Mein Kommentar zu dem FR-Artikel „Baltasar Garzón. Der Fall eines unbeugsamen Richters“ – mit Nachträgen vom 28.04.:
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Archiv für April 2010
Die folgende Erklärung mit dem Titel „Das Problem ist nicht Garzón. Das Problem war die Transition“ wurde mit Datum von Mittwoch (21.04.2010) auf der homepage der spanischen, in trotzkistischer Tradition stehenden Partei Antikapitalistische Linke veröffentlicht.
Sie beschäftigt sich mit folgendem Vorgang:
„Im September 2008 eröffnete Garzón [aus dem Pinochet-Verfahren von Ende der 1990er Jahre und zahlreichen ETA-Verfahren auch international bekannter Ermittlungsrichter an der als Sondergericht für politische Strafsachen geschaffenen Audiencia Nacional, TaP] ein Verfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen zahlreiche hohe Entscheidungsträger des Franco-Regimes […]. Ein großes und kontroverses Medienecho fand dabei insbesondere seine Anordnung, 19 über das ganze Land verteilte Massengräber aus der Frühphase des Franquismus zu öffnen, […]. Diese Maßnahme wurde jedoch vom Plenum der Audiencia Nacional in einer Mehrheitsentscheidung gestoppt. Garzón selbst hatte zuvor seine Unzuständigkeit erklärt, da alle Tatverdächtigen bereits verstorben seien, und die Fortsetzung von Untersuchungen über die Verschwundenen des Franquismus den lokalen und regionalen Gerichten überlassen. Dennoch erhob die rechtsextreme Beamtengewerkschaft Manos Limpias 2009 Klage [es dürfte sich vielmehr um eine Strafanzeige handeln; nicht um eine Zivilklage, da von ‚Rechtsbeugung’ gesprochen wird; TaP] wegen Rechtsbeugung gegen Garzón, da dieser mit der Einleitung von Ermittlungen gegen bereits verstorbene Personen seine Kompetenzen überschritten habe. Obwohl die Staatsanwaltschaft sich dagegen ausgesprochen hatte, wurde diese Klage [s.o, TaP]1 Ende Mai 2009 vom obersten spanischen Gerichtshof zugelassen. Später schloss sich ihr auch die Falange Española an, eine rechtsextreme Kleinpartei, die den Namen der franquistischen Staatspartei übernommen hat. Anfang April 2010 beschloss Ermittlungsrichter Luciano Varela die Einleitung des Hauptverfahrens, das gegebenenfalls mit einem Berufsverbot für Garzón enden könnte. Dies führte sowohl innerhalb als auch außerhalb Spaniens zu heftiger Kritik von linksliberalen Medien, etwa der New York Times oder der Süddeutschen Zeitung. Spanische Opferverbände erhoben ihrerseits Klage wegen Rechtsbeugung gegen Varela.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Baltasar_Garzón#Franquismus)
Mit Hilfe einiger Hinweise von Mitgliedern der Facebook-Gruppe der Antikapitalistischen Linken Cádiz konnte ich eine Rohübersetzung der Erklärung erstellen (s. unten). Etwaige Hinweise von LeserInnen auf Fehler oder stilistische Verbesserungsmöglichkeiten würde ich gerne noch berücksichtigen.
Im Anschluß an die Erklärung finden sich einige Anmerkungen von mir zu dem Verfahren; in dieser .pdf-Datei befindet sich eine zweispaltige Synopse der Erklärung der Antikapitalistischen Linken mit dem kastilischen Originaltext und meiner Rohübersetzung.
Ich stimme der Erklärung grundsätzlich zu, denke aber, daß es notwendig ist, an einigen Punkten die Vorbehalte gegenüber Garzón und der Unterstützung weiter Teile der liberalen und linken Öffentlichkeit für ihn noch deutlicher zu formulieren.
http://www.youtube.com/watch?v=y1iEefiKa1s
(Morgen [recte: In 2 1/4 Jahren] folgt mehr zum heutigen 140. Geburtstag von Lenin)
Meinen Vortrag „Diesseits der Geschlechtergrenzen: Die Kulturalisierung des Feminismus als Naturalisierung der Geschlechterdifferenz“ an der Universität Hamburg gibt es jetzt als audio-edoc der Universitätsbibliothek der FU Berlin.
Katalog-Eintrag mit statischer URL: http://edocs.fu-berlin.de/docs/receive/FUDOCS_document_000000004728.
Schriftliches abstract zu dem Vortrag: http://theoriealspraxis.blogsport.de/2007/11/17/diesseits-der-geschlechtergrenzen-die-kulturalisierung-des-feminismus-als-naturalisierung-der-geschlechterdifferenz/.
Idee des Kommunismus. Philosophie und Kunst.
Konferenz. Performance. Installation. Film. Musik.Vom 25. – 27. Juni 2010
Das Wort „Kommunismus“ zwischen philosophischer Kritik und wirklicher Bilanz der „sozialistischen Staaten“
Die Londoner Konferenz von 2009 hat gezeigt, dass es inzwischen möglich ist, in den Debatten, die zugleich das historische Schicksal der Menschheit und die Normen kollektiver Handlung betreffen, dem Wort „Kommunismus“ seine ganze Bedeutung zurückzugeben.
