Die Frage scheint diesmal so müßig, wie seit 20 Jahren nicht mehr, zu sein – wenn nicht sogar so, wie seit dem KPD-Verbot.
Übersicht über den folgenden Text:
I. Ein Blick zurück
1. Als Wahlen spannend waren
2. Die ‚Rückkehr‘ der späten 50er und frühen 60er Jahre war nicht von Dauer
II. Der Stand der Dinge
III. Was die anderen sagen – kritisch kommentiert
1. Ofenschlot contra Dath
2. Bundeswahlstreik: Masse statt Klasse
3. Mannheim: „Klassenkampf statt Wahlkampf“?
4. Angel of Neukoelln: Für Grundrechte, gegen Lohndumping und Sozialabbau – und gegen deutsche Kriegseinsätze
5. Mädchenmannschaft: Elections are a gender issue!
6. Diverse zu den Irrwegen der Piratenpartei
7. Avanti: „Unsere Wahl heißt Widerstand“
8. VSP: Bitte noch mehr Weichspüler
9. Von den Ex-TrotzkistInnen zu den Ex-MaoistInnen (analyse & kritik)…
10. …zu Ex-blogsport-lerInnen (Kritische Schriften)
11. Mnementh & TSP: Die Tücken des Wahlrechts
12. Wahlprüfsteine und andere Wahlhilfen
13. Gewerkschaftlich organisierte SPD-Mitglieder sagen: SPD-Führung stürzen ist dringlicher als SPD wählen
14. Alternativen zur Linkspartei?
a) DKP – ohne Aussicht auf wahrnehmbaren Erfolg
b) PSG – unter irreführender Flagge
c) MLPD: Stalins „echten Sozialismus“ wählen
d) Nicht auf dem Stimmzettel: Frauenparteien
15. Was die von mir regelmäßig gelesenen Blätter „Arbeiterstimme“ (Nürnberg) und „Arbeiterpolitik“ (Hamburg) sagen
IV. Eigene Stellungnahme
Ein Blick zurück
Konnte 1949 und 1953 – trotz aller Bedenken gegen den Stalinismus und den Nationalismus der KPD – in einer Wahl selbiger noch ein irgendwie entschlossen antifaschistisches und antikapitalistisches Signal gesehen werden, so gab es vom Verbot der KPD bis zur Entstehung der Grünen keine parlamentarisch relevante Option links von der SPD. Auch das Rennen zwischen SPD einerseits sowie CDU/CSU + etwaig notwendigen (eher rechts von der Union stehenden) KoalitionspartnerInnen (FDP, DP, GB/BHE), die teilweise Wahlabsprachen hinsichtlich Direktkandidaturen trafen, war 1957, 1961 und 1965 vorab gelaufen.
Als Wahlen spannend waren
1969, nach dem Wechsel der FDP von dem nationalliberalen Kurs der Nachkriegszeit zum sozialliberalen Kurs ab Mitte/Ende der 60er Jahre (der sich zuerst 1966 als sozialliberale Koalitionsbildung in Nordrhein-Westfalen und dann 1969 mit der Wahl Heinemanns [SPD] zum Bundespräsidenten artikulierte), war die Regierungsbildung erstmals in der Nachkriegszeit von einem nicht gesicherten Wahlausgang abhängig.1. Der Wahlerfolg der sozialliberalen Koalition 1972 (vorgezogene Neuwahlen nach dem Scheitern des Mißtrauensvotums gegen Brandt) fiel zwar deutlich aus, war aber nach vorhergehenden Abbröckel-Tendenzen des sozialliberalen Lagers nicht vorauszusehen. Die Wahl 1976 ging wieder knapper aus. 1980 war einerseits Strauß-Kanzlerkandidat der Union; andererseits kandidierten erstmals die Grünen; 1983 – nach dem Ende der sozialliberalen Koalition – zogen sie erstmals in den Bundestag ein.
Die ‚Rückkehr‘ der späten 50er und frühen 60er Jahre war nicht von Dauer
1987 war dagegen sowohl die parlamentarische Existenz der Grünen als auch die schwarz-gelbe Mehrheit gesichert; zum ersten Mal seit rund 20 Jahren war die Wahl – auch im Sinne immanenter Varianten der herrschenden Verhältnisse – praktisch unbedeutend.
1990 schieden die West-Grünen überraschend aus dem Bundestag aus. Dagegen war der Einzug der PDS in den Bundestag – nach Aufteilung des Bundesgebietes in zwei Wahlgebiete, in denen die 5 %-Hürde getrennt zur Anwendung kam, zwar gesichert. Die Frage war aber, ob die PDS dennoch bundesweit in die Nähe der 5 %-Hürde kommt oder soviel Direktmandate in der ehemaligen DDR erringen kann, daß ihre bundesweite parlamentarische Existenz auch nach den nächsten Wahlen (bei denen es keine Aufteilung des Wahlgebietes mehr geben würde) in Aussicht stand. Genau darum ging es dann 1994 (die PDS erhielt zwar nur 4,4 %, aber vier Direktmandate – eines mehr als erforderlich, um die 5 %-Hürde zu umgehen). 1998 erlangen SPD und Grüne eine Mehrheit und die PDS überwandt erstmals bundesweit die 5 %-Hürde. Zumal, daß beides gleichzeitig möglich sein würde, war vorher keinesfalls klar. – Und beides stand 2002 erneut auf der Kippe (die PDS rutschte unter 5 % und erlangte auch nur noch zwei Direktmandate); Schröder profilierte sich mit seiner antiamerikanisch konnotierten Ablehnung des Irak-Krieges und sicherte so die rot-grüne Mehrheit. Dann kamen die Agenda 2010 und die vorgezogenen Neuwahlen 2005. Die relevanten Frage waren, ob es eine Rückkehr der schwarz-gelben Mehrheit geben wird und wie die neue Formation Linkspartei.PDS abschneidet.
Der Stand der Dinge
Diesmal scheint dagegen wieder alles klar zu sein: Die parlamentarische Existenz der drei kleinen Bundestagsfraktionen steht nicht auf der Kippe, und alle Umfragen deuten darauf hin, daß Union und FDP mehr Stimmen als SPD, Grüne und Linksparteien zusammen erhalten (und zusätzlich noch durch Überhangmandate gestützt) werden – die Große Koalition dürfte durch eine schwarz-gelbe Koalition abgelöst werden:
► Infratest dimap (für die ARD): 49 zu 47 Prozent.2
► Forschungsgruppe Wahlen (für das ZDF): 49 zu 46 Prozent.3
► Forsa (für RTL und Stern): 48 zu 46 Prozent.4 (allerneueste Forsa-Zahl lt. FR: 48 zu 47)
► Allensbach (schon Anfang Sept.) (für FAZ?): 50,5 Prozent zu 45 Prozent.5 (allerneueste Forsa-Zahl lt. FR: 48,5 zu 46,5)
► EMNID (für N 24) allerdings: 48 zu 48 Prozent.6
Ziemlich genau 49 % der Stimmen bekamen Union und FDP auch bei der EU-Parlamentswahl im Juni dieses Jahres (wobei der Stimmanteil rechter Kleinparteien höher war, als dies für die Bundestagswahl zu erwarten sein dürfte).7
(Dagegen will das Berliner Info-Institut für das Handelsblatt anscheinend potentielle schwarz-gelbe WählerInnen davon abhalten, den Sieg für sicher zu halten und am Sonntag zu Hause zu bleiben: 46 ‚für rechts‘ zu 49 Prozent ‚für links‘ lt. FR.)
Was die anderen sagen – kritisch kommentiert
Trotzdem wird eifrig über die Wahlen diskutiert – dann soll auch mein Senf nicht fehlen:
► Auf Ofenschlots (kritische) Besprechung der etwas flachen Wahlempfehlung von Dietmar Dath zugunsten der Linkspartei war ich schon am 2. September eingegangen. Das muß hier nicht wiederholt werden.
► Zwar nicht zu übersehen sind auf dem blogsport planet die diversen Anti-Wahl-Kampagnen (1, 2), insb. der Bundeswahlstreik. Mich hat das aber nicht angesprochen; das ist mir soviel passivierende ‚Ihr da oben – wir da unten‘– & ‚Politik ist ein schmutziges Geschäft‘-Rhetorik.
Überhaupt ist jeder Wahlboykott – ob nun in Form von Nicht-Beteiligung oder ungültig wählen – in seiner politischen Aussage unspezifischer als eine Stimmabgabe für eine Partei oder eineN KandidatIn. Die damit verbundene politische Aussage und die damit verbundenen politischen Perspektiven – die von faschistisch über frustriert bis linksradikal reichen können – sind anhand der Zahl der ungültigen Stimmen und der Nicht-WählerInnen nicht zu erkennen.
Was ich verstehen kann, ist: Sich manchmal nicht zwischen dem vorhandenen Angebot entscheiden zu können oder schlicht zu träge zu sein, zum Wahllokal zu gehen oder sich um die Briefwahlunterlagen zu kümmern. Aber eine spezifische politische Haltung oder Aussage liegt im Nicht-Wählen nicht – abgesehen von dem Ausnahmefall, daß
++ absehbar ist, daß die Stimmenauszählung manipuliert wird,
oder
++ die Wahlfreiheit durch aktuell relevante Parteienverbote ergebnisrelevant eingeschränkt ist
und
++ ein Wahlboykott die Chance hat, durch massenhafte Beteiligung das fragliche System zu delegitimieren.
Damit haben wir es aber bei der Wahl am kommenden Sonntag weder in der einen noch in der anderen Hinsicht zu tun.
