- „Gegenstandpunkt“ de-constructed -
Zugleich Anmerkungen zum Verhältnis von Recht, Moral und Politik, von Faschismen und bürgerlicher Demokratie sowie zum Wert (= Nutzen, bevor es neue Moral-Mißverständnisse gibt) demokratischer Formen
In Reaktion auf meinen Text 2 × 4 begrifflich-logische Vorschläge, um nicht an einander vorbeizureden warf mir die Antidemokratische Aktion (Abschnitt II.) vor, ‚moralisch’ zu argumentieren. Da ich meinen Text nicht im geringsten als „moralisch“ empfand (vielmehr ging es um Begriffsklärungen), und da ich auch ansonsten keinE AnhängerIn des Moralismus bin (s. bspw. hier und hier), fragte ich nach, was denn wohl im vorliegenden Fall mit „moralisch“ gemeint sei. Statt eine Antwort auf die Frage, bekam ich den Hinweis, daß Definitionen eh ‚böse‘ seien, ins Lager der FeindInnen gehören („bürgerliche Wissenschaft“) (+ div. Kommentare).
Nun ja. Mittlerweile ist die Diskussion bei politischeren Themen angekommen. Porada ninfu, der/die der Antidemokratischen Aktion beisprang, vertritt folgende Positionen
a) Er/sie kritisiert, daß ich „der Demokratie im fiktiven Notfall die Stange halten“ will (porada ninfu – 27. August 2009 um 13:34 Uhr, 2. Abs.).
b) „Für Antifa-Arbeit bin ich zum Beispiel gar nicht, weil Nazigrüppchen mir nicht das Leben schwer machen. Das sind der Kapitalismus und die Demokratie.“ (porada ninfu – 27. August 2009 um 13:34 Uhr, 3. Abs.)
Außerdem brachte er die folgenden ‚Moral-Theorie‘ in die Diskussion ein:
„Alle wollen das Eigentum und damit sie ihrem Interesse als Eigentümer nachgehen können, brauchen sie einen Staat der sie gegenseitig auf den Ausschluss vom Reichtum verpflichtet. Weil sie den Staat als Gewaltsubjekt ihres Gemeininteresses wollen, gibt es Moral überhaupt nur.“
Bei diesem Stand der Debatte schrieb ich folgenden Text A. als Zwischenresümee. Danach gab es noch mehrere Antworten der Antidemokratischen Aktion und von porada ninfu. Auch weitere Leute schalteten sich in die Debatte ein. Dann schrieb ich als Antwort meinen anschließenden Text B. Außerdem hatte die Antidemokratische Aktion (FN 1) noch einen Text über einen Vortrag von Peter Decker (vom „Gegenstand“) zur Lektüre empfohlen. Auf diesen antwortet mein untenstehender Text C.
Okay, dann scheint mir, können wir die Debatte wie folgt resümieren:
I. Zur Ausgangskontroverse
1. Es gibt keine natürliche Beziehung zwischen den Sachen und den Wörtern. Es ist möglich, das mit dem Wort „Stuhl“ bezeichnete Objekt statt dessen auch bspw. mit dem Wort „Blar“ zu bezeichnen (Krim – 24. August 2009 um 13:09 Uhr, 1. Abs.). In diesen und anderen Fällen kann es – entgegen der ursprünglichen Position der Antidemokratischen Aktion – geboten sein, zwecks Vermeidung von Mißverständnissen Wort-Definitionen zu geben: „Wenn die Zuordnung [von Lautfolge und Sache] umstritten ist, muss eben geklärt werden, was unter einer Lautfolge jeweils verstanden wird.“ (Krim – 24. August 2009 um 16:59 Uhr, 2. Abs.).
