[Um die Stellungnahme von Entdinglichung ergänzt]
„Zwar ist DIE LINKE mit 26% inzwischen die meistgewählte Partei unter Erwerbslosen, aber gerade in dieser Gruppe ist die Tendenz zur Wahlenthaltung besonders ausgeprägt. Ähnliches gilt für die Gruppe der Arbeiter. Es stellt sich schon die Frage, weshalb DIE LINKE NichtwählerInnen kaum mobilisieren kann. Die beiden wichtigsten Gründe hierfür sind das Fehlen eines ermutigenden neuen politischen Projektes und die von den WählerInnen sehr wohl beobachtete Glaubwürdigkeitslücke, die sich im Regierungshandeln der Partei auftut.
Wirklich schlechte Ergebnisse verzeichnet die Linkspartei nach wie vor bei Frauen und jungen Leuten. Diese beiden Gruppen gehören neben dem städtischen Bildungsbürgertum zu denen, die nicht die Linkspartei sondern DIE GRÜNEN stark machen. Hier allerdings könnte sich im linksbürgerlichen Millieu noch ein neuer Akteur herausbilden. Die Piratenpartei erzielte mit 2% einen Achtungserfolg, den DIE GRÜNEN deutlich gespürt haben. Für die Linkspartei bedeutet dies endlich neue Forderungen in das Programm aufzunehmen und Habitus und Sprache weiblicher und jünger zu gestalten. […].
Wünschenswert und sinnvoll gegen das Regierungsprogramm des Klassenkampfs von oben wäre aber weniger eine Einbeziehung der SPD in eine gemeinsame Oppositionsstrategie aller drei Oppositionsparteien um den Preis der Zahnlosigkeit, sondern eine breite gesellschaftliche Mobilisierung. Gegen die Regierung der profitierenden Minderheit hilft nämlich nur noch Eines: Der massive Protest und nachhaltige Widerstand der Mehrheit der Bevölkerung.“
Die Welt so zu sehen hat Sinn, wenn wir berücksichtigen, daß Union von FDP die Stimmen von nur 34,3 Prozent der Wahlberechtigten erhalten haben.1 Andererseits ist klar, daß die entgegenstehende Mehrheit, die sich von NPD bis MLPD auf gegensätzliche Parteien und einen großen Block Nicht-WählerInnen aufteilt, keine Mehrheit im Gemeinsamen ist. Andererseits sollte wohl auch lohnabhängige Union-WählerInnen in Klassenbegriff nicht umstandslos zur anderen Seite gezählt werden.
Der Text endet dann wie folgt:
„Und ob mit oder ohne Unterstützung der SPD werden sich die Gewerkschaften wohl wehren müssen, wenn die Regierung Arbeitnehmerrechte und Mitbestimmung kassieren will. Um diese und andere Angriffe abzuwehren müssen allerdings politische Streiks geführt und betriebliche Kämpfe als gesellschaftliche Kämpfe geführt werden. Geschieht dies, wird schwarz-gelb bald an das Ende seiner Möglichkeiten kommen. In diesen unabweisbaren Abwehrkämpfen wird sich das politische Spektrum zudem nach links über die Partei DIE LINKE hinaus verschieben und neu formieren.“
„Gerade in einer systemimmanenten Krise dieses kapitalistischen Systems ist das mit Sozialkürzungen (Kürzungen im Bildungsbereich, bei den Sozialausgaben, Lohnkürzungen und Entlassungen im Öffentlichen Dienst) verbunden. Gleichzeitig wird man versuchen die Krisenlasten auf die Arbeiterklasse und die Armen und Arbeitslosen zu verlagern. Das wird bedeuten, dass es auf noch massivere Art und Weise zu Angriffen auf erkämpfte Zugeständnisse in den oben genannten Bereichen kommen wird. […]. Unter diesen Rahmenbedingungen wird es für die deutsche Sozialdemokratie die Möglichkeit geben ihre völlig zurecht zerstörte Reputation zu regenerieren. Etwa in Form eines „Linksrucks“ innerhalb der Opposition. Das ändert selbstverständlich nichts am grundsätzlichen Charakter, den die SPD in den letzten Jahrzehnten herausgebildet hat und immer weiter festigt. […].