► Mehr kann ich da schon mit der Demo in Mannheim am 26.9. „Unsere Wahl: Soziale Revolution“ anfangen:
„Am 26.09. – einen Tag vor den Bundestagswahlen – rufen wir zu einer antikapitalistischen Demonstration auf. Anstatt uns darauf zu beschränken am 27. die Stimme abzugeben, wollen wir den anhaltenden Angriffen auf unsere Lebensbedingungen Widerstand entgegensetzen und der Forderung nach einer revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft Nachdruck verleihen. Hartz IV, Studiengebühren, Reallohnverluste, 1€-Jobs, Rente ab 67 und unsichere Arbeitsverhältnisse sind markante Beispiele dafür, wie unsere Lebensbedingungen seit Jahren immer mehr eingeschränkt werden.“
Das Beschränken auf das Wählengehen wäre alle Male falsch – aber falsch ist auch, das eine dem anderen entgegenzusetzen, wie es dann später in dem Aufruf geschieht:
„Anstatt uns auf das parlamentarische Spektakel einzulassen setzen wir auf wilde Streiks, Besetzungen und andere Regelverletzungen.“
Den vorletzten Absatz finde ich dann wieder weitgehend okay:
„Da bereits jetzt abzusehen ist, dass nach der Wahl versucht werden wird den Lohnabhängigen weitere Belastungen aufzubürden, sehen wir unsere Demonstration als Auftakt zur Mobilisierung eines breiteren Widerstandes. Dieser muss notwendigerweise eine antikapitalistische Perspektive beinhalten, denn nur in der Verbindung von Kämpfen für konkrete Verbesserungen und einer revolutionären Perspektive kann ein gutes Leben für alle erkämpft werden.“ ---
abgesehen von dem Klassenreduktionismus, der den ganzen Aufruf durchzieht.
plädiert der Angel of Neukoelln:
„Wer wählen darf und weder Briefwahl beantragt noch andere, wirklich dringende und unaufschiebbare Verpflichtungen hat, möge bitte am 27. September an die Urne gehen. Für den Erhalt unserer Grundrechte, gegen Lohndumping und Sozialabbau – und gegen deutsche Kriegseinsätze. Somit brauche ich keine Partei zu nennen, denn das Spektrum der Parteien, die für alle drei Punkte stehen und zugleich eine reale Chance haben, ist leider mehr als übersichtlich. Passt so gut es geht auf dieses irre Land auf, dem ich nun bis Anfang Oktober den Rücken kehre. Wählt eine Antikriegspartei – ganz unabhängig von den Drohungen islamistischer Männerselbsthilfegruppen.“
► Damit verlasse ich erst einmal blogsport und wechsle zur Mädchenmannschaft, die in einer Serie die gender-relevanten Teile der Wahlprogramme der großen Parteien + Piraten vorgestellt hat – eine Wahlempfehlung ist damit ausdrücklich nicht verbunden – was die Darstellungen doch etwas arg deskriptiv ausfallen läßt – auch, wenn bei der Darstellung des CDU-Programms der kritische Unterton („Alles bleibt wie es ist.“) nicht zu überlesen ist.
Die Darstellung des FDP-Programms fällt dagegen etwas class-blind aus:
„Sowohl Pflege- als auch Kinderbetreuungskosten sollen daher mit bis zu 12.000 Euro jährlich von der Steuer absetzbar sein. Mit der Abschaffung der Elternfreibeträge, wäre Kinderbetreuung dann keine Frage mehr des Einkommens und des Dann-doch-zuhause-bleibens der Mutter, weil ihr Gehalt sowieso für Kita oder Tagesmutter drauf geht.“
Damit sich Steuerfreibeträgen lohnen, muß es schließlich erst einmal ein Einkommen in erhebliche Höhe geben – sonst wirken sich die Steuerfreibeträge kaum aus.
Dagegen fällt die Vorstellung der Piratenpartei angemessen kritisch aus.
Die Irrwege der Piratenpartei
► Der Revolutionär Sozialistische Bund (RSB), der die Zeitschrift Avanti heraus gibt, zur ‚mandelistischen‘ IV. Internationale (also den nicht-sektiererischen TrotzkistInnen) gehört und – wenn ich recht orientiert bin – über den Umweg der Vereinigten Sozialisten Partei (VSP) der 80er und 90er Jahre aus der Gruppe Internationaler Marxisten (GIM) der 70er Jahre hervorgegangen ist, hat eine Erklärung geschrieben, die ich nicht schlecht finde und die auch bei scharf-links veröffentlicht ist.
Zu nörgeln habe ich trotzdem etwas. In der Erklärung heißt es:
„Die Linke stellt eine Reihe richtiger Forderungen auf z. B. gebührenfreie Bildung für alle, Stopp aller AKWs. Anderen Forderungen fehlt die Zuspitzung. So ist Die Linke nur gegen neue Kohlekraftwerke (nicht gegen alle) und kämpft nicht für eine Enteignung der Energiekonzerne und eine Umstellung der gesamten Energiegewinnung. Sie fordert 10 € Mindeststundenlohn nicht sofort, sondern innerhalb von vier Jahren.
Wir rufen aber vor allem wegen ihrer mangelhafte Kapitalismuskritik, der fehlenden Klassenanalyse, der Abwesenheit einer sozialistischen Perspektive und ihrer lähmende Wirkung innerhalb der außerparlamentarischen Bewegung nicht zur Wahl der Partei Die Linke auf.
Die Kritik Der Linken am Kapitalismus geht nicht über die ‚Kapitalismuskritik‘ der Herrschenden hinaus. Auch Die Linke spricht vom ‚Casinokapitalismus‘. Sagt Oskar Lafontaine, dass Die Linke den Kapitalismus überwinden will, so erläutert Gysi, dass die Überwindung des Kapitalismus nicht seine Abschaffung bedeutet.
Die ArbeiterInnenklasse existiert für Die Linke ebenso wenig wie die Bourgeoisie.“
Diese Kritik ist zwar 100 % richtig – aber mir scheint: Wenn es anders wäre, wäre ja nicht nur über eine Wahl der Linkspartei, sondern über einen Eintritt in selbige nachzudenken. – Oder anders gesagt: Mir scheint, der RSB legt die Meßlatte für eine Wahlempfehlung etwas zu hoch. -
Weiter heißt es in der Erklärung:
„Die Krise legt aber auch schonungslos offen, wie schwach unsere eigenen Kräfte sind. Eine Schlussfolgerung daraus ist unser Bemühen, mit anderen radikal antikapitalistischen Kräften in Diskussion und Zusammenarbeit zu kommen, um Schritte zum gemeinsamen Aufbau einer revolutionären Alternative in Angriff zu nehmen.“
Dann mal ‚ran an den Speck!
► Der andere Rest der Vereinigten Sozialistischen Partei heißt weiterhin VSP, hieß aber zwischenzeitlich Vereinigung Sozialistische Politik (wenn ich mich recht erinnere), und jetzt: Verein solidarische Perspektiven – er gibt weiterhin die alte VSP-Zeitung SoZ – Sozialistische Zeitung heraus.
► An der VSP arbeitet wiederum die ISL, die internationale sozialistische linke, mit. Die ISL ruft mit einem sehr geschönten Bild der Linkspartei zu deren Wahl auf:
„Nur DIE LINKE steht für die Interessen der Beschäftigten und Erwerbslosen. Nur DIE LINKE ist gegen Kriegseinsätze der Bundeswehr. Nur DIE LINKE steht für eine sozialistisch-demokratische Wende. Allerdings steht auch DIE LINKE unter Anpassungsdruck. Regierungsbeteiligungen wie in Berlin und die Übernahme von Mitverantwortung für Politik im Interesse des Kapitals könnten auch DIE LINKE als Alternative zur etablierten bürgerlichen Politik diskreditieren. Je mehr Stimmen DIE LINKE erhält, desto stärker bringen die Wählerinnen und Wähler ihre Ablehnung der etablierten Politik zum Ausdruck. Je aktiver sich Beschäftigte und Erwerbslose und die sozialen Bewegungen gemeinsam außerparlamentarisch zur Wehr setzen, desto stärker werden die Kräfte in der LINKEN, die sich gegen die Anpassung wehren.“
Als ob es nur der äußerer Anpassungsdruck wäre, der die Politik der Linkspartei an vielen Punkten kritisierenswert macht….
► In der SoZ spießt dagegen Thies Gleiss (Linkspartei-Vorstandsmitglied) die – durch einen Mangel an Selbstkritik gekennzeichnete – Medienschelte der Linkspartei auf; genau diese Medienschelte wird von dem Linkspartei Kandidaten Andrej Hunko in einem weiteren Soz-Artikel bedient8 (und mit einem impliziten Wahlaufruf für die Partei, für die er kandidiert, verbunden):
„Trotz all dieser Gesetze, die sich gegen die Bevölkerungsmehrheit richten, ist eine Wende nach der Bundestagswahl nicht in Sicht. Die einzige Opposition im Bundestag, DIE LINKE, wird durch regelmäßige Medienkampagnen, meist genährt durch den eigenen rechten Flügel, stabil bei 10% gehalten. Die sozialen Bewegungen sind in den letzten beiden Jahren abgeflaut. Angstdiskurse, wie die Warnungen vor ’sozialen Unruhen‘, vor vermeintlichen Terroristen oder vor der ‚Schweinegrippe‘, sollen die Aufmerksamkeit ablenken. […]. Entscheiden wird sein, wieviel Druck von links ausgeübt wird — parlamentarisch und außerparlamentarisch.“
► Ähnlich – was den außerparlamentarischen Druck anbelangt – ist der Tonfall in ak (analyse & kritik) (früher: AK = Arbeiterkampf – The times are changing), wo sich auch auf Dietmar Dath bezogen wird:
„Mangels anderer Möglichkeiten wird sie [die Linkspartei] auch nach dieser Wahl noch einmal als parlamentarische Opposition zur Verteidigung des Sozialstaats zur Verfügung stehen. Ansonsten hat das Wesentiche über die Partei kürzlich Dietmar Dath im Interview mit der Welt gesagt. ‚Der Spruch ‚Sozial ist, was Arbeit schafft‘, ist ungefähr so sinnvoll wie ‚Zähneputzen ist der Sinn des Lebens‘. Er übertreibt maßlos und sinnlos, aber deswegen ist die Partei, die verhindern will, dass den Leuten die Zahnpasta weggenommen wird, trotzdem nett.‘ Doch damit daraus etwas wird, braucht es Druck von unten.“ (Nr. 541 v. 21.08.2009, S. 1).
Und dann geht es noch wie folgt weiter:
„Gegenwärtig ist schwer auszumachen, wo sich überhaut Protest regen könnte. Es ist erstaunlich still. In dieser Lage helfen – meinen wir – nicht zuerst Programme, deren Inhalt man etwaige Bewegungen antragen kann, sondern ein aufmerksamer Blick für Themen und Widersprüche, an sich Bewegung entzündet.“
Theorie als Praxis meint demgegenüber: Eine organisierte Linke, die ihre vorrangige Aufgabe im Beobachten und Abwarten sieht, macht sich selbst überflüssig. Abwarten und Beobachten – das läßt sich auch in Vereinzelung leicht machen. Was notwendig ist, ist vielmehr eine Debatte, was denn Forderungen und Aktionsformen sein könnten, die die – sicherlich in Teilen der Bevölkerung vorhandene – Unzufriedenheit in Aktivität mit linker politischer Orientierung umsetzt.
