Im Gegensatz zur späteren Praxis des ‚real’sozialistischen Lagers und auch vieler post-’68 sozialer Bewegungen postulierte Lenin, daß sich KommunistInnen nicht positiv auf Nationalismen beziehen sollten: Die Haltung von KommunistInnen zum Nationalismus ist eine analytische Anerkennung, keine Identifikation.
„Der Grundsatz der Nationalität ist in der bürgerlichen Gesellschaft unvermeidlich, und der Marxist, der mit dieser Gesellschaft rechnet, erkennt die geschichtliche Berechtigung nationaler Bewegungen durchaus an. Damit aber diese Anerkennung nicht zu einer Apologie des Nationalismus werde, muß sie sich strengstens auf das beschränken, was an diesen Bewegungen fortschrittlich ist, damit sie nicht zur Vernebelung des proletarischen Klassenbewußtseins durch die bürgerliche Ideologie führe. Fortschrittlich ist das Erwachen der Massen aus dem feudalen Schlaf, ihr Kampf gegen Unterdrückung, für die Souveränität des Volkes, für die Souveränität der Nation [statt des Monarchen, TaP]. Daher die unbedingte Pflicht des Marxisten, auf allen Teilgebieten der nationalen Frage den entschiedensten und konsequentesten Demokratismus zu verfechten. Das ist in der Hauptsache eine negative Aufgabe. Weiter darf das Proletariat in der Unterstützung des Nationalismus nicht gehen, denn dann beginnt die ‘positive’ (bejahende) Tätigkeit der nach Stärkung des Nationalismus strebenden Bourgeoisie. Jedes feudale Joch, jede nationale Unterdrückung, jedwede Privilegien einer der Nationen oder Sprachen abzuschütteln, ist die unbedingte Pflicht des Proletariats als einer demokratischen Kraft, ist das unbedingte Interesse des proletarischen Klassenkampfes, der durch den nationalen Hader verdunkelt und gehemmt wird. Aber den bürgerlichen Nationalismus über diese streng gezogenen, durch einen bestimmten historischen Rahmen gegebenen Grenzen hinaus zu fördern, heißt das Proletariat verraten und sich auf die Seite der Bourgeoisie schlagen.“ (LW 20, 19 f.; engl.).
Und zumindest hinsichtlich der Klassenverhältnisse war ihm klar:
„Die kommunistische Partei, [… muß] auch in der nationalen Frage […] ausgehen: erstens von einer genauen Einschätzung der konkreten historischen und vor allem ökonomischen Situation; zweitens von einer klaren Herauslösung der Interessen der unterdrückten Klassen, der Werktätigen, der Ausgebeuteten, aus dem allgemeinen Begriff der Volksinteressen schlecht hin; […].“
„Die Kommunistische Internationale muß ein zeitweiliges Bündnis mit der bürgerlichen Demokratie der Kolonien und der zurückgebliebenen Länder eingehen, darf sich aber nicht mit ihr verschmelzen, sondern muß unbedingt die Selbständigkeit der proletarischen Bewegung – sogar in ihrer Keimform – wahren; […].“ (LW 31, 133, 138; engl.)
Diese Einsichten gilt es heute für die anderen gesellschaftlichen Antagonismen zu aktualisieren. Die Rekonstruktion eines revolutionären, linken Antiimperialismus ist nur zu haben, wenn sie nicht mit einer erneuter Verschmelzung mit Gegen-Nationalismen verbunden wird.
Vgl. auch: http://theoriealspraxis.blogsport.de/2010/06/01/aus-gegebenen-anlass-alternativer-imperialismus-oder-antiimperialismus/: Die Praxis des Antiimperialismus sollte in der Bekämpfung des ‚eigenen‘ Imperialismus, nicht in der Unterstüzung von Gegen-Nationalismen bestehen.
Und den Quatsch findest du richtig?
Und was findest Du?
Das heißt „ja“, oder?
Hast Du Leseschwierigkeiten?!
Steht doch ganz klar da, was ich finde: „Diese Einsichten gilt es heute für die anderen gesellschaftlichen Antagonismen zu aktualisieren. Die Rekonstruktion eines revolutionären, linken Antiimperialismus ist nur zu haben, wenn sie nicht mit einer erneuter Verschmelzung mit Gegen-Nationalismen verbunden wird.“
Achso „es gilt“ – einem Befehl, übrigens genau wie beim Lenin – soll also von den Lesern gefolgt werden; das überzeugt freilich nur denjenigen, der den Standpunkt teilt. Aber wieso sollte ich etwas teilen, was gar nicht argumentativ ausgeführt ist? Mir fehlt schlicht der Grund, dir zu folgen. Oder ist „LENIN!“ etwa das Argument?
Es wäre für eine Diskussion wirklich hilfreich, Du würdest Dich etwas genauer erklären:
Hast Du einen Einwand oder hast Du ein Verständnisproblem hinsichtlich Lenins Position?
Oder hast Du einen Einwand oder ein Verständnisproblem hinsichtlich der von mir geforderten Übertragung auf andere Antagonismen?
Lenins Argument lautet: „damit sie [die Anerkennung des Nationalismus] nicht zur Vernebelung des proletarischen Klassenbewußtseins durch die bürgerliche Ideologie führe“.
Identifizierung mit dem ‚Positiven‘ (sagen wir: mit inhaltlich bestimmten Gehalten) von Nationalismen, statt bloße Anerkennung deren ‚negativen‘ (anti-feudalen, anti-unterdrückerischeren [= gegen „Privilegien einer der Nationen oder Sprachen“ gerichtete]) Potentiale führt zu einer Unterordnung von Klasseninteressen unter angeblich klassenübergreifende National- oder Gemeinwohlinteressen. Und das Entsprechende gilt bspw. für das Geschlechterverhältnis (s. dort: http://maedchenblog.blogsport.de/2009/10/28/antisexismus-maennlichkeit/#comment-34379; Nr. 4).
In diesem Sinne endete auch schon das Kommunistische Manifest mit der Parole: „Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. […]. Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ (http://www.marxists.org/deutsch/archiv/marx-engels/1848/manifest/4-stelkomm.htm) -
nur, daß diese knappen Sätzen und der ganze Tonfall des Manifestes dahin tendierte, alles, was die Lohnabhängigen noch an die herrschenden Verhältnisse bindet, für bloße Illusionen zu halten, die sich mit dem Gang der historischen Entwicklung von selbst auflösen („an die Stelle der mit religiösen und politischen Illusionen verhüllten Ausbeutung die offene, unverschämte, direkte, dürre Ausbeutung“),
während Lenin eine deutlich klarere Vorstellung von der Wirkungskraft von Nationalismus im besonderen und Ideologien im allgemeinen hatte1 und sich deshalb dazu deutlich genauer geäußert hat.
Vgl. im übrigen auch noch: http://maedchenblog.blogsport.de/2010/06/20/dis-identification-means-to-transform-the-imperialist-war-into-revolutionary-civil-war/.
vergleichbare Diskussion bei Kasama: http://kasamaproject.org/2010/06/22/anti-imperialism-who-are-we-uniting-with-what-are-we-fighting/