophin heute andererseits auch noch Hamas und Hisbollah als ebenso linke wie progressive soziale Bewegungen verstanden wissen will, wie sie unlängst in einer Diskussion zu verstehen gab, ist bizarr und wohl kaum gänzlich zu erhellen. Selbst wiederum erhellt es vielleicht jedoch einen Satz, den ihr persönlicher Freund Slavoj Žižek in einem Vorabinterview zum Kongress äußerte: „Wenn die Linke sich nicht neu erfindet, wird die dschihadistische Bewegung unsere Zukunft sein.“ (taz, 25. Juni) Zu dieser Neuerfindung war der Kongress ein Beitrag.
Dem Philosophenkönigtum erteilt Zizek in „First as Tragedy, then as Farce“ selbst eine Absage. Seite 152 f.
Im Übrigen sollte vielleicht einfach besser zugehört werden. Die Verbindung, um die es geht, ist die des Singulären mit dem Universellen, die sich in die (ansonsten unterdrückerischen) kommunitären Beschränkungen und Eigenheiten einschreibt. Diese sind Teil der Situation und des Singulären. Im Übrigen sind sie egal.
Im „Inneren“ der Verteidigung der Interessen der Unterdrückten, so sagte Badiou in seinem Vortrag, müssen diese als universalistisch konzeptualisiert werden, als gut für alle. (Aber vielen „Linken“ geht es ja ohnehin nur noch um ihren e i g e n e n Life-Style.) Es gibt bei Badiou immer wieder das Bekenntnis zu den unbegrenzten Mannigfaltigkeiten.
Im übrigen ist oft das Basalste nicht verstanden: Es geht um die Identität einer freien (völlig unbestimmten) Gleichheit (keine Uniformität) und einer gleichen Freiheit (keine Willkürfreiheit, keine Freiheit zur Unterdrückung). Balibar hat das „egaliberte“ genannt, und es ist, denke ich, nicht nötig, gar unmöglich, es legalistisch zu verstehen, denn bloße Gesetzesgleichheit ist offensichtlich nicht „frei“ (resp. unbestimmt oder auch „leer“).
Mithin:
Die „Gleichsetzung von Kommunismus mit Gleichheit“, sprich Uniformität, ist den „bürgerlichen Philosophen“ gründlich gelungen. Sie wird auch heute immer noch gerne wiederholt, nicht nur im bürgerlichen Feuilleton, das mit Vorliebe Gleichheit und Freiheit opponiert, oder erstere auf Gesetzesgleichheit und letztere auf die Freiheit auszubeuten reduziert.
(Wenn nicht „gleiche Freiheit“ gemeint ist, sondern eine Willkürfreiheit, deren Rückseite Unterdrückung ist, Freiheit zur Ausbeutung etc., sollte man einfach wieder dazu übergehen, die Wörter zu verwenden, die es für diesen Fall bereits gibt und nicht von „Freiheit“ sondern „Unterdrückung“ o. Ä. sprechen. Da kriegen die Pomos natürlich gleich Pickel. Es ist deshalb ganz Richtig, dass die postmodernen Strömungen im Grunde intellektuelle Friedensangebote an den unterdrückerischen satus quo waren, wie Badiou es ähnlich formulierte.)
Nein, nicht nur die bürgerlichen Professoren wiederholen die Ineinssetzung von Kommunismus und Uniformität immer wieder gerne. Diese Meinung ist so gründlich eingesickert, dass auch die bombardierende Pomo-Linke sie verinnerlicht hat und, nur mit umgekehrten Vorzeichen, immerfort nachbetet.
Ja, das steht doch schon in meinem Text: http://theoriealspraxis.blogsport.de/2010/06/27/bombardiert-das-hauptquartier-der-philosophen-koenige-oder/#fn1277672444530n.
Und zu der Hamas-Geschichte: „unlängst“ war das nicht, sondern schon 2006 (!): http://radicalarchives.org/2010/03/28/jbutler-on-hamas-hezbollah-israel-lobby/, vgl. inhaltlich: http://maedchenmannschaft.net/judith-butler-und-die-schwul-lesbische-dekonstruktion/#comment-29393 ff., insb. http://maedchenmannschaft.net/judith-butler-und-die-schwul-lesbische-dekonstruktion/#comment-29468, Abschnitt II.
In einer in antagonistische Interessen gespalteten Welt ein „Universelles“ zu postulieren, ist als solches eine philosophen-königliche Geste (daran können auch gegenteilige Absichtsbekundungen nichts ändern) – bringt die Philosophie in eine Position über die kämpfenden gesellschaftlichen Gruppen.