Seit den Arbeiterbewegungen des 19. Jahrhunderts und ihrer Interpretation durch die großen Denker der Epoche situiert sich dieses Wort an der Nahtstelle der Politik und der Philosophie. Es muss folglich heute zugleich ausgehend von seinem idealen Inhalt wie von den wirklichen Erfahrungen, in die es eingebunden und in denen es mitunter schrecklich kompromittiert wurde, gedacht werden.
Die Londoner Konferenz war philosophisch und ideologisch. Die Berliner Konferenz wird sich genauer an die Bilanz der sozialistischen Staaten halten, die im 20. Jahrhundert das Motiv der „Diktatur des Proletariats“ verkörpert haben. In dieser Absicht empfängt die Konferenz eine signifikante Anzahl von Teilnehmern aus den Ländern Osteuropas.
Mit: Alain Badiou (Paris) und Slavoj Žižek (Ljubljana), Susan Buck-Morss (New York), Cécile Winter (Paris) und Gáspár M. Tamás (Budapest).
Kuratiert von Gernot Kamecke, Frank Ruda, Henning Teschke und Jan Völker.
Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds, die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die Éditions Lignes und das Institut Français. Kartenvorverkauf ab dem 15. April!
Idea of Communism. Philosophy and Art.
Conference. Performance. Installation. Film. Music.June 25th – June 27th 2010
The word “communism”: between philosophical criticism and an actual review of the “socialist states”
The 2009 London conference showed that, in debates dealing with both the historical destiny of humanity and the norms of collective action, it is now possible to give back to the word “communism” its full meaning.
Since the labour movements in the 19th century and their interpretation by great minds of the times, the word „Communism“ has been at the intersection between politics and philosophy. Therefore, nowadays it must be considered on the basis of both its ideal content and the actual experiences to which it has been associated and in which it has been seriously compromised.
The London conference was philosophical and ideological. The Berlin conference will focus on a review of the socialist states that in the 20th century embodied the motive of a “dictatorship of the proletariat”. With this in mind, the conference will host a significant number of participants from Eastern European countries.
With: Alain Badiou (Paris) and Slavoj Žižek (Ljubljana), Susan Buck-Morss (New York), Cécile Winter (Paris) and Gáspár M. Tamás (Budapest).
Curated by Gernot Kamecke, Frank Ruda, Henning Teschke and Jan Völker.
Tickets available on April 15th!
Sonntag: 25. April 2010 um 18.00 Uhr im Café Größenwahn, Kinzigstr. 9, 10245 Berlin
Vortrag mit Diskussion und Musik
Nicht für „linke“ Luftschlösser sondern für die soziale Emanzipation kämpfen!
Robert Schlosser diskutiert seinen Vortrag mit Aktiven aus Betrieb und Stadtteil.
Klassenkämpferische Lieder werden von DetlevK moderiert und vorgetragen.In der Diskussion soll es darum gehen, die Klassenauseinandersetzungen in Betrieb und Stadtteil in Bezug zu setzen und eine politische Perspektive aufzuzeigen, die die Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise zum Ziel hat. Ferner soll diese Veranstaltung ermöglichen, dass unterschiedliche Strömungen in einen gemeinsamen Diskurs über ihre politische Praxis und ihre Zielvorstellungen treten. Es geht um einen solidarischen Meinungsstreit, der die Spaltungen innerhalb der Linken, wie sie sich wieder in den 1. Mai-Aktivitäten abbilden, versucht zu überwinden. Es sollen Schnittstellen für eine gemeinsame politische Praxis gefunden werden. Dazu soll im 2. Teil die Diskussion auch für das Plenum aufgemacht werden.
mehr Infos und weitere Veranstaltungshinweise unter: http://www.trend.infopartisan.net/trd0410/t160410.html.
Vorbemerkung: Theorie als Praxis hat seit einiger Zeit auch ein Facebook-Profil. Ohne für Facebook-Werbung machen zu wollen: Wer/welche eh bei Facebook ist, kann Theorie als Praxis gerne seiner/ihrer FreundInnen-Liste hinzufügen.
Heute wurde ich dort auf den Text Dein Feind: Der Sozialschmarotzer von Rainer Trampert (in den 80er Jahren Sprecher der Grünen) in der Jungle World vom 08.04.2010 aufmerksam gemacht.
Hier mein Spontan-Kommentar dazu:
Schön geschriebener Text, mit einigen richtigen Argumenten, aber die grundsätzliche Linie, die er vorschlägt – sich Westerwelles und Co. Dekadenz-Vorwurf positiv zu eigen zu machen und „Muße für alle“ zu fordern, ist linksradikaler Idealismus.