„Angesichts von weltweit 30 % Überkapazitäten in der Autoindustrie und erst recht angesichts der sich verschärfenden Klimakrise gibt es gerade für den Automobilsektor nur eine Antwort: Konversion, also Umbau der Produktion auf gesellschaftlich nützliche Produkte. Es müssen umweltverträgliche Verkehrsmittel gebaut werden (Bahnen, Busse, Fahrräder) und der ÖPNV muss massiv ausgebaut werden und für die NutzerInnen kostenlos sein. Dies muss kombiniert werden mit einer durchgreifenden Infrastrukturpolitik, die für kurze Wege zur Arbeit, zum Einkaufen usw. sorgt. Nur dann kann im Verkehrssektor ein wirksamer Beitrag zum Abbremsen des Klimawandels und zu den drohenden Massenentlassungen vor allem in der Automobilindustrie geleistet werden.“
► Die Kritischen Schriften, die gerade von blogsport zu einem anderen provider umgezogen sind, dokumentieren einen Text von der Freitag-homepage. Ein Wahlboykott wird dort wie hier eingeschätzt:
„Es ist beim besten Willen nicht ernstzunehmend und im Großen und Ganzen aussagelos, wenn man seinen Stimmzettel ungültig macht oder erst gar nicht im Wahllokal erscheint. Dies tun gerade die, die sich zum linken Spektrum zählen, und so ihre Meinung und ihre Wut ausdrücken wollen, oder verzweifelte Angehörige der Unterschicht, die glauben, ihr Protest verhalle ungehört, ihre Stimme sei sowieso wertlos. Eine Politische Aussage, in der gar der Schrei der Rebellion mitschwingt, ist ein solches Handeln ganz sicher nicht. Schließlich erfährt niemand, bis auf einige Eingeweihte und den Wahlhelfer, der den ungültigen Stimmzettel aussortieren muss, dass dies überhaupt geschah.“
Dann geht es wie folgt weiter: „Der Protest manifestiert sich mit dem Kreuz an der richtigen Stelle. Seinem Unmut kann man, wenn sich die Gelegenheit mit der Bundestagswahl bietet, auch in der Wahlkabine Luft verschaffen.“
Die Antwort des Autors auf die Frage nach der richtigen Stelle lautet: “ Diese Partei kann in der gegenwärtigen Situation aus verschiedenen Gründen eigentlich nur die DIE LINKE sein.“ Dem sei hier durchaus zugestimmt – der Begründung aber nicht:
„Das eindringlichste Symbol ist eine große antikapitalistische Fraktion im deutschen Bundestag. DIE LINKE ist die Partei, die diese Fraktion werden kann.“
Sicherlich ist die Linkspartei kapitalismuskritisch, aber antikapitalistisch ist sie nicht – und es ist auch nicht absehbar, wie sie das werden soll --- in Anbetracht dessen, daß selbst die innerparteilichen KritikerInnen eine arg verkürzte Kapitalismus-Kritik vorbringen (ich verweise noch einmal auf meine an verschiedenen Stellen veröffentlichte Wahlprogramm-Kritik [trend-online, links-aktiv, scharf-links, BAG Hartz IV). Auch das, was sich der Autor unter ‚Antikapitalismus‘ vorstellt, ist nur eine Art sozial-ökologischer New Deal:
„Während die Herrscher der Welt innerhalb von einigen Tagen mehrere Billionen Dollar für die Rettung der Banken, die leichtfertig astronomische Summen verspielt hatten, bereitstellten, erreichte die Zahl der hungernden Menschen in diesem Jahr die Milliardengrenze. Mit diesen großen Investitionen, die die reichen Industrienationen hatten, hätte effizient und nachhaltig der Welthunger bekämpft werden können. […]. Auch für erneuerbare Energien und für den Klimaschutz hätte dieses Geld verwendet werden können. Es wäre nötig gewesen.“
Das wäre nicht nichts, aber nicht antikapitalistisch.
Hier haben wir es also quasi mit einer Umkehrung der RSB-Position zu tun: Während beim RSB politische Differenzen mit Nicht-wählen einhergehen, wird hier das Wählen aus der nahezu vollständigen inhaltlichen Übereinstimmung abgeleitet.
Die Tücken des Wahlrechts
„Überhangmandate entstehen aus dem deutschen Wahlrecht. Die meisten Länder der Welt, wählen entweder per Mehrheitswahl oder per Verhältniswahl. In Deutschland werden bei Bundestagswahlen beide Varianten verknüpft. Mit der Erststimme wählt man einen Direktkandidaten per Mehrheitswahl. Und mit der Zweitstimme eine Liste per Verhältniswahl. Zusätzlich aber werden die Direktkandidaten auch noch mit den Listenkandidaten der gleichen Partei verrechnet. Die direkt gewählten Abgeordneten einer Partei werden den der Liste der Partei aus dem gleichen Bundesland zustehenden Sitzen abgezogen. Erwirbt also eine Partei in einem Bundesland per Zweitstimmen einen Anspruch auf 10 Sitze, es sind aber bereits 5 Direktkandidaten dieser Partei in diesem Bundesland gewählt, dann werden von der Liste nur noch 5 Personen in den Bundestag entsandt. Wenn nun aber bereit 12 Direktkandidaten gewählt wurden, dann kann niemand mehr von der Liste entsandt werden, dennoch sind es noch zwei zuviel. In diesem Fall wird der Bundestag um diese zwei Sitze vergrößert, diese Direktmandate werden zu Überhangmandaten.“ -
und scheint dies implizit mit einem Aufruf, mit der Erstimme SPD zu wählen, zu verbinden:
„6 Überhangmandate holen also bereits einen Rückstand von etwa einem Prozent ein. Wenn man nun die Umfragen anschaut, dann kann 1 Prozent sehr Wohl über die Möglichkeit schwarz-gelb entscheiden. Prognosen rechnen der CDU/CSU aber bis zu 20 Überhangmandate zu. Dies könnte sehr wohl wahlentscheidend sein. […]. Überhangmandate können der CSU in Bayern, der CDU in Baden-Württemberg, Sachsen, Thüringen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Hessen und dem Saarland und der SPD in Brandenburg, Hamburg und Bremen entstehen. Dies kann man verhindern, indem man die Anzahl der gewonnenen Direktmandate für die jeweilige Partei reduziert. Am Besten ist es dazu, den jeweils erfolgversprechendsten Gegenkandidaten zu wählen. Keine Angst, die Partei des Gegenkandidaten erhält dadurch nicht mehr Sitze im Bundestag – so lange keine Überhangmandate entstehen, werden durch Direktmandate keine zusätzlichen Sitze für die Partei gewonnen, für jedes Direktmandat zieht einfach ein Listenkandidat weniger in den Bundestag ein. Durch ein gewonnenes Direktmandat ändert sich also nur die Person, die für die jeweilige Partei im Bundestag sitzt.“
Bei aller Neigung, immer das kleinstmögliche gegen die größeren Übel zu stützen – zwei Bedenken möchte ich doch anmelden:
1. Kann es richtig sein, irgendwelche neoliberalen SPD-lerInnen (oder in Hamburg und Stuttgart vielleicht auch: neoliberalen Grünen zu wählen) – nur um Überhangsmandate der Union zu verhindern, für die vielleicht sogar sozialdemokratische SozialausschüsslerInnen kandidieren?
2. dürfte eine entsprechende Wahlempfehlung darauf hinaus laufen, daß zwar Linkspartei- und Grünen-AnhängerInnen SPD-DirektkandidatInnen wählen – aber werden dannn dafür im Gegenzug in Sachsen auch SPD-AnhängerInnen aussichtsreiche Linkspartei-DirektkandidatInnen unterstützen?
„Nach heutigem Stand stehen damit am nächsten Sonntag nur zwei realistische Regierungsalternativen zur Wahl. Die eine wird von den beteiligten Parteien gewünscht und befürwortet: Ein schwarz- gelbes Bündnis mit Angela Merkel als Kanzlerin und Guido Westerwelle als Vize. Die zweite erklären alle Beteiligten für unerwünscht. Aber dass die große Koalition in die Neuauflage geht, schließen CDU, CSU und SPD nicht aus.
Dem taktischen Wähler bleibt da nicht viel zu tun. Wenn er Angela plus Guido will, muss er einen von beiden wählen. Wenn nicht, kann er wählen, was ihm sonst am besten passt. Allerdings gibt es noch eine zweite Möglichkeit, die Mehrheiten zu beeinflussen. Das ist das sogenannte Stimmensplitting, von dem laut Infratest-dimap-Chef Richard Hilmer ein Gutteil der Wähler Gebrauch machen will. Wer die Zweitstimme seiner Lieblingspartei gibt, die Erststimme aber dem Wahlkreiskandidaten einer anderen Partei, kann dessen Partei womöglich ein Überhangmandat verschaffen.
Ob das funktioniert – in der Regel nur für jeweils große Parteien wie CDU, CSU und SPD –, hängt von den Stärkeverhältnissen im jeweiligen Wahlkreis ab. Der Freund der Linkspartei hat mangels koalitionswilliger Partner wenig Anreiz zum Splitten – es sei denn, er wollte durch eine Erststimme für den SPD-Bewerber ein Überhangmandat für Schwarz-Gelb verhindern. Auch erklärte Unions- oder SPD-Wähler kommen nur in Ausnahmefällen ins Grübeln, etwa wenn wie in Kreuzberg-Friedrichshain mit Hans-Christian Ströbele ein Grüner Favorit für ein Direktmandat ist und sie den Mann womöglich mögen.
Für die Sympathisanten der Liberalen und der Grünen könnte sich das Aufteilen von Erst- und Zweitstimme hingegen lohnen. Der Hebel ist in diesem Wahljahr wichtiger als in anderen: Die Union kann aufgrund der letzten Umfragezahlen deutlich mehr Überhangmandate erwarten als die SPD. Kommt es so, könnten Union und FDP im Bundestag eine Mehrheit der Abgeordneten stellen, selbst wenn sie als Parteien zusammen sehr deutlich unter 50 Prozent blieben.
Die Parteispitzen versuchen ihre Wähler denn auch schon zur Stimmen-Schizophrenie zu bewegen. Beim FDP-Parteitag am Sonntag ließ die Regie auf der Bühne Schilder mit der Aufschrift ‚Zweitstimme FDP‘ hochhalten. Auch Grünen- Spitzenkandidatin Renate Künast wirbt ausdrücklich um Zweitstimmen. Auf lokaler Ebene gibt es sogar konkrete Splitting-Empfehlungen: In nordrhein-westfälischen Großstädten fordern Grünen- Kandidaten die eigenen Wähler auf, mit der Erststimme für Sozialdemokraten zu stimmen – um Schwarz-Gelb im Bund zu verhindern.“
Auch hier fehlt wieder Hinweis, daß in vielen Wahlkreis Linkspartei-KandidatInnen bessere Chancen haben eine relative Mehrheit zu erlangen als SPD-KandidatInnen.