Auch für politische Positionen emphatisch „Wahrheit“ und nicht schlicht Richtigkeit zu beanspruchen ist eine philosophen-königliche Geste:
http://theoriealspraxis.blogsport.de/2008/04/18/wissenschaftliche-wahrheit-und-politische-richtigkeit-eine-unterscheidung-an-der-festgehalten-werden-sollte/.
Und Badiou bezieht sich ja auch ganz explizit auf Platon.
„die sich […] einschreibt“ – macht sie das wirklich selbst? Oder machen es doch die Philosophen-Könige?!
„Verbindung […] des Singulären mit dem Universellen“ – erklär mal.
Das ist eben die Illusion: „Sie wollen die Lebenslage aller Gesellschaftsglieder, auch der bestgestellten, verbessern.“ – Der Kommunismus hat den jetzt Herrschenden nichts zu versprechen.
Nur Balibar war auf dem Kongreß nicht, und sein Name wurde auch nicht genannt – jedenfalls in den Zeiten meiner Anwesenheit.
Ich habe das Gefühl, dass wir nicht zum Punkt der Diskussion vordringen.
Der Marxismus ist notwendig universal, er erhebt den Anspruch die Funktionsweise des Kapitalismus zu beschreiben und nicht die des Kapitalismus des 19. Jhd. Ebenso der Kommunismus, es gibt keinen afrikanischen, asiatischen oder europäischen, sondern nur einen Kommunismus. D.h. wenn du schreibst „Der Universalismus […] tötet ebenfalls den Klassenkampf, tötet feministische Kämpfe, tötet antirassistische Kämpfe.“, dann ist deine Perspektive zumindestens keine marxistische. Für die Überwindung des Kapitalismus ist es essentiell den Universalismus gegen die Postmoderne zu verteidigen. Auf mehr wollte ich nicht hinaus.
Ich bin mir bei der Beschreibung der Verhältnisse als Antagonismen nicht sicher, sondern würde eher bezug nehmen auf die Unterdrückungsverhältnisse und gucken wie diese Menschen, und hier eben sämtliche Menschen, prägen und wie und wofür sie genutzt werden. Einen reinen Antagonismus hier aufzumachen ohne zu sehen, dass beispielsweise auch Männer durch das Patriarchat zugerichtet werden und nicht nur Nutznießer sind, finde ich zu platt. Dass die Abschaffung von Patriarchat und Rassismus identisch ist mit dem Wegfall der sozialen Gruppen in die unterschieden wird, darin stimme ich dir zu.
Ganz simpel, dass die Überwindung des Kapitalismus ein anderes Projekt ist, als die Überwindung von Herrschaftsverhältnissen, also auch eine Spezifik besitzt, die es verbietet diesen unter die Abschaffung von Herrschaftsverhältnissen zu subsummieren.
Ja, den Eindruck habe ich auch.
Zu Halbsatz 1: Warum? Zu Halbsatz 2: (Inwiefern) ist das die Begründung für Halbsatz 1?
Ich habe meinerseits gar nichts dagegen einzuwenden, daß der Marxismus nicht nur konkrete Gesellschaftsformationen (z.B. England im 19. Jh.), sondern die Funktionsweise der kapitalistischen Produktionsweise als solche analysiert. Das würde ich allerdings nicht „Universalismus“ nennen – allein schon deshalb, weil die Herrschaft der kap. PW keine universelle, sondern eine historisch begrenzte ist.1
Mein Einwand gegen den Universalismus betrifft nicht die Ebene der wissenschaftlichen Analysen, sondern richtet sich gegen einen ethischen oder normativen Universalismus. Ein ethischer oder normativer Universalismus behauptet eine Universalität die faktisch wegen der unterschiedlichen Interessen nicht existiert.
Dann erklär doch mal bitte, wie nach Deinem Verständnis Klassenkampf (Antagonismus) und Universalismus (Allgemeingültigkeit) mit einander vereinbar sind.
Aber warum denn nun?
Vgl. auch: http://theoriealspraxis.blogsport.de/2003/06/30/kleiner-katechismus-zur-beantwortung-der-frage-was-ist-die-linksleninistische-postmoderne/, http://theoriealspraxis.blogsport.de/images/DIPLEND_KorrNeuformat_271009_FIN.pdf und http://theoriealspraxis.blogsport.de/1997/12/31/kuschelsex-oder-kuschelpolitik-lesbisch-kommunistische-de-konstruktion-oder-ex-autonom-postmoderner-liberalismus/.