Gerade in dieser Situation ist es für die Partei DIE LINKE extrem wichtig eine alternative Position einzunehmen. Sie hat die Chance angesichts dieser Konstellation in der herrschenden Klasse ein sozialistisches Profil herauszuarbeiten und die Möglichkeit zu nutzen sich auf die Seite der Arbeiterklasse und der Jugendlichen zu stellen, um damit sowohl im Bundestag, als auch außerhalb des Bundestages eine Opposition gegen die Bourgeoisie und das kapitalistische System zu sein. Für diese Aufgabe muss sie sich allerdings verändern. Für diese Aufgabe müssen Personen wie Oskar Lafontaine, Gregor Gysi oder Bodo Ramelow sich von ihren reformistischen Vorstellungen trennen und die Illusion überwinden der Kapitalismus sei alternativ positiver und besser zu handhaben. Die Vorstellung des ‚menschlichen Kapitalismus‘ ist eine Illusion. Gerade in Landesregierungen, wo die Partei DIE LINKE mit bürgerlichen Parteien Regierungen gebildet hat, sehen wir eindeutig, wohin diese Strategie führt. DIE LINKE lässt sich in das bürgerlich-parlamentarische System integrieren und trägt die Politik der Herrschenden auf eine fatale Weise mit. Mit dieser Politik verliert DIE LINKE aber zurecht an Unterstützung, wenn man sich die Ergebnisse der LINKEN in Bundesländern anschaut, wo sie mit der SPD eine Regierung bildet oder bildete. Für einen solchen Wechsel weg von Reformismus, Illusion und dem ‚geringeren Übel‘ muss aber vor allem die Basis in der LINKEN für einen Wechsel in der Politik größer und stärker werden. Deshalb muss es heißen: ‚Linke wählen, Linke verändern‘. Sie wird es schließlich schwer genug haben ihre Positionen gegenüber einer sich umorientierenden Sozialdemokratie zu behaupten.
Man wird in den nächsten Monaten sehen, ob diese Veränderung möglich ist, oder ob sich die Linke an dieser Frage nicht spaltet, denn eines ist klar: Die Menschen wollen keine Versprechungen, keine Masterpläne, sondern eine Alternative und diese Alternative ist nicht innerhalb des Kapitalismus möglich, sondern nur, wenn dieses System überwunden wird.“2
Dem sei hier im Großen und Ganzen zugestimmt, nur heißt, daß ‚die Menschen‘ in der Tat ggü. „Versprechungen“ und „Masterplänen“ mißtrauisch sind, nicht daß sie gleich für Alternativen sind, deren Voraussetzungen eine Systemüberwindung ist.
„Der Spitzenkandidat der Linken, Oskar Lafontaine, hat einen scharfen Oppositionskurs gegen die neue schwarz-gelbe Bundesregierung angekündigt. In der Konstellation von SPD, Linken und Grünen ‚wird es an uns sein, (…) die schärfste Klinge zu führen, sagte Lafontaine am Sonntagabend in Berlin. ‚Wir sind die Kraft, die gegen das System steht.‘ Das Versagen der anderen Parteien in der Finanz- und Wirtschaftskrise habe zur Vernichtung von Millionen Arbeitsplätzen geführt. Nach dem unerwartet hohen Zuwachs bei der Bundestagswahl sei die Linke nun ‚etabliert‘. Seine Partei habe ‚den Auftrag, mehr Demokratie zu wagen‘. Zum Absturz der SPD sagte Lafontaine, es könne sich ‚niemand so recht darüber freuen. Wir wollen, dass das linke Lager stärker wird. Das ist inhaltlich bestimmt.‘ Für die Linke beanspruchte er: ‚Wir haben den Auftrag, mehr Demokratie zu wagen.‘ Das gehe nur mit einer neuen Wirtschafts- und Sozialordnung. ‚Wir müssen noch mehr Wähler gewinnen‘, gab Lafontaine als Ziel vor.“
Auch wenn die Rede vom „System“ vieles heißen kann, scheint ihm zumindest das Problem bewußt zu sein, daß für die Linkspartei die Profilierung neben einer SPD in der Opposition schwieriger wird. Mal sehen, was bei Lafontaine da konkret draus folgt – und wie die anderen in der Linkspartei das sehen.