Wahlprüfsteine und andere Wahlhilfen
„Claudia Roth, Bundesvorsitzende der Grünen, sagte: ‚Die Grünen und grünes Klientel sind die am besten ausgebildeten Menschen, die den höchsten Bildungsstand haben und dann ist es auch logisch, dass sie mit so ’ner Voraussetzung auch gute Jobs kriegen.‘ Hajo Schumacher, Moderator der N24-Talkrunde ‚Links-Rechts‘ (12.5.2009) hatte sie gefragt, ob die Grünen nicht die Partei der Besserverdienenden sind. Sie hätte einfach nur ja sagen müssen. Die grüne Parteivorsitzende ist der Meinung: wer arbeitslos ist, hat einfach nur eine zu schlechte Bildung.
Auf die Frage, ob sie nachvollziehen kann, dass es Leute gibt, die sich keine Bio-Lebensmittel leisten können, erwiderte sie, sie kenne auch Arbeitslose, ‚Leute, die manchmal wirklich nicht wissen, wie sie an Monatsmitte noch bis zum Ende kommen…‘. Co-Moderator Tiedje: ‚Die können sich dann doch nie Bio leisten?‘ ‚Aber die können sich dann auch nix anderes leisten', antwortete Roth kalt. Und weiter: ‚Wenn Du nicht gut isst, wird es auf Dauer Dir zu stehen bekommen …‘ [Schreibweise nach O-Ton; J.D.]. Also am besten auf hohem ökologischen Niveau verhungern.“
► Unter der Überschrift „Es gibt keine dringlichere Aufgabe, als die SPD von ihrem gescheiterten Führungstrio zu befreien!“ schreibt – nach einem Treffen, das am 12. September in Köln stattfand – eine ganze Reihe von gewerkschaftlich organisierten SPD-Mitgliedern:
„Wir sehen nur eine Regierung, die solche [die von den UnterzeichnerInnen geforderten, TaP] politischen Maßnahmen ergreifen könnte und würde: das kann nur die Regierung einer SPD sein, die öffentlich vor dem Volk mit der Politik der Steinmeier, Müntefering, Steinbrück und Schröder gebrochen und sich auf solche politische Maßnahmen verpflichtet hat.“
Und dann heißt es noch:
„Unsere volle Unterstützung gehört den SPD-Kandidaten, die in diesen schwierigen Zeiten den Mut haben, die Ehre der Partei zu retten und klar und deutlich Position für den Bruch mit der Führungspolitik zu ergreifen, für ein Sofortprogramm zum Schutz der arbeitenden Bevölkerung und der Arbeitsplätze gegen die Krise.“
Na, angesichts dieses Kriteriums („klar und deutlich Position für den Bruch mit der Führungspolitik […] ergreifen“) dürften ja nicht viele SPD-KandidatInnen als wählbar in Betracht kommen…
(Der wichtigste Unterzeichner dürfte der Stellvertretende Vorsitzende der GEW Baden-Württemberg, Michael Futterer, sein.)
Alternativen zur Linkspartei?
Diese Abraten von der Wahl der DKP gilt unbeschadet davon, daß sich die Berliner DKP anerkennenswerterweise in diesem Jahr an diversen klassenkämpferischen Bündnissen, die anders angelegt sind als frühere DKP-Bündnispolitik, beteiligt hat (1, 2, 3).
► Die PSG (Partei soziale Gerechtigkeit), die sich als „Deutsche Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI)“ bezeichnet, aber mit der tatsächlichen IV. Internationale nichts zu tun hat, kandidiert ausschließlich in Berlin und Nordrhein-Westfalen. Für sie gilt insoweit das Gleiche wie für die DKP: Mit Stimmen aus diesen Bundesländern alleine wird die PSG niemals die 0,5 %-Grenze überspringen.
Im übrigen ist die Kapitalismuskritik der PSG genauso verkürzt, wie die der Linkspartei:
„Die Vorstandschefs der deutschen DAX-Konzerne verdienten im Krisenjahr 2008 durchschnittlich 3,8 Millionen Euro. Die Wall Street gewährte ihren Managern im selben Jahr Bonuszahlungen in Höhe von 33 Milliarden Dollar, größtenteils aus Steuergeldern. Die Finanzoligarchie hat die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds getrieben und nutzt jetzt die Krise zu ihrer weiteren Bereicherung. […] Wir treten für ein sozialistisches Programm ein. Die Bedürfnisse der Gesellschaft“ – ganz indifferenziert-pauschal – „müssen Vorrang [sic!] vor den Profitinteressen der Kapitalbesitzer haben, […].“ (meine Hv. und Anm.)
► Bliebe also die MLPD, die bundesweit kandidiert und „für den echten Sozialismus“ ist:
„In der DDR und Sowjetunion wurde 1956 der Sozialismus zerstört durch eine neue bürokratische Kapitalistenklasse. Damit so etwas nie mehr passiert, hat die MLPD entscheidende Lehren gezogen. Der Sozialismus kann nur mit einer proletarischen Denkweise erkämpft und erhalten werden.“
Auch wer/welche geneigt war, den historischen Stalinismus gegen den Imperialismus zu verteidigen, wird die Option auf dessen Wiederholung heute nicht auf das kleinere Übel halten – allein schon deshalb, weil der Stalinismus heute weder die Macht des Faktischen auf seiner Seite hat noch jemals wieder haben wird. – Ein spezielles Wahlprogramm scheint es gar nicht erst zu geben.
► Die Feministische Partei – Die Frauen, die bei den EU-Parlamentswahlen 1999, 2005 und 2009, 0,4, 0,5 bzw. 0,3 Prozent der Stimmen erhielt, kandidiert diesmal nicht. (Die ehemalige Sprecherin [Vorsitzende] der Grünen Bundestagsfraktion, Jutta Oesterle-Schwerin, kandidierte bei der Bundestagswahl 1994 in Bonn als Direktkandidatin der Feministischen Partei.) Die Vorläuferinformation Frauenpartei erlangt bei den EU-Parlamentswahlen 1984 0,4 % der Stimmen.
‚Rechts‘kommunismus: Arbeiterpolitik (Hamburg) und Arbeiterstimme (Nürnberg)
Zum Schluß seien noch zwei von mir regelmäßig gelesene Zeitschriften erwähnt, die beide in der Tradition der sog. ‚rechte‘ KPO-Opposition der späten 20er sowie 30er Jahre stehen11:
„Die Linke ist keine marxistische Partei. Sie steht am linken Flügel des bürgerlichen Staates. Wir hoffen, dass sie von aufkommenden sozialen Bewegungen politisch und praktisch befruchtet wird. Wir gehen davon aus, dass sie weiterhin demokratische und soziale Rechte verteidigt und imperialistische Kriege bekämpft. Das Parlament kann dafür als Tribüne der Propaganda genutzt werden. Wir werden die Partei Die Linke verteidigen, aber auch kritisieren, wo es notwendig ist. Zur Bundestagswahl 2009 treten wir ein für eine kritische Unterstützung der Partei Die Linke.“ (Nr. 164, Sommer 2009, S. 22)
IV. Eigene Stellungnahme
Ich will abschließend vier weitere Argumente für meine – sicherlich schon deutlich gewordene – Präferenz für eine Wahl der Linkspartei nennen:
1. Jeder Sitz mehr für FDP und Union (und damit für eine Regierungskoalition dieser Parteien) bedeutet einen stärkeren stärkeren ideologischen Erfolg für den Neoliberalismus, was auch alle Bemühungen links von den in der Linkspartei dominierenden Vorstellungen erheblich schwieriger machen.
2.a) Auch materiell ist davon auszugehen, daß eine FDP/Union-Koalition eine noch stärkere Abwälzung der Krisenlasten auf die Lohnabhängigen betreiben wird als auch von einer Fortsetzung der großen Koalition zu erwarten ist.
Die Linie der FDP steht für eine Kritik von rechts am gegenwärtigen Staatsinterventionismus der Großen Koalition. Dieser erfolgt zwar in erster Linie im Interessse des Großkapitals, federt aber im Moment noch für alle – wenn auch im stark unterschiedlichen Ausmaß – die Krisenlasten ab. Die FDP steht demgegenüber für reine Marktlösungen, die tendenziell im Interesse des Kleinkapitals (mit Betrieben mit geringerem gewerkschaftlichen Organisierungsgrad) liegen.
b) Auch die massive Ergänzung des traditionellen Blau-Gelb durch Schwarz-Rot (wodurch das Gelb zu Gold wird) läßt wenig Erfreuliches von dem weiteren Kurs der FDP erwarten.
4. Ein Union/FDP-Wahlsieg in Deutschland würde (zusammen mit dem zu erwartenden konservative Wahlsieg in Britannien [und dem ohnehin schon konservativ regierten Frankreich]) eine massive Verschlechterung des internationalen Umfeldes für den ansatzweise sozialdemokratischen Kurses der Obama-Administration in den USA bedeuten.
5. Ein Ende der Großen Koalition würde einer SPD in der Opposition die Möglichkeit zu einer kosmetischen Resozialdemokratisierung und Restabilisierung geben, woran m.E. auch die Linke links von der Linkspartei kein Interesse hat.
6. Dank der SPD dürfte auch im Falle, daß eine schwarz-gelbe Mehrheit in den letzten Tagen des Wahlkampfs noch verhindert wird, ausgeschlossen sein, die Linkspartei bundesweit Regierungspartei wird. Solange dies so ist, wirkt sie als kleineres Übel, an dem auch die Linken links von ihr ein Interessen haben sollten und zu allermeist auch haben (soweit sie nicht der Gegenstandpunkt sind, für den selbst der Faschismus kein größeres Übel ist).
PS.:
Falls ich wichtige Stellungnahmen übersehen habe, bitte links als Kommentare posten, vielleicht komme ich noch dazu, auf das eine oder andere im Rahmen eines Nachtrags einzugehen.
Nachträge:
++ Grüne Jugend: Demokratie lebt von Partizipation
++ Redical [M]: Unsere Wahl heißt Widerstand
++ [’solid]: „Kritisieren, Alternativen aufzeigen, engagieren, organisieren und eben auch Kreuzchen machen.“
► Anarchosyndikalistische Jugend Berlin: Interview mit der Jungen Welt zur Antiwahlkampagne
► Mnementh: Warum es sich lohnt, Kleinparteien und Einzelkandidaten zu wählen; vgl. zu Grund 2 hier im Haupptext bei FN 10 (Abschnitt „Alternativen zur Linkspartei“).
