aus: Demokratie und Recht 1979, 123 – 134.
„Das Menschenbild des Grundgesetzes“
Zur Staatsreligion der Bundesrepublik Deutschland
„[…]. Somit muß unsere dem ‚Menschenbild des Grundgesetzes‘ gewidmete Aufmerksamkeit zuvörderst dem Bundesverfassungsgericht und seiner Funktionsweise gelten. Es spielt ja auch in der Vorstellungswelt des irgendwie an ihm interessierten, sich Demokratie großenteils freilich nur in der kopfständischen demoskopischen Version aneignenden bundesdeutschen Publikums eine ebenso bedeutsame Rolle wie in derjenigen seiner dito beschaffenen Juristen und seiner Politikfunktionäre. Allenthalben, in den dürftigsten Grundrissen wie in den dickleibigsten Grundgesetz-Kommentaren, in Sonn- wie Werktagsreden von Ministern, wird ihm Wichtigkeit und Unentbehrlichkeit attestiert. Volle Einmütigkeit besteht bei allen – d. h. bei allen, die im Licht – nicht nur darüber, daß ‚unsere derzeitige Verfassung den freiheitlichsten Staat in der deutschen Geschichte konstituiert‘ (welch ein Jammer, daß man den damit implizierten ergreifend schlichten Kausalmechanismus nicht schon früher aufgedeckt hat!): Nach (und mit) den eisernsten Kanzlern, nach dem unübersetzbarsten und nach dem tausendjährigsten Reich nun also, wenn auch nur auf die 250 000 qkm von Deutsch-Karthago radiziert, ein noch gewaltigerer Superlativ, verwirklicht von einer missionarischen wirtschaftlichen Großmacht ersten Ranges, Konsultativmacht für Regierungsbildungen in Frankreich, Sprachregler für US-Präsidenten, hinter ihr als ökonomischer Wurmfortsatz das ehemals stolze Albion – sollte sie etwa nicht bald in der Lage sein, es den ‚Supermächten‘ – notabene: beiden! – schon zu zeigen, wie das in Asien, Afrika, Latein-Amerika zu machen ist – und – nicht zu vergessen – wer es selbstlos selbst machen wird, wenn die Verbündeten – sei es aus Schwäche, sei es aus Irrtum, der ‚Grundwerte‘ nicht eingedenk – zaudern, fackeln, ja kapitulieren?“
Vollständiger Vortragstext als .pdf-Datei.
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