„In der BRD wird nun dank der Partei der Besserverdienenden weniger Zucker in die Scheisse geschüttet werden, die SPD wird vermutlich auf Grund ihres internen strukturellen Wandels auch den Aufenthalt in der Opposition kaum zu irgendeiner Revitalisierung nutzen können, in der LINKEN wird das Gewicht von Parlamentsfraktion – und Bürokratie noch weiter zuungunsten ausserparlamentarischer Tendenzen ansteigen. Was jetzt notwendig sein wird, ist sich auf die kommenden Angriffe des Kapitals vorzubereiten, dabei wird mensch auf kaum Unterstützung aus SPD, Grünen und dem SPD-Flügel der DGB-Bürokratie rechnen dürfen, da diese still halten werden, um in einigen Jahren WählerInnen in der „Mitte“ gewinnen zu können. Ob die LINKE hierbei nützlich sein wird oder ob sie sich eher (was wahrscheinlicher ist) auf Grund ihrer Parlamentsgeilheit und Involvierung in Koalitionen auf lokaler und regionaler Ebene zum Bremsklotz für ausserparlamentarische Bewegungen erweisen wird, wird sich zeigen. Notwendig ist jedenfalls eine breite Debatte darüber, wie mensch auf die Angriffe des Kapitals auf soziale Errungenschaften, auf die Avancen der Atomlobby, rassistische Mobilisierungen von oben, weitere Kriegseinsätze, Repression, etc. nicht nur reagiert sondern auch wieder ausserparlamentarisch in die Offensive kommt. Diese Offensive wird scheitern, wenn sie im Rahmen von Events (Demos, Kongresse, „hochkarätig“ besetzte Podiumsdiskussionen) oder Träumen von rotrotgrünen Regierungen verbleibt, notwendig ist der tag- und alltägliche Widerstand in Betrieb, Schule/Uni, Stadtteil/Dorf, etc.), wozu partizipierbare Basisorganisationen notwendig sind.
[…] Die MLPD hat 15.000 Stimmen und damit rund ein Drittel ihrer WählerInnen verloren und feiert sich. Der Grund für den Stimmenverlust ist vermutlich folgender:
„Sie [die MLPD] hat die Chance genutzt, in einem begeisternden Wahlkampf in tausenden von Einsätzen mit Ständen, Umzügen, Kundgebungen, Hausbesuchen, mit 40.000 Plakaten, 1,8 Millionen Wahlzeitungen und immerhin 6 Millionen Fernsehzuschauern beim Wahlspot von sich reden zu machen.“
Je bekannter die MLPD wird, desto geringer der Zuspruch zu ihrer Politik.
[…] Die
- Reichspartei des Deutschen IT-Mittelstandes
Piratenpartei hat mit 2% (und 13% der männlichen JungwählerInnenstimmen (gab es als Versprechen eine kostenlose Playstation im Falle eines Wahlsieges?)) einen Achtungserfolg erzielt, es bleibt jedoch fraglich, ob die Partei die Mühen der Ebene und das in ihr innewohnende Querulanzpotential in der kommenden Zeit unbeschadet überleben wird, wäre ohnehin kein verlust.“
- Vgl. http://de.indymedia.org/2009/09/262111.shtml. [zurück]
- Ein anderer Barricada-Autor merkt zu dem Artikel an: „Ich stimme deinem Artikel zu, außer in Bezug auf die Partei DIE LINKE. Wie ich schon an anderer Stelle geschrieben habe, halte ich es für unrealistisch, das sich Karrierebürokraten wie Gysi, Lafontaine oder Ramelow noch auf sozialistische Positionen zurückbesinnen. Der Kurs der Partei zeigt, das alles auf eine Anbiederung an die bürgerlichen Kräfte und die Aufweichung der eigenen Positionen hinausläuft. Nach wie vor bin ich der Ansicht, dass wir einsehen müssen, dass die vielen sozialistischen Hoffnungen, die in diese Partei gesetzt wurden, leider im Sand gelandet sind.“
Vgl. dazu auch noch die hiesige Kommentar-Diskussion zu dem Artikel http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/09/27/was-waehlen-teil-iv-ein-sieg-von-schwarz-geld-waere-ein-schritt-zurueck-hinter-seattle/. [zurück]
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