► Veranstaltungshinweis bei Neoprene: Podiumsdiskussion 24.29.09 Stuttgart: Die LINKE wählen – eine geeignete Alternative? (+ Kommentar zu einem Kommentar zum hiesigen Beitrag)
► zur Demo in Mannheim ist eine gemeinsame Bahnfahrt aus Freiburg organisiert: „Abfahrt: 09:45 Uhr, Gleis 2, Freiburg HBF Kosten p.P.: 5-6 €“ (Erste Ergänzung [Raus aus der Provinz, … / autonome 24.09.2009 – 09:21] zu: http://de.indymedia.org/2009/09/261736.shtml)
► Indymedia 1: Infos & Links zum Nicht- od. doch Wählen gehe (mit Kommentaren von Grundeinkommens-Fans, die FDP-Wählen für das kleinere Übel halten)
► Indymedia 2: Wider die „Piraten“ (mit einigen Piraten-Kommentaren, die sich auf den Schlips getreten fühlen).
► Friedrich Engels: Die politische Aktion der Arbeiterklasse (1871).
► Mädchenblog: Piratenpartei – Frauenpolitik egal
Vgl. auch noch:
► Angela Klein (ISL): Betrachtungen zum Ausgang der Landtagswahlen vom 30.8.2009
► Heino Berg (schreibt auch auf der Seite der SAV): Mitmachen, um auszusteigen?
► meine Anmerkung zu einem früheren Text von Heino Berg: Zur Programm-Kritik von Thies Gleiss und Heino Berg.
Fortsetzung:
http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/09/25/was-waehlen-teil-ii/.
- Bei einem Einzug der NPD in den Bundestag, die mit 4,3 % an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, wäre ein Rückschwenk der FDP zur Union sowie eine Fortsetzung der Großen Koalition und hypothetisch auch eine schwarz-braune Koalition in Betracht gekommen. [zurück]
- http://www.tagesschau.de/wahl/umfragen/deutschlandtrend876.html (17.09.); Anfang Sept. 2008 (die letzte Umfrage vor dem Rücktritt Becks als SPD-Vorsitzender) dagegen umgekehrt: 47 zu 49 Prozent (http://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend/deutschlandtrend392.html). Erste Umfrage nach dem Beck-Rücktritt: Patt (48 zu 48) (http://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend430.html). 2.10.08, noch eine Umfrage später: Das Verhältnis dreht sich um (48 zu 47) (http://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend446.html). – Im Verhältnis zu Anfang Sept. 2008 blieben SPD und Grüne stabil, während die Linkspartei 2 Prozentpunkte verlor. Im anderen ‚Lager‘ verlor die Union leicht (1 Punkt), während die FDP 3 Punkte gewann. – Die Finanzmarktkrise scheint also – auf der Umfrageebene (nach Infratest zu urteilen) – einen deutlichen Ruck in Richtung Neoliberalismus ausgelöst zu haben, was aber nur die Gegentendenz zur nunmehr stärker staatsinterventionistischen Regierungspolitik sein dürfte. [zurück]
- http://www.fr-online.de/_import/onlinewerft/afp_grafiken/politbarometer/index.html. Ende Aug. 2008: ebenfalls 49 zu 46 Prozent. Hier ist die inner-‘linke‘ Verteilung gleich geblieben; die Union verlor vier Punkte, die FDP gewann vier. [zurück]
- http://www.rtl.de/rtlaktuell/buwahl09_sonntagsfrage.php (ohne genaue Datumsangabe); http://www.stern.de/wahl-2009/umfrage/stern-rtl-wahltrend-tv-duell-nuetzt-spd-und-cdu-1509182-infographic.html (17.-13.09.) (die interne Verteilung beider ‚Lager‘ ist in beiden Umfragen unterschiedlich. Bei RTL stammt die älteste Umfrage aus dem Mai 2009; der Stern nennt dagegen auch die Zahl vom August 2008: 49 zu 44 Prozent (die Gewichte verschieben sich von der Union zu FDP sowie von Linkspartei zu SPD und Grünen). [zurück]
- http://www.faz.net/s/Rub4D6E6242947140018FC1DA8D5E0008C5/Doc~EAB7357638589470496F63602B8BE2E6D~ATpl~Ecommon~SMed.html. Im Vergleich zum August 2008 ist die FDP stärker gestiegen, als die Union gefallen; und die SPD gestärker gefallen, als die Grünen gestiegen (immerhin soviel läßt sich der nicht detailliert bezifferten Graphik entnehmen). [zurück]
- http://www.n24.de/news/newsitem_5436125.html. (Emnid-Umfragen vom Aug. od. Sept. 2008 habe ich nicht finden können.) [zurück]
- http://wahlarchiv.tagesschau.de/wahlarchiv/eu/index.html. [zurück]
- Auch dem Genossen Hunko sei darher mein Text über das angeblich „falsche Bewußtsein“ zur Lektüre empfohlen: http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/09/15/warum-ideologie-kein-notwendig-falsches-bewusstsein-ist-und-aus-einer-erkenntnis-nicht-automatisch-eine-bestimmte-politische-haltung-folgt/ [zurück]
- „Claudia Roth verrät auch nicht, dass sie ihre gut bezahlte Karriere nicht dank „höchster Bildung“ begann, sondern weil die grüne Bundestagsfraktion 1985 eine Pressesprecherin brauchte, am besten eine harmlose, strömungsübergreifende Person. Roth gab sich damals irgendwie links und einige EntscheidungsträgerInnen waren davon beeindruckt, dass sie mal Ton, Steine, Scherben gemanagt hat. Wir wissen wie es wirklich war: die Scherben haben ihrer nervigen Mitarbeiterin eines Tages die Stellenanzeige der Grünen hingelegt und waren erleichtert, als die damals noch deutlich linkeren Grünen so töricht waren, diese Frau einzustellen.“ [zurück]
- § 18 IV 1 Parteiengesetz: „Anspruch auf staatliche Mittel gemäß Absatz 3 Nr. 1 und 3 haben Parteien, die nach dem endgültigen Wahlergebnis der jeweils letzten Europa- oder Bundestagswahl mindestens 0,5 vom Hundert oder einer Landtagswahl 1,0 vom Hundert der für die Listen abgegebenen gültigen Stimmen erreicht haben; für Zahlungen nach Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 muss die Partei diese Voraussetzungen bei der jeweiligen Wahl erfüllen.“ [zurück]
- Zu Arbeiterpolitik und Arbeiterstimme:
„In einer personellen und programmatischen Kontinuität zur KPO stehen die Gruppe Arbeiterpolitik (ARPO) und die Gruppe Arbeiterstimme, welche auch beide Literatur der KPO vertreiben. […]. Der KPO gehörte auch der bekannte Kulturhistoriker Eduard Fuchs und zeitweise die Politologen Wolfgang Abendroth und Richard Löwenthal, der Literaturwissenschaftler Hans Mayer und der spätere Innensenator und zweite Bürgermeister Bremens Adolf Ehlers an.“
„Auf Weisung der Kommunistischen Internationale vollzog die KPD-Führung um Ernst Thälmann, Philipp Dengel und Heinz Neumann 1928 eine ‚ultralinke‘ Wende und konzentrierte ihren Kampf auf den ‚Hauptfeind‘ SPD (Sozialfaschismusthese). Die früheren KPD-Vorsitzenden Heinrich Brandler und August Thalheimer lehnten diesen Kurs ab. Sie kritisierten auch die Politik, eine Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition (RGO) neben den offiziellen Gewerkschaften zu bilden, und allgemein die Unterordnung der KPD unter die KPdSU. Die interne Entwicklung in der Sowjetunion begann man erst später im Exil mit den Moskauer Prozessen zu kritisieren. Brandler und Thalheimer plädierten für den gemeinsamen Kampf von SPD und KPD gegen den Nationalsozialismus und wurden deshalb aus der KPD ausgeschlossen. Sie gründeten daraufhin die KPD-Opposition, die aber eine kleine Splittergruppe mit 3000-4000 Mitgliedern blieb. Die Mitgliedschaft rekrutierte sich aus Gewerkschaftsfunktionären, Kommunalpolitikern und Intellektuellen (bspw. Heinrich Blücher). Es gab Hochburgen in Sachsen, Thüringen – in Neuhaus am Rennweg und Oelsnitz stellte die Partei mit Otto Engert und Otto Karl Bachmann die Bürgermeister –, Hessen und Württemberg). In Oberhausen und anderswo schlossen sich aus Protest gegen die RGO-Politik der KPD etliche profilierte KPD-Gewerkschafter der KPO an. […]. Die KPO gehörte mit einigen verwandten Gruppen u.a. in Schweden, den USA, Frankreich und der Schweiz der Internationale Vereinigung der Kommunistischen Opposition (IVKO) an, welche jedoch bis 1939/40 zerfallen war. Die KPO gab die mehrmals in der Woche erscheinende Zeitung Arbeiterpolitik, einige regionale Zeitungen und das auf einem hohen Niveau stehende Theorieorgan Gegen den Strom heraus, die IVKO publizierte im Wesentlichen unter Federführung der KPO die Zeitschrift Der Internationale Klassenkampf. Der Jugendverband KJO gab den Jungen Kämpfer heraus. […]. Im Herbst 1931 schloss sich eine Minderheit der KPO-Mitglieder um Paul Frölich, Jacob Walcher und August Enderle einschließlich der in Kommunalparlamenten vertretenen Gruppen in Offenbach am Main um Heinrich Galm und in Geesthacht um August Ziehl der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) an, einer Linksabspaltung der SPD, wo die ehemaligen KPO-Mitglieder auf Grund ihrer großen politischen Erfahrungen die Politik der Partei beeinflussten.“
(http://de.wikipedia.org/wiki/Kommunistische_Partei-Opposition)[zurück]
Ich kann mich deiner Argumentation nur anschließen, sie ließe sich allerdings verkürzt vielleicht auch in etwa so darstellen, dass man einfach grundsätzlich unterscheiden muss zwischen parlamentarischer Demokratie und einer wie auch immer gearteten von linksradikalen Kreisen gefo/örderten sozialen Revolution. Letztere ist in absehbarer Zeit nur Utopie, wohingegen uns die Wahl wenigstens die Möglichkeit gibt, faktisch und konkret Einfluss zu nehmen auf die sog. bestehenden Verhältnisse.