Naja, das ist so zutreffend oder unzutreffend, wie es auch zutreffend oder unzutreffend ist, daß auch KapitalistInnen keine souveränen Subjekte sind, sondern die Gesetze der Konkurrenz und Akkumulation exekutieren müssen, solange sie KapitalistInnen bleiben wollen.
Wenn der Marxismus für die Analyse der kapitalistischen Produktionsweise und die Politik zu deren Überwindung zuständig ist und es darüber hinaus aber auch (weitere) zu überwindende Herrschaftsverhältnisse gibt, dann ist aber der Marxismus auch diesem Grunde nicht universell, sondern eine Theorie begrenzter Reichweite.
Da haben wir jetzt immerhin den Punkt gefunden. Wir haben eine unterschiedliche Definition von Universalismus.
Ich gestehe die schlechte Formulierung ein, ich wollte eher auf den historischen Materialismus abstellen.
Wie gesagt, mein Fehler, der Marxismus erhebt ja nicht nur den Anspruch auf Erklärung des Kapitalismus, sondern auf Erklärung der Menschheitsgeschichte überhaupt und es ist folglich ein universlistischer Ansatz. Aber um diesen Begriff von Universalismus geht es dir ja gar nicht:
Ok, da würde ich dir auch widersprechen. Allerdings artet das ganze jetzt aus, deshalb nur in aller Kürze:
Die Menschen haben notwendig falsches Bewußtsein. Deshalb können sie subjektiv bestimmte Interessen haben(sich 10 Stunden täglich für den Gewinn von irgendwem ausbeuten lassen, sich unter eine Burka zwängen,…), die sie aus einer objektiven Perspektive nicht hätten. Deshalb ist es zweitrangig was für Interessen Menschen zu haben glauben und man kann universale Werte postulieren, auch wenn sie natürlich notwendig beschränkt und ein Produkt dieser geschichtlichen Epoche sind.
„Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen.“
Ja, ich weiß, damit bin ich wieder auf meiner Universalismusebene. Aber gerade an dem Punkt wird deutlich, dass du ein beschränktes Verständnis von Universalismus hast. Universalismus bedeutet doch nicht, dass jetzt alle die gleichen Interessen haben müssen. Beispielsweise, dass alle ihre Interessen artikulieren dürfen könnte ein Prinzip ethischen Universalismus sein.
Naja, er erklärt auch nicht die Thermodynamik. Ich hatte schon auf den historischen Materialismus verwiesen und würde Rassismus und Sexismus auch durchaus als die Hervorhebung von physischen Unterschieden in der Absicht einen Vorteil im Kampf um Ressourcen zu erhalten verstehen.(wobei Ressourcen hier sich am besten im Bourdieuschen Sinne mit sozialem, ökonomischem oder kulturellem Kapital definieren lässt)
Satz 2: Ja.
Satz 1: Ja, aber dieser Anspruch ist bisher nur für die kapitalistischen Klassenverhältnisse einigermaßen eingelöst, aber für die vorkapitalistischen Klassenverhältnisse nur mäßig und für die Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse, die keine Klassenverhältnisse sind, seitens der MarxistInnen nahezu gar nicht.
Auch das sehe ich anders. M.E. führt es weder analytisch noch politisch weiter, das Wort „objektiv“ und den Konjunktiv „hätten“ in dieser Weise zu verknüpfen. Objektiv haben die Leute die Interessen, die sie tatsächlich haben, und nicht irgendwelche Interessen, von denen wir wünschen, daß sie sie hätten.
Ausführlich dazu:
http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/09/15/warum-ideologie-kein-notwendig-falsches-bewusstsein-ist-und-aus-einer-erkenntnis-nicht-automatisch-eine-bestimmte-politische-haltung-folgt/.
Ja, nur ist dieses Prinzip nur politisch richtig, aber nicht wahr. Vgl. noch mal: http://theoriealspraxis.blogsport.de/2008/04/18/wissenschaftliche-wahrheit-und-politische-richtigkeit-eine-unterscheidung-an-der-festgehalten-werden-sollte/. Und wir sollten nicht vergessen, daß dieses Prinzip nicht von allen Menschen ‚objektiv‘ eingesehen werden muß. Es können Menschen die Optionen wählen, herrschen zu wollen, und diese Wahl ist nicht irrationaler oder gar unwahrer als die Wahl des von Dir genannten Prinzips.
Fortsetzung der Diskussion:
http://theoriealspraxis.blogsport.de/2011/05/17/diskussion-ueber-antidiskriminierungspolitik-revolutionaerem-feminsmus-und-nebenwiderspruchs-marxismus/