2. Mir ist weiterhin nicht hundertprozentig klar, was die Antidemokratische Aktion sowie Krim / porada ninfu (der Name wurde aufgrund von Problemen mit dem Spam-Filter gewechselt) mit dem Wort „Moral“ meinen; vor allem ist mir nicht klar, was sie denn als nicht-moralisch anerkennen würden. Allerdings hat sich bei mir der Eindruck verfestigt, daß die Differenz in einem unterschiedlichen Verständnis von „moralisch“ und „politisch“ liegt. Was für mich noch in die Kategorie „politisches Position beziehen“ fällt, fällt für die Antidemokratische Aktion sowie Krim / porada ninfu bereits in die Kategorie „moralisch“. Mein Fehler ist in den Augen von porada ninfu nicht, daß ich eine wissenschaftliche Analyse unterlassen würde, sondern daß ich die Ergebnisse der Analyse, die ich tatsächliche vornehme, einer politische Bewertung unterziehe (und daraus Konsequenzen für die politische Praxis ziehe): „Du sagst doch selbst, dass du eine Bewertung vornimmst. Ob deine Bewertung nun vor der Wissenschaft oder nach der Wissenschaft kommt ist auch egal.“ (porada ninfu – 27. August 2009 um 13:34 Uhr, 2. Abs.).
3. Folglich ist es meine Bewertung der bürgerlichen Demokratie als kleineres Übel gegenüber dem NS, die Krim / porada ninfu für „moralisch“ (und daher falsch hält): „Bloß sind Urteile wie schlimmer, harmloser, erträglicher überhaupt keine inhaltlichen Urteile.“ (porada ninfu – 27. August 2009 um 13:34 Uhr, 1. Abs) und außerdem schreibt porada ninfu, er/sie kritisiere meine „Art und Weise die Welt in große und kleine Übel einzuteilen“ (ebd., 3. Abs.). (Allerdings habe ich den Eindruck, daß er/sie nicht nur meine Art und Weise dieser Einteilung kritisieren will, sondern diese Einteilung überhaupt für die falsche Art und Weise hält. – Aber diese Differenz ist in Anbetracht alles anderen nicht mehr besonders ausschlaggebend.)
porada ninfu (ebd., 5. Abs.):
„[TaP:] ‚2. gibt es aktuell Nazis, die Politik machen und mit DemokratInnen konkurrieren. Dazu müssen sich KommunistInnen verhalten.‘[porada ninfu:] Ja und warum? Das da kein Argument steht ist ein Hinweis darauf, dass du das für selbstverständlich hältst. Gehört sich einfach.“
Das Argument war bereits früher genannt: Das jeweilige Kräfteverhältnis zwischen jenen und der Ausgang jener Konkurrenz hat Auswirkungen auf die Kampfbedingungen von KommunistInnen.
4. Auch mit den Konsequenzen für die politische Praxis ist Krim / porada ninfu nicht einverstanden: Weder sei es a) richtig, die (bürgerliche) Demokratie in einer Existenzkrise (die – in Anbetracht des Kräfteverhältnisses – nicht durch eine sozialistische Revolution beendet werden kann) gegen eine faschistische Gefahr zu stützen noch sei b) aktuell geboten, Antifa-Arbeit zu machen:
a) Krim / porada ninfu kritisiert, daß ich „der Demokratie im fiktiven Notfall die Stange halten“ will (porada ninfu – 27. August 2009 um 13:34 Uhr, 2. Abs.).
b) „Für Antifa-Arbeit bin ich zum Beispiel gar nicht, weil Nazigrüppchen mir nicht das Leben schwer machen. Das sind der Kapitalismus und die Demokratie.“ (porada ninfu – 27. August 2009 um 13:34 Uhr, 3. Abs.)
Sofern sich die Position der Antidemokratischen Aktion, die seit einiger Zeit schweigt, mit der von Krim / porada ninfu deckt, hätten wir dieses Ergebnis auch schon vor 1 1/2 Wochen haben können, wenn die ADA meine Bitte um Definition von „Moral“ nachgekommen wäre (statt eine Nebendiskussion über den angeblichen Unsinn von Definitionen anzufangen), und klar gesagt hätte, daß sie nicht nur meine Positionsbegründung für „moralisch“, sondern auch das Ergebnis und überhaupt die Unterscheidung zwischen größeren und kleineren Übeln für falsch hält.