Von mir aus auch nur in geringem Maße, aber immerhin.
Die sog. radikale Linke ist einfach nicht in der Lage zwischen Zukunft und Gegenwart zu unterscheiden. Sicherlich ist die Die Linke nicht das Paradies, aber sie ist zum einen besser als der Rest und zum anderen kann die sog. radikale Linke ihre Protestformen ja auch unter einer potentiellen^^ Regierung der Linken fortführen und damit progressiv auf die Gesellschaft einwirken.
Ausführliche und angenehm lesbare Zusammenschau der Stellungnahmen einiger Dann-doch-wieder-Parlamentarismusfreundinnen. Danke jedenfalls dafür.
An dieser Stelle kümmert mich nicht, dass Deine Annahme, eine schwarz-gelbe Regierungsbank müsse v.a. in sozialer Hinsicht noch schlimmer als eine schwarz-rote oder eine rot-grüne sich auswirken, durch die jüngere Vergangenheit nicht bestätigt (um nicht zu sagen: widerlegt) wird.
Wo es aber hinführt, wenn man sich auf die Arithmetik der Herrschaft einlässt, zeigen Deine vier/sechs Argumente: Sie münden nämlich logisch in eine Empfehlung, volles Pfund die SPD anzukreuzen.
Na, macht ja sowieso nichts.
Lange Rede, kurzer Sinn: Das kleinere Übel wählen? Die alte deutsche Krankheit. Dann schon am ehesten ungültig, so man denn den Parlamentarismus anerkennt.
@ djalminho – 24. September 2009 um 0:01 Uhr
Ich bin im Großen und Ganzen mit Deinem straffenden Reformulierungsvorschlag einverstanden. Gegen Deine ‚Verzeitlichung‘ des Problems habe ich aber gewisse Bedenken: „Die sog. radikale Linke ist einfach nicht in der Lage zwischen Zukunft und Gegenwart zu unterscheiden.“
Die Zukunft wird ja nicht dadurch grundsätzlich anders, daß man/frau/lesbe heute genau das und ausschließlich das macht, was die Linkspartei macht.
Es geht also m.E. nicht nur darum, Kurzfristiges und Langfristiges zu unterscheiden. Vielmehr muß auch das Kurzfristige anders gemacht werden als es die Linkspartei und deren unkritischen UnterstützerInnen machen. Ich hatte versucht, daß in meinem Text anhand der unkritisch-schönfärberischen Wahlaufrufe der Kritischen Schriften und der ISL deutlich zu machen.
Entsprechendes gilt für den Kampf um Reformen: Die RevolutionärInnen sind nicht gegen Reformen, aber sie kämpfen teilweise für andere Reformen als die ReformistInnen – und v.a. kämpfen sie anders als die ReformistInnen um Reformen; s. http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/09/01/existenzgeld-mindestloehne-und-politisierung-richtige-und-falsche-reformforderungen/, Abschnitt „III. Kriterien zur Unterscheidung zwischen richtigen und falschen Reformforderungen und deren Anwendung auf Existenzgeld- und Mindestlohn-Forderung“.
@ Mazursky – 24. September 2009 um 9:01 Uhr
Nein, das habe ich weder gesagt noch gemeint. Was die jüngere Vergangenheit gezeigt hat, ist, daß die Große Koalition einen etwas softeren neoliberalen Kurs verfolgt hat, als die vorhergehende rot-grüne Koalition. Dies düfte mindestens zwei Gründe haben: 1. Die Grünen sind seit den 90er Jahren eine neoliberale Partei – und mittlerweile vielfach neoliberaler als SPD und Union – weshalb schwarz-rot einen softeren Neoliberalismus als rot-grün ergibt. 2. gemahnte der wahlpolitische Erfolg der Linkspartei – auch schon vor der ökonomischen Krise – dazu, den neoliberalen Kurs aus Integrations- und Stabilisierungsgründen einen Gang langsamer zu fahren, als vorher rot-grün.
Auch das habe ich weder gesagt noch gemeint: Allenfalls in ausgewälten Wahlkreisen scheint mir eine Diskussion geboten, vielleicht mit der Erststimme SPD-KanidatInnen zu wählen (aber auch da bin ich mir nicht sicher). Was die wichtigere Zweitstimme anbelangt: Solange es eine Partei links von der SPD gibt, die sich nicht nur im Null-Komma-X-Bereich bewegt, sondern kurz- oder mittelfristig parlamentsfähig ist, ist diese das kleinere Übel, das zu wählen ist.
@ Robert Capa – 24. September 2009 um 9:01 Uhr
Und worin besteht jetzt Dein Argument? -
Falls es von meiner Seite noch zusätzlicher Argumente bedarf – siehe auch noch hier:
http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/09/15/warum-ideologie-kein-notwendig-falsches-bewusstsein-ist-und-aus-einer-erkenntnis-nicht-automatisch-eine-bestimmte-politische-haltung-folgt/, Abschnitt „II. Kritik an der Verneinung des Kampfes um Teilziele und des Unterschiedes zwischen größeren und kleineren Übeln“
und
http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/09/03/lenin-antwort-der-antidemokratischen-aktion/.
http://neoprene.blogsport.de/2009/09/23/podiumsdiskussion-242909-stuttgart-die-linke-waehlen-eine-geeignete-alternative/#comment-39479
Danke für die gute Zusammenstellung, bestätigt meine Überlegungen. Allerdings sind Die-Linke-Direktkandidaten überwiegend vor allem in Brandenburg und Ostberlin aussichtsreich und werden dort auch einigen SPDlern ihren Platz klauen. Die Piratenpartei kommt etwas zu kurz, ist aber aus sozialistischer Sicht auch wirklich zu vernachlässigen, trotz einiger sehr angenehmer Einzelpositionen.
Was mir nicht genug herausgearbeitet wurde sind die – bei aller inhaltlichen Kritik – praktischen Vorteile einer starken Die Linke, also z. b. dass mehr Menschen für ihre unterstützenswerte politische Arbeit auch noch Geld kriegen können, als Abgeordnete_r oder sonstige_r Mitarbeiter_in, und sich auf diese Arbeit konzentrieren können. Die Linke macht eben auch Antifa-Arbeit, kleine Anfragen, hat eine Jugendorganisation, Bildungsträger … lauter Kram wo gute Arbeit geleistet wird. Auch wenn es mich bei vielen der Kandidaten echt schüttelt.
„die – bei aller inhaltlichen Kritik – praktischen Vorteile einer starken Die Linke, also z. b. dass mehr Menschen für ihre unterstützenswerte politische Arbeit auch noch Geld kriegen können, als Abgeordnete_r oder sonstige_r Mitarbeiter_in, und sich auf diese Arbeit konzentrieren können“.
Doch, das betonen Linke-Direktkandidaten schon recht stark, gerade gegen linkere Kritiker der Teilnahme der Partei an den Wahlen. Das zeigt, was für ein idyllisches Bild solche Denker/Politiker von diesem Staat haben: Erst semmelt der unsereinem ein Gürtel-enger-Schnallen-Programm nach dem anderen rein, läßt junge Leute „unsere“ Freiheit bis zum und am hindukusch verteidigen, dann aber besinnt er sich, ganz verantwortungsbewußt und volksnah, doch eines Besseren, geht in sich und beschließt, allen Antimilitaristen und Sozialabbaugegnern immerhin soviel Geld als Apanage zur Verfügung zu stllen, daß die ihre staatsfeindliche Wühlarbeit ohne die Geldsorgen durchhalten können, die deren Adressaten leider, leider doch nicht erspart bleiben kann. Da möchte man doch allen hier Beteiligten zurufen: Nur weiter So!
„Doch, das betonen Linke-Direktkandidaten schon recht stark“ Ich habe mich auf diesen Beitrag hier bezogen. Wieso habe ich ein idyllisches Staatsbild, weil ich Geldtransfers aus dem Staat in die Linke für nützlich halte?
„Wieso habe ich ein idyllisches Staatsbild, weil ich Geldtransfers aus dem Staat in die Linke für nützlich halte?“
Weil du diesem recht brutal nach innen und außen auftretenden imperialistischen Staat trotzdem hoch anrechnest, daß der ganz uneigenützig den parlamentarischen Linken Geld zukommen läßt. Fällt dir da nicht auf, daß es ihm da um den Parlamentarismus und nicht um die Linken und deren hehre Ziele geht? Sonst kriegen Revoluzzer doch von Schäuble auch keinen aufmunternden Schlag auf die Schulter sondern höchstns VS-Mitarbeiter auf den Hals.
Nebenbei, das Geld ist doch für die Linkspartei leider auch wirklich gut angelegt, so wie die den Leuten schon seit Jahren beibringt, daß sie eigentlich in diesem Staat aufgehoben sind, wenn man nur ein bißchen an den Auswüchsen feilt. „Lohnarbeit ja, 1-Euro-Jobs Nein“ hat die Linke vor einigen Jahren ihr Programm der Einbindung schön auf den Punkt gebracht. Das ist wirklich sein Geld wert. Für diesen Staat jedenfalls immer. Wenigstens da läßt der sich nicht lumpen.
Die Übertragung auf den Staat nimmst du vor, nicht ich. Dass die Linke inhaltlich nicht zur Identifikation einlädt, habe ich schon vorweggenommen – gerade deshalb beziehe ich mich ja explizit auf die Arbeit jenseits der Partei, die aus der Partei heraus stattfindet. Diese Arbeit wird eben um so mehr vom Staat gefördert je stärker Die Linke ist. Das kann ich ganz nüchtern feststellen ohne mir eine Deutschlandfahne in den Nacken zu tätowieren, auch wenn du mir grad versuchst das Gegenteil anzuhängen.
@ Neoprene – 24. September 2009 um 11:04 Uhr
Aber, daß tatsächliche Effekte nicht mit dem intendierten Zweck identisch müssen, hast Du auch schon mal festgestellt, oder?
Sicherlich geht es dem Staat, um den Parlamentarismus im allgemeinen und nicht um die Linke im besonderen. Aber ein funktionierender Parlamentarismus setzt voraus, daß die parlamentarischen AkteuerInnen eine gewisse finanzielle Ausstattung für ihre parlamentarische Arbeit und auch die Interaktion mit ihren WählerInnen zur Verfügung haben. Und freie, gleiche und geheim Wahlen schließen die Möglichkeit ein, daß an diese finanzielle Förderung – bei entsprechendem Wahlergebnis – auch (links)sozialdemokratische und sogar revolutionäre Kräfte kommen.