„Wie der Wilde mit der Natur ringen muß, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, so muß es der Zivilisierte, und er muß es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen. Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnotwendigkeit, weil die Bedürfnisse; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehn, daß der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den ihrer menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehn. Aber es bleibt dies immer ein Reich der Notwendigkeit.“
[Marx: Das Kapital, S. 4076 f. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 7390 f. (vgl. MEW Bd. 25, S. 828) – meine Hv.]
Auch wenn die Forderung nach radikaler Erwerbsarbeitszeitverkürzung (mit Lohn- und Personalausgleich) richtig ist – das ist immer noch etwas anderes als „Muße für alle“.
Und die (Reste der) sozialen Sicherungssysteme lassen sich weder verteidigen noch gar ausbauen auf der Grundlage eines links-intellektuellen Programms des ‚Ich will philosophieren – und wer/welche das Essen produziert, die Bücher druckt und die Computer baut, interessiert mich nicht‘.
Soziale Sicherungssysteme lassen sich selbst in einer post-kapitalistischen Gesellschaft nicht von ihrer Funktion der (Re)produktion der Arbeitskraft (Krankheit, Ausbildung, Umschulung, Flankierung von industriellen Umstruktuierungen usw.) ablösen.
Und in kapitalistischen Gesellschaft kommt (aus linker Perspektive) noch die Funktion der Verbesserung der Bedingungen für den Verkauf der Arbeitskraft hinzu: Sozialleistungen als Aufhebung des unbedingten Zwangs, die Arbeitskraft zu verkaufen.
Ein bedingter Zwang zum Verkauf der Ware Arbeitskraft ist aber in einer kapitalistischen Gesellschaft und ein bedingter Zwang zum Arbeiten ist in einer post-kapitalistischen Gesellschaft nicht zu vermeiden.
Eine Aufhebung des unbedingten Zwangs zum Arbeiten ist etwas anderes als eine unbedingte Aufhebung des Zwangs zum Arbeiten.
Die Forderung nach einer unbedingte Aufhebung des Zwangs zum Arbeiten ist ein idealistischer Schmarren, der weder realiserbar ist, noch zum dringend notwendigen Bündnis von Erwerbstätigen und Erwerbsarbeitslosen beitragen kann.
Die intellektuelle Linke sollte der Tatsache ins Auge sehen, daß auch ihre Existenz von Arbeit abhängt (wenn nicht von ihrer eigenen Arbeit, dann von der Arbeit anderer Leute).
Und Westerwelles Dekadenz-Vorwurf läßt sich – außer in voluntaristischen Blütenträumen – nicht ‚offensiv‘ annehmen, sondern nur defensiv abwehren:
Die sozialen Sicherungssysteme in der BRD bedeuten alles andere als Dekadenz; und auch deren Wiederausbau würde alles andere als Dekadenz bedeuten.
Und auch in einer kommunistischen Gesellschaft wird das Überleben vom „Stoffwechsel mit der Natur“ (sei es in Form ‚unberührter‘ Rohstoffe oder sei sie ihrerseits schon durch vorhergehende Arbeit umgeformt), d.h. vom Arbeiten, abhängen.
Mehr Marxismus bitte. Schluß mit dem ständischen Gegeneinander von kulturalistisch-intellektueller und gewerkschaftlich-traditionalistischer Linker!
Sowohl der verengte, handarbeitszentrierte, maskulinistische usw. Klassenbegriff der traditionalistischen Linken als auch kulturalistischer Elitismus der ‚undogmatischen‘, ‚postmodernen‘, ‚intellektuellen‘ oder was auch immer Linken sind fehl am Platze.
Für eine Reartikulation linker Gemeinsamkeiten aufgrund des Widerspruchs zwischen
++ einerseits denen, die die große Masse der Produktionsmittel besitzen und andere daran arbeiten lassen,
und
++ andererseits denen, die keine Produktionsmittel oder nur die wenigen, für ihr ‚SelbstunternehmerInnentum‘ erforderlichen Produktionsmittel besitzen.
Für den Kommunismus. Gegen Idealismus und Standesdenken.
Vgl. die Debatte zum Thema: Verschiedene Proletariate? beim Institut Solidarische Moderne:
und meinen Text:
Band 1 des Buches „Rechtsstaat statt Revolution, Verrechtlichung statt Demokratie?“ ist in Berlin im Buchladen
Schwarze Risse
Kastanienallee 85 (Tram M 1 und M 121: Schwedter Str.; zw. U-Bahn U 8 Rosenthaler Platz und U 2 Eberswalder Str.); 10435 Berlin (Prenzlauer Berg)
Tel. : 030 – 44 09 158; Email: kastanie85@schwarzerisse.de
Öffnungszeiten: Mo – Fr 11.00 – 19.00 Uhr; Sa 11.30 – 15.00 Uhr
vorrätig.
Buchläden, die das Buch ebenfalls (ohne Bestellfrist) vorrätig halten, können gerne einen link zu ihrer web-Präsens und/oder einen google.maps-link zu ihrer Adresse als Kommentar posten.
- zu erreichen bspw. an den S- + U-Bhf. Friedrichstr. sowie Schönhauser Allee [zurück]