Ansonsten halte ich noch fest:
Es gibt in der Sache (bisher) keine Antwort auf meine Ausführungen zum Unterschied zwischen bürgerlicher Demokratie und Faschismus/NS (TaP – 23. August 2009 um 21:16 Uhr, Abschnitt „Gibt es für KommunistInnen kein kleineres Übel?“).
II. Zur Nebendiskussion über Einzel- und Gemeininteresse
Zur Nebendiskussion über Einzel- und Gemeininteresse seien noch kurz folgende zwei Anmerkungen gemacht:
a) porada ninfu – 27. August 2009 um 13:34 Uhr, 7. Abs.:
„Natürlich gibt es ein Gemeininteresse im Kapitalismus. Alle wollen das Eigentum und damit sie ihrem Interesse als Eigentümer nachgehen können, brauchen sie einen Staat der sie gegenseitig auf den Ausschluss vom Reichtum verpflichtet. Weil sie den Staat als Gewaltsubjekt ihres Gemeininteresses wollen, gibt es Moral überhaupt nur. Wenn die Leute nur ihre Einzelinteressen hätten, würden sie alles wozu der Staat sie veranlasst als Zwang wahrnehmen, würden also auch nicht den ideellen Standpunkt des Gemeinwohls, der staatlichen Gemeinschaft einnehmen.“
„Natürlich“ ist kein Argument.
„Alle wollen das Eigentum“ / „die Leute“ sind unbegründete Verallgemeinerungen; jedenfalls für KommunistInnen gilt das jeweils nicht.
Das folgende ist ein unbegründeter Schluß vom Objektiven („brauchen“) zum angeblich auch subjektiv Gewollten: „damit sie ihrem Interesse als Eigentümer nachgehen können, brauchen sie einen Staat der sie gegenseitig auf den Ausschluss vom Reichtum verpflichtet. Weil sie den Staat als Gewaltsubjekt ihres Gemeininteresses wollen, […]“. Vielleicht nehmen sie ihn auch nur hin oder machen sich gar keine Gedanken darüber oder sind KommunistInnen oder AnarchistInnen und lehnen ihn ab.
Wenn alle Individuen in einer kapitalistischen Gesellschaft das Eigentum und den Staat „wollen“, wie soll dann überhaupt ein Übergang zum Kommunismus stattfinden können?
b) porada ninfu – 27. August 2009 um 13:34 Uhr, letzter Abs.:
TaP (vorletzter Abs.): „Auch im Kommunismus wird es Interessengegensätze geben.“
porada ninfu: „Sicher.“
Dann ist aber das vorhergehende statement von porada ninfu (26. August 2009 um 19:50 Uhr, 4. Abs.) unzutreffend:
„in einer Gesellschaft […], wo das Wohl des Einzelnen im Gegensatz zu allen anderen steht. Im Kommunismus gibt es diesen Gegensatz nicht. Da sind sich alle gegenseitig positives Mittel.“
Wenn es Interessengegensätze gibt, dann ist das Einzelinteresse also auch im Kommunismus nicht automatisch im Allgemeininteresse ‚aufgehoben‘ (für die Hegel-FreundInnen).
III. Resümee
Da Anwürfe wie „erbärmlich“ (porada ninfu – 27. August 2009 um 13:34 Uhr, 3. Abs.) keine Erwiderung Wert sind, scheint mir damit alles gesagt zu sein.
Die Differenz über Definitionen scheint ausgeräumt zu sein (Vielen Dank für die Hinweise, Popp: 26. August 2009 um 13:43 Uhr; 26. August 2009 um 15:57 Uhr). Die Kontroverse über „bürgerliche Wissenschaft“ erweist sich damit auch als Nebenkriegsschauplatz.
Über die Frage, ob die (bürgerliche) Demokratie gegenüber dem NS ein kleineres Übel ist, wurden Argumente ausgetauscht. Alle LeserInnen werden spätestens damit genug input haben, um zu einem eigenen Urteil zu kommen.
Die kurz gestreifte Frage, wie es sich eigentlich mit sozialistischer Demokratie verhält, müssen wir an dieser Stelle nicht unbedingt vertiefen.
Sofern die Antidemokratische Aktion die Welt nicht ganz anders sieht als Krim / porada ninfu hätten wir es damit m.E.
TEXT B.
ANTWORT AUF DIE ANTIDEMOKRATISCHE AKTION UND PORADA NINFU
I. Witz
@ Witzbold – 28. August 2009 um 7:14 Uhr
Zumindest, daß die ADA und porada ninfu einen sehr eigenwilligen Moral-Begriff haben, der nicht viel mit der Wikipedia-Definition zu tun hat, dürfte doch in der bisherigen Diskussion deutlich geworden sein…
Daß meine Position „moralisch“ i.S.d. der Wikipedia ist, hatte ich (mit Begründung) schon bestritten: mit moralischen „Werten“ habe ich nichts am Hut. Falls Du das anders sieht: Bitte Deinerseits eine Begründung liefern.
II. Willen contra Willen oder politische Kämpfe?
1. Zum Willens-Idealismus (‚Wille zum Eigentum, zum Staat‘ usw.)
@ Administrator – 27. August 2009 um 21:04 Uhr
„Na den Willen [zum Eigentum] müssen die [Leute] schon bleiben lassen, darum agitiert man ja auch.“
Dafür muß es ja aber erst einmal Leute geben, die agitieren wollen. „alle“ / „die Leute“ war also in der Tat – wie ich schon moniert hatte – eine unzutreffende Verallgemeinerung durch porada ninfu (es gibt ja in der Tat Leute, die ‚gegen das Eigentum’ agitieren).
Das war sicherlich auch kein Formulierungsmißgeschick seitens porada ninfus, sondern hinter der Formulierung steht ja wahrscheinlich eine bestimmte Ideologie- / Moraltheorie, die sich so paraphrasieren läßt: ‚Weil die Leute EigentümerInnen sind, wollen sie auch das Eigentum und zur Sicherung ihres Eigentums wollen sie auch den Staat. Und weil es den Staat gibt, gibt es schließlich auch Moral.’1
Ich zitiere wörtlich:
Das ist ja sicherlich nicht nur als bloße IST-Zustand-Beschreibung gemeint, sondern diese Formulierungen sollen wahrscheinlich beanspruchen – wie mit den Wörtern „damit“ und „weil“ ziemlich deutlich ausgedrückt ist – eine Kausalität zu benennen.
Aber diese Kausalität ist der reine Automatismus – ideologische Kämpfe? völlig abwesend! Daß es konkurrierende Moral-Vorstellungen gibt – auch nicht weiter erklärungsbedürftig.
‚Weil Eigentum, daher Interesse am Eigentum, daher Staat, daher Wille zum Staat, daher Moral.’
Wenn aber anerkannt wird, daß nicht „alle Leute“ das Eigentum und damit den Staat wollen und damit moralisch sind,
und vielleicht auch noch anerkannt wird, daß für die meisten Leute Staat und Eigentum etwas Vorgefundenes und Hingenommenes sind, ohne daß sie dazu einen spezifischen ‚Willen’ entwickeln,
dann bricht das ganze hermetische, gegenstandpunkt-lerische* Gebäude (Die Leute sind moralisch, haben einen Moral-Tick, nur die GSPler[innen?] nicht [Warum könnt Ihr Euch eigentlich jenem Kausalitätsmechanismus entziehen?].) zusammen:
* Stimmt doch meine Vermutung, oder? Zumindest lautet der erste Satz des von der ADA empfohlenen (FN 1) Berichts über den Decker-Vortrag: „Peter Decker vom Gegenstandpunkt stieg in sein Referat mit einer Kritik der bürgerlichen Faschismuskritik ein.“
2. Politisches Position beziehen versus Moralismus
Nun beanspruchen
porada ninfu – 27. August 2009 um 22:06 Uhr
und
Administrator 27. August 2009 um 22:21 Uhr
aber durchaus die Existenz politischer Bewertungen anzuerkennen und nicht alles als „moralisch“ abzubürsten:
„Nicht dass du politisch bewertest ist der Fehler, sondern dass das, was du als politische Bewertung bezeichnest keine ist,“
„Also nein, nicht jede (politische) Positionierung gilt mir als moralisch, sondern eben eine moralische.“
Dieser Anspruch scheint mir allerdings nicht besonders triftig. Gucken wir uns nur mal drei blogsport-Diskussionen der letzten Zeit an: die Diskussion bei der Brummkreisl-Pilotin über MaKss Damage, die Diskussion beim Mädchenblog über die Grünen Wahlplakate in Kaarst und diese Diskussion hier.
Jedes Mal kommen einige an und verwerfen die Position (der Pilotin2, des Mädchenblogs3, meine), die beansprucht politisch zu sein, als ‚bloß moralisch’. Zufall? Verblendung derjenigen, die gar nicht moralisch sein wollen, es aber trotzdem sind? Oder liegt es vielleicht doch an dem expansiven Moral- und minimierten Politik-Begriff der Kritiker(innen?)?
Zumindest gibt es zwei Indizien, die für eine Bejahung der letztgenannten Frage sprechen: Statt in der Sache zu diskutieren, werden Nebenkriegsschauplatz eröffnet (hier die Diskussion über Definitionen – anstatt schlicht zu sagen, was mit dem als unklar wahrgenommenen Wort „Moral“ gemeint ist). Und zumindest bei der Pilotin4 und beim Mädchenblog wurde auch nicht selbst Position bezogen und damit praktisch gezeigt, was als ‚wirklich politisch’ angesehen wird: Der Gegenstandpunkt – ein Aal.
Hier hat porada ninfu nun zwar ziemlich klar Position bezogen: 1. Antifa-Arbeit sei abzulehnen; 2. Der bürgerlichen Demokratie sei im Krisenfall (auch dann wenn eine sozialistische Revolution nicht möglich ist) nicht gegen dem Faschismus die Stange zu halten. Trotzdem beansprucht zumindest die ADA Unterschiede zwischen Demokratie und Faschismus anzuerkennen [in obenstehendem Beitrag selbst: „dass man beim Durchführung des Vergleichs auch auf Unterschiede kommt (unbestritten … welche das sind, hatte ich ja verlinkt)„]. Aber sie und porada nunfu ziehen keine politischen Konsequenzen daraus; (bürgerlicher) Demokratie und Faschismus sei vielmehr mit Indifferenz zu begegnen. Die Anerkennung von Unterschieden – eine reines Lippenbekenntnis; eine weitere Windung des Aals.
Auch, daß das Akzeptieren zumindest einiger politischer Bewertungen als nicht-moralisch ein bloßes Lippenbekenntnis ist, läßt sich zeigen:
Administrator 27. August 2009 um 22:21 Uhr gibt folgendes Beispiel für „moralisch“ im Sinne der Antidemokratischen Aktion:
„Dabei übersetzt sie [die Antifa] sich das Vertreten einer nazistische Ideologie in ein Verstoß gegen den höheren Maßstab, dass sich Nazismus als Abweichung von der demokratischen Herrschaft = schlimm und böse nicht gehöre.“
Da die konkreten Beispiele (NS und Demokratie) ja wohl nicht den Moral-Beweis liefern sollen und die Antifa selbst die Ausdrücke „schlimm“ und „böse“ nicht (oder jedenfalls nicht im absichtlich moralischen Sinne verwendet), scheint nach Ansicht der ADA das „Moralische“ wohl in folgender Argumentationsstruktur zu liegen: das Übersetzen des Vertretens von etwas [hier: der nazistische Ideologie] in einen Verstoß gegen einen höheren Maßstab.