Gesellschaftliche und politische Verhältnisse funktionieren nicht so, daß irgendjemandE einen WILLEN hat, und dann ist es auch so. Vielmehr handelt es bei der Auswahl von Mitteln immer um die Abwägung von Chancen und Risiken der verschiedenen in Betracht kommenden Mittel, die nur ungefähr absehbar sind, teilweise auch um unvorsehbare Handlungseffekte – und das tatsächliche Resultat ist nie genau das, was irgendjemandE GEWOLLT hat, sondern das kontingente Resultat gesellschaftlicher und politischer Auseinandersetzungen.
Trotzdem würde ich meinerseits diesen finanziellen Aspekt geringer gewichten als Adrian, weil die finanziellen Mittel – jedenfalls ohne wirksame Kontrolle – immer auch (und in der bisherigen Praxis: häufig) zur Verselbständigung der parl. Apparate von sozialen Bewegungen führen können.
zu These 5:
Denke, dass eine „Resozialdemokratisierung“ der SPD kaum noch möglich ist, da sich die soziale Zusammensetzung der Partei in den letzten 25 Jahren so stark verändert hat, dass die soziale Basis für eine derartige Politik (anders als bspw. z.T. in den sozialdemokratischen Parteien der Schweiz oder Skandinaviens) in der SPD einfach fehlt (ausser es kommt zu einer Rückkehr von WASGlerInnen)
ansonsten kann ich mich den meisten Ausführungen von dir anschliessen
Sind Massive Rentenkürzungen („Rente mit 67″), eklatante Benachteiligung bzw. faktischer Ausschluss von Leuten mit niedrigem oder keinem Einkommen beim „Elterngeld“ und weitere Schritte zur Privatisierung von Lebensrisiken („Gesundheitsfonds“) wirklich das, was eine Rede vom „softeren neoliberalen Kurs“ rechtfertigt? Ach ja, zuletzt haben sie noch den Staatshaushalt für mehrere Jahre ans Kapital verschenkt.
Warum? Klar hast du was Anderes gesagt, aber wenn dein vorrangiger Zweck ist, die SPD in der Regierung zu halten (s. deine Argumente, v.a. #5), musst du dann nicht die ankreuzen? Oder gibt es einen Trick, die Kreuze für die Linke mit einem Junktim zu verbinden, dass die Partei aus der Opposition heraus ihre verkürzte Kapitalismuskritik fortsetzen und die Karrierenetzwerke von ideologisch gleichgesinnten Nachwuchspolitikerinnen und Wissenschaftlerinnen querfinanzieren muss?
Und wenn sich die parlamentsfähige Linke dann in zwei Jahren mit einer personell renovierten SPD und den Grünen zusammentut, um mal so richtig verantwortliche Regierungspolitik zu machen wie damals rot-grün, wirst Du dann deine Kreuze zurückverlangen? Und was ist dann bei der nächsten Abstimmung dein kleineres Übel oberhalb des Null-Komma-X-Bereichs? Vielleicht solltest du überhaupt mal die Streichung der 5-Prozent-Klausel durchsetzen, damit wenigstens immer ein kleineres Übel zur Verfügung steht.
Ich finde ja auch, dass es schlechtere Unterhaltungsprogramme gibt als das demokratische Wahlspiel. Aber muss man sich deshalb dran beteiligen und sich über die Regeln den Kopf zerbrechen?
@ Entdinglichung – 24. September 2009 um 17:42 Uhr
Ja, eine wirkliche Resozialdemokratisierung erscheint mir auch unwahrscheinlich. Ich hatte von „kosmetisch“ gesprochen.
So wie es nach Schmidt gewisse programmatische Korrekturen gab, dürfte es aber auch in einer etwaigen nach-Müntefering/Steinmeier/Steinbrück-Ära Korrekturen geben – irgendwann auch in der Frage einer bundesweiten Koalition mit der Linkspartei.
Der Unterschied scheint mir allerdings u.a. zu sein:
++ Die Grünen wurden durch diese Korrkturen nicht wirklich in ihrem WählerInnenpotential beeinträchtigt, weil sie mit der Ökologie ein neues – und duchaus zeitgemäßes – politisches Projekt hatten.
++ Die Linkspartei hat dagegen ein solches Projekt nicht, sondern will in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit nur zur sozialdemokratisch-fordistischen Zeit zurück – und wäre daher durch minimale Korrekturen der SPD wahrscheinlich viel stärker beeinträchtigt.
@ Mazursky – 24. September 2009 um 19:27 Uhr
Naja, zumindest scheine ich mit meinem Eindruck nicht ganz alleine zustehen – wenn Du die Protest gegen diese Maßnahmen mit den Protesten gegen die Agenda 2010 vergleichst. Ansonsten:
++ „eklatante Benachteiligung bzw. faktischer Ausschluss von Leuten mit niedrigem oder keinem Einkommen beim ‚Elterngeld‘“. Lt. Wikipedia gibt es „maximal 67 Prozent des wegfallenden bereinigten Nettoeinkommens des Antragstellers, maximal 1800 Euro im Monat.“ und „Für Geringverdiener ist eine oberhalb von 67 Prozent liegende Elterngeld-Summe festgelegt: pro zwei Euro unterhalb von 1000 Euro steigt der Prozentsatz jeweils um 0,1 Prozentpunkte auf maximal 100 Prozent. Bei Einkommen unter 340 EUR beträgt das Elterngeld somit 100 % des zuvor erzielten Einkommens.“
Das kann zwar als unzureichend kritisiert werden. Aber: Eine Berechnung der Höhe einer Lohnersatzleistung nach dem vorhergehenden Einkommen ist ja nun wohl klassisch sozialstaatlich und nicht besonders neoliberal – und es gibt noch eine Kappungsgrenze für Höchsteinkommen (max. 1.800 Euro) und für GeringverdienerInnen gibt es einen – wenn auch nur symbolischen – Zuschlag.
++ „Staatshaushalt für mehrere Jahre ans Kapital verschenkt“. Bisher wird Geld verteilt, das sich der Staat auf dem Kapitalmarkt leiht. Auch das ist klassisch keynesianisch. Neoliberal wird das erst in dem Maß, wie die Steuern auf den Massenkonsum und Niedrigeinkommen für Zins und Tilgungen angehoben werden. – Und für die Frage, in welchem Ausmaß das geschieht, ist es sicherlicher relevant, ob die FDP in der Regierung sitzt oder nicht.
Das ist nicht mein Hauptzweck, sondern ein Nebenzweck. Und zur Erreichung dieses Nebenzwecks reicht es aus, Linkspartei zu wählen.
Wenn die Große Koalition jetzt fortgesetzt wird, es ist sehr unwahrscheinlich, daß sich die SPD „personell renoviert“ und in laufender Legislaturperiode die Koalition wechselt. – Und bis dahin ist immerhin Zeit gewonnen, um innerhalb und außerhalb der Linkspartei zu diskutieren, wie mit einer solchen Situation umzugehen ist.
Nein, die Linkspartei in der Regierung würde (nahezu) nicht mehr als kleineres Übel fungieren. In Berlin ist sie ja Vorreiterin der Sparpolitik gewesen.
Du müsstest dich, einer schlüssigen und verallgemeinerungsfähigen Argumentation zuliebe, schon einmal entscheiden, ob du davon ausgehst, dass (d)eine positive Wahlbeteiligung einen Einfluss hat, z.B. auf die Größenverhältnisse der Fraktionen im Parlament.
Du möchtest also
1. keine andere „linke“ Partei wählen, weil die eh keine Chance hätten, ins Parlament zu kommen,
2. darum die Linke parlamentarisch möglichst stark machen,
3. sie aber gleichzeitig unbedingt in der Opposition halten.
Steht auf dem Wahlzettel neben dem Feld für die Linke tatsächlich: „Ich kreuze hier an unter der Bedingung, dass das nicht zu viele andere Leute auch machen, damit die Linke höchstens x% kriegt, u.a. damit die SPD stark genug bleibt, als kleiner Partner einer großen Kolatition weiterzumachen, statt nach einem für sie verheerend schlechten Ergebnis auf die Idee zu verfallen, später mit der Linken und den Grünen zusammen eine Regierung zu bilden, wo mir dann gar nichts mehr zu wählen übrig bliebe. Außerdem verbinde ich mit meinen Stimmen für die Linke die politische Aussage ________, auch wenn mich die Erfahrung lehrt, dass die Kreuze die Abgeordneten politisch auf überhaupt gar nichts verpflichten.“
Na guck doch Sonntag mal, ob das da steht, und sag‘ mal Bescheid.
Worauf das alles hinausläufst, deutest du ja selbst an: Du behauptest, die Linke funktioniere für dich nur als kleineres Übel, andererseits erkennst Du schon jetzt an, dass es „innerhalb und außerhalb der Linkspartei“ Diskussionsbedarf für den Fall geben wird, dass die SPD ihr Führungspersonal auswechselt und mit der Linken koalieren möchte. Worüber wäre denn da zu diskutieren? Ob du und die anderen klugen Taktikerinnen ihre Kreuze zurückbekommen?
@ Mazursky – 24. September 2009 um 22:29 Uhr
So kompliziert ist es doch nun wirklich nicht:
Logisch hat eine Wahlbeteiligung einen Einfluß auf die „Größenverhältnisse der Fraktionen im Parlament“. Wie kommst Du darauf, ich könnte das evtl. anders sehen?!
Ja, weil im Falle einer Regierungsbeteiligung der positive Effekt der Propaganda und Druckausübung für teilweise richtige Inhalte durch die Linkspartei durch deren Ein- und Unterordnung unter ein gemeinsames Koalitionsprogramm mit SPD (und Grünen) aufgehoben würde. Die volle Aufrechterhaltung der Freiheit der eigenen Agitation, Propaganda und Tätigkeit ist aber – wie Lenin erkannte – das A und O jeder Bündnispolitik.
Durch das Unterschreiben einer inhaltlichen Koalitions- oder Tolerierungsvereinbarung würde diese Freiheit wegfallen.
Näheres dazu unter:
http://theoriealspraxis.blogsport.de/images/Keine_Opposition.pdf, S. 59 f. – die dort referierte Position wird insoweit nach wie vor von mir geteilt (ungeachtet der nachfolgenden Kritik zu anderen Aspekten).
Wie Dir vielleicht schon aufgefallen ist, versuche ich potentielle Nicht-WählerInnen und potentielle WählerInnen von DKP, MLPD, PSG und Piraten zu überzeugen, daß es richtiger ist, Linkspartei zu wählen.
Diesbzgl. ist im Moment kein so großer Erfolg abzusehen, daß dies der Großen Koalition ihre Mehrheit kosten würde. Und wenn – dann wäre es so. Auch für eine solche Situation hätte ich Vorschläge. Sie im Moment zu diskutieren, ist aber müßig.
Gerade dann würde die SPD keine Koalition mit der Linkspartei eingehen (können). Ein solches Experiment würde noch katastrophaler als das von Ypsilanti in Hessen ausgehen.
Über Organisierungsperspektiven jenseits der Linkspartei – wofür ich allerdings keinesfalls optimistisch bin, in Anbetracht des Zustandes der Linken in der Linkspartei und der Organisationsfeindlichkeiten der meisten Linken außerhalb der Linkspartei. Solange sich das nicht ändern läßt, ist eine Linkspartei als möglichst starke parlamentarische Oppositionspartei tagespolitisch das Beste, was im Moment zu haben ist.
Und der Rest ist u.a. Theorie als Praxis – in der Perspektive am Zustand der Linken in der Linkspartei und der Organisationsfeindlichkeiten der meisten Linken außerhalb der Linkspartei und zahlreichen anderen Problem etwas zu ändern.
Nee, ist auch gar nicht kompliziert, aber du machst es uns so!
Bevor wir uns organisieren, statt die Zeit mit Nebensächlichkeiten zu verschwenden, möchte ich dich nur nochmal spielerisch bei deinem Argument (positiver Effekt der Propaganda und Druckausübung) nehmen: Gerät dieser Effekt nicht umso kleiner, je stärker die Linke im Parlament vertreten ist und je näher damit ihre Funktionärsebene an die Möglichkeit gelangt, machtpolitische Bündnisse zu erwägen? Denk nur mal an Thüringen, wo sie anscheinend fix bereit sind, entgegen allen systemischen Gepflogenheiten zugunsten der Regierungsbeteiligung sogar auf den führenden Posten zu verzichten.
Demnach: Wenn eine sich möglichst aufsässige (freilich immer: falsch begründete) Opposition von der Linken im Bundestag wünscht, dürfte sie sie nach deiner Analyse momentan gar nicht wählen. Denn dass die Linkspartei – auch ohne die Kreuze von dir und von potentiellen DKP-, MLPD-, PSG- und Piratenwählerinnen – die 5% nicht schaffen könnte, nimmst du anscheinend nicht an.
Mal von der Frage abgesehen, was Lenin über ein taktisches Bündnis mit der Linkspartei gedacht haben würde, und auch außer Acht lassend, dass viele die Wirkung der Linkspartei auf die außerparlamentarische Linke entgegengesetzt zu dir bewerten:
Welchen Prozentsatz (sagen wir +/- 2?) braucht es d.M.n., damit die Linksfraktion die von dir gewünschte Rolle am besten spielen kann?
@ Mazursky – 25. September 2009 um 1:21 Uhr
Nein.
a) hängt zuletztgenannte Möglichkeit ja nicht von der Stärke der Linkspartei allein, sondern von dem Kräfteverhältnis zwischen den Parteien ab. (Auch eine 5 %-Partei kann zur Mehrheitsbildung benötigt werden.)
b) Es handelt sich m.E. nicht um ein quantitatives Problem (‚Umso mehr Sitze umso reformistischer, sondern um den qualitativen Unterschied zwischen Regierungs- und Parlamentspolitik.)
Da ich unter gegenwärtigen und absehbaren Bedingungen dagegen bin, überhaupt in die Regierung zu wollen, ist das ja nun kein Argument gegen meine Position. (Für diejenigen, die das mit der Regierungsfrage anders sehen, kann dagegen m.E. sogar die Thüringer Variante Sinn haben.)
Wie gesagt: m.E. ist das keine quantitative Frage. (Ganz allgemein kann aber vermutet werden, daß, wenn es nicht 10, sondern 40 Prozent [Links]sozialdemokratInnen gäbe, zugleich die Massenrelevanz von Veranstaltungen links davon zunehmen würde [Linksverschiebung des gesamten politischen Klimas] und es dann ein linkeres wählbares kleines Übel gäbe. – Sind wir aber weit, weit von entfernt.)
p.s.: bei dem von dir zitierten Aufruf von SPD-GewerkschafterInnen handelt es sich um die „LambertistInnen“ der Internationalen Sozialistischen Arbeiterorganisation (ISA) – http://www.sopode.de/ – die es sich inzwischen wohnlich in der Gewerkschaftsbürokratie eingerichtet haben … m.W. die einzige T-Gruppe, die noch am Entrismus in der SPD festhält
Ich beginne zu ahnen, dass wir auch den Einfluss, den die Partizipation einer hierarchischen Organisation an Macht, Ämtern und Geld auf die innere Verfasstheit dieser Organisation unter hiesigen Bedingungen hat, sehr unterschiedlich beurteilen.
Du scheinst tatsächlich anzunehmen, dass eine Veränderung des politischen Klimas wesentlich herbeigewählt werden kann: Beim nächsten Mal dann das nächstlinkere kleine Übel, um die Gesellschaft noch weiter nach links zu wählen.
Unter der Prämisse ist es freilich unabdingbar, beim Ankreuzen mitzumachen. Ich hoffe, die Funktionäre der Linkspartei wissen, was du von ihnen erwartest.
@ Entdinglichung – 25. September 2009 um 12:49 Uhr
Danke für den Hinweis.
@ Mazursky – 25. September 2009 um 13:14 Uhr
Nein, ein Klima kann nicht herbeigewählt werden, aber ein Klima, das sich nicht auch in Bezug auf die Staatsapparate – sei es in Form von Wahlkreuzen oder des Sturms auf das Winterpalais (der auf absehbare Zeit nicht ansteht) – artikuliert, bleibt auch einfach eine Stimmung – ohne Folgen.
Siehe noch einmal:
http://theoriealspraxis.blogsport.de/images/Keine_Opposition.pdf, diesmal S. 57 bei FN 13.
Und ein Klima läßt sich zwar nicht herbeiwählen. Aber eine Wahl ist ein weiterer Anlaß, ein paar Argumente vorzubringen und zu einem Klima beizutragen.
(Und das, was ich hier im Zusammenhang mit den Wahlen schreibe, scheint mir durchaus in einem konsistenten Zusammenhang mit meiner Kritik an der ‚Faschismustheorie‘ des Gegenstandpunkts sowie dem, was ich zu Bündnispolitik und dem Umgang mit dem juristischen Staatsapparat im Rahmen von Antirepressionsarbeit – unabhägngig von den Wahlen – geschrieben hatte, zu stehen:
http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/09/03/ns-und-demokratie-verhalten-sich-zu-einander-nicht-wie-rosenkohl-und-sauerkraut/
http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/09/06/versuch-einiger-entwirrungen-in-sachen-solidaritaetsarbeit/
http://interkomm.so36.net/archiv/2008-08-30/nse.pdf.)
Keine Ahnung. Da müßtest Du vielleicht erst einmal erklären, was Du genau mit „hierarchisch“ meinst.
Ich hatte ja zumindest schon geschrieben: „Trotzdem würde ich meinerseits diesen finanziellen Aspekt geringer gewichten als Adrian, weil die finanziellen Mittel – jedenfalls ohne wirksame Kontrolle – immer auch (und in der bisherigen Praxis: häufig) zur Verselbständigung der parl. Apparate von sozialen Bewegungen führen können.“ (24. September 2009 um 13:39 Uhr)
Das scheint mir durchaus ein offenes Problem zu sein: Die ‚technischen‘ Mechanismen, die sich die Grünen anfangs überlegt hatten (Rotation, imperatives Mandat, Diäteabführungen), hatten sich als nur sehr begrenzt wirksam erwiesen. Daß das bei einer Partei mit anderer Haltung und Programmatik genauso schieflaufen muß, halte ich allerdings nicht für ausgemacht. Die Grünen waren nie eine revolutionäre Partei und wollten nie eine sein.
Klar scheint mir allerdings zu sein: Wer/welche sich von Ämtern (Abgeordnete, Rundfunkrat, Betriebsrat, Hochschulgremien und was es sonst so gibt) einfach fernhält, fungiert auch nur bestenfalls als Putzgruppen-Unterstützung des kleineren Übels, dem aber das politische Feld ganz allein überlassen wird, oder er/sie ist gar zu völlig Unwirksamkeit verdammt.
S. den Text von Libertären Tagen 1987:
http://theoriealspraxis.blogsport.de/images/Langlauf_od_Absturz.pdf, S. 6 f.
Zum Beispiel der Grünen: Ihr Verzicht auf die technischen Mechanismen zur Kontrolle der Funtionärsebene veranschaulicht ja gerade, was passiert, wenn das politische Klima nicht nach fundamentalen Veränderungen ist und die Wahl einen rein technokratischen Akt darstellt. Vielleicht hast du andere Erkenntnisse, ich jedenfalls sehe bei der Linkspartei, qualitativ wie quantitativ, noch weniger fundamentalen Reformismus als bei den Grünen vor ihrer Säuberung und Konsolidierung als prokapitalistische Biojoghurt-FDP Ende der 80er. Deine Vorstellung über die Möglichkeiten der Indienstnahme der Apparate für die Agitation erscheint mir viel zu mechanistisch, jedenfalls im Hinblick darauf, für die Ausübung des aktiven Wahlrechts zugunsten einer Partei – Wahl einer quasi-anonymen Listenverbindung ohne weiteres konkretes politisches Mandat – zu werben, was ja der Ausgangspunkt war.
@ Mazursky – 25. September 2009 um 15:12 Uhr
Das sehe ich haargenauso wie Du – weshalb es wahrscheinlich nicht falsch war, in den 80ern Mitglied der Grünen gewesen zu sein, aber ich keinen Sinn daran sah oder sehe, in PDS bzw. Linkspartei einzutreten.
Das macht aber das Wählen der Linkspartei nicht falsch.
Ich kann den natürlich nicht durch mein Wählen pauschal für meine Inhalte in Dienst nehmen. Aber ich kann feststellen, daß der – ganz unabängig davon, was ich denke und meine – manchmal für das richtige agitiert – und deshalb und dafür ist es sinnvoll, ihm die Stimme zu geben, solange es nicht besseres gibt (und auch keine realistische Perspektive dafür, besseres aufzubauen).
(Zum Thema Organisierung siehe auch noch:
http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/08/25/radikal-interview-mit-der-militanten-gruppe-zu-organisierung-des-revolutionaeren-widerstandes-teil-iv-der-rezension-zu-radikal-nr-161/
und
http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/09/12/doku-ich-sag-wies-ist/.