In dieser Argumentationsstruktur liegt aber nichts spezifisch Moralisches; jede politische Differenzmarkierung erfolgt auf diese Weise: Ich messe eine fremde Position an meiner eigenen (oder an einer dritten Position, wenn ich andere zum Parteigreifen auffordern will) und mache daraus ein Kampfverhältnis (d.h.: postuliere meine Position als die höherwertige und bekämpfe die andere) – und je nachdem, wie eskaliert der Kampf schon ist und ob ich noch BündnispartnerInnen benötige, werde ich begründen, warum meine Position die m.E. höherwertige ist (oder es als evident voraussetzen). (Wo kommt meine Position = meine ‚Wille‘ her? Nicht aus dem ‚Willen‘ selbst, sondern aus ökonomischen, politischen, ideologischen, wissenschaftlichen etc. Einflüssen.)
Mit Moral hat das nichts zu tun.
Bedarf es noch eines Beweises für Gleichsetzung von politischer Positionierung und Moral? Bitte:
Prüfi – 30. Juli 2009 um 13:30 Uhr bei der Brummkreislpilotin:
„Du hast doch gar keine Kritik aufgeschrieben, sondern lediglich, was Dich halt stört, dass sich ‚Querfront‘ eben nicht gehört. Das ist auch besagte Moral. Der Track weicht von Deinen Links-Einstellungen ab. Danke für die Auskunft, aber das sagt eben mehr über Dich als über den Track aus.“
Kritik an Abweichung von der eigenen Einstellung = moralisch. Na toll. Ein solcher Vergleich ist nicht per se moralisch (dafür kommt es vielmehr auf die Art der Begründung der eigenen Position an), sondern die Markierung einer politischen Differenz.
3. „Erfundenes Dilemma“ oder politische Kämpfe
@ porada ninfu – 27. August 2009 um 22:06 Uhr
„ein erfundenes Dilemma mit dem du dich (im Notfall) hinter die Demokratie stellst.“
Die Alternative Faschismus oder bürgerliche Demokratie ist kein „erfundenes Dilemma“, sondern stellte sich real. Und auch, wenn sich die historischen Faschismen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht wiederholen werden, so gibt es wenig Anlaß zu der Vermutung, daß sich die Alternative Demokratie oder Diktatur (hier nicht im Klassen-, sondern im staatsrechtlichen Sinne verstanden) nicht erneut stellen kann.
Und auch schon aktuell ist – wie schon gesagt – das Kräfteverhältnis zwischen FaschistInnen und DemokratInnen für die Kampfbedingungen von KommunistInnen relevant.
Aber Kräfteverhältnisse und Kämpfe sind ja anscheinend etwas, das in der gegenstandpunkt-lerischen Theorie-Bildung vollständig abwesend ist; und politische Praxis ist anscheinend auf Agitation reduziert. – Aber, nein, werden wir belehrt:
„Erfolgreiche Kämpfe stellen automatisch Kampfbedingungen her, während der Kampf um Kampfbedingungen eben ein anderer Kampf ist.“
Ja, aber da sind doch noch ein paar klitzekleine Fragen, oder?
-- Wie wird erfolgreich gekämpft – 1. überhaupt – und 2. ohne Bündnisse?
-- Für was wird gekämpft? Wie kommen die sich bekämpfenden „Willen“ zustande? Wie bekämpfen sie sich?
-- Wer kämpft? Bürgerliche DemokratInnen (von konservativ bis grün- und sozialreformistisch), FaschistInnen, Autonome und Anarchos/as und ein paar KommunistInnen – und zwar ziemlich häufig auf den gleichen Kampffeldern. – Aber Unterschiede zwischen FaschistInnen und DemokratInnen sind irrelevant. Grandiose Strategie.
-- Ja, erfolgreiche Kämpfe gegen Nazi-Räume verbessern die Kampfbedingungen zumindest für die in der Nähe Wohnenden und Agierenden – ganz unmittelbar.
Aber warum sich mit solchen Komplikationen abgeben, wenn die Welt doch so einfach ist:
„Ausgangspunkt ist der Wille zum Eigentum und aus ihm entspringt der Wille zum Staat. Das heißt: Der Übergang zum Kommunismus kann nur gelingen, wenn die Bürger das Eigentum nicht mehr wollen. Also ist Überzeugungsarbeit angesagt.“
Fragt sich nur: Mit welchen Argumenten? Und an welchen Anknüpfungspunkten? – wenn sich alles auf die Alternative ‚Willen zum Eigentum oder Wille zum Kommunismus?’ reduziert. –
Darf ich vielleicht doch noch mal Was tun? und Der ‚Linke Radikalismus‘, die Kinderkrankheit im Kommunismus zur Lektüre empfehlen, damit Ihr so einen kleinen Eindruck bekommt, was Politik, Kräfteverhältnisse und kämpfen heißt.
III. Noch einmal zum Moral-Begriff
1. Zu ADAs Definition (?) – und warum mein Ausgangstext nicht darunter fällt
@ Administrator – 27. August 2009 um 22:21 Uhr
„Moral ist eine Denke, welche aus dem Anlegen des sachfremden Maßstabs von erlaubt und verboten an ihre Gegenstände besteht, sich dabei aber nicht auf das positive Recht bezieht, sondern auf ein imaginiertes ideelles und höheres Recht. Dabei hält der Moralist das positive Recht für eine mehr oder weniger gelungene Verwirklichung der Moral, wo diese doch nur eine Idealisierung und Versubjektivierung (was Inhalt des höheren Maßstabs ist, unterliegt ja der eigenen Willkür/ überhöht das eigene Interesse) des positiven Rechts ist.“
++ Okay, meinetwegen „Moral ist eine Denke“ – was auch immer in Deinen Augen der Unterschied zwischen ‚einer Denke’, ‚einem Denken’, einer Haltung, einer Präferenz und einer Bewertung sein mag.
++ „welche aus dem Anlegen des sachfremden Maßstabs von erlaubt und verboten an ihre Gegenstände besteht“ – Ich würde „erlaubt und verboten“ durch „Sollen und Nicht-Sollen ersetzen“ (um den Unterschied Moral und positivem Recht noch schärfer zu fassen).
--- Wie dem auch sei, ich habe in meinem Ausgangstext jedenfalls nicht von „erlaubt und verboten“ gesprochen. Aber sicherlich läßt sich der hier interessierende Punkt wie folgt paraphrasieren: „Wenn Kommunismus nicht sein kann, dann soll lieber Demokratie als NS sein.“ Das Formulieren einer solchen Präferenz ist aber noch nicht spezifisch moralisch, sondern schlichtes politisches Position beziehen.
--- „Sachfremd“ ist daran m.E. auch nichts, aber Du kannst ja gerne mal Deine Definition von „sachfremd“ mitteilen.
--- Spezifisch moralisch würde eine solche Präferenz erst, wenn sie nicht politisch-parteilich, sondern mit einem Allgemeingültigkeits-Anspruch formuliert würde (was ich aber nicht gemacht habe).
++ Daß es auf den Allgemeingültigkeitsanspruch ankommt, scheint mir auch in Deiner Fortsetzung der zitierten Passage deutlich zu werden: Moral tritt in Konkurrenz zu dem Gültigkeitsanspruch des positiven Rechts:
„sich dabei aber nicht auf das positive Recht bezieht, sondern auf ein imaginiertes ideelles und höheres Recht.“
Der Rest ist allerdings wieder kompletter Humbug:
„Dabei hält der Moralist das positive Recht für eine mehr oder weniger gelungene Verwirklichung der Moral, wo diese doch nur eine Idealisierung und Versubjektivierung (was Inhalt des höheren Maßstabs ist, unterliegt ja der eigenen Willkür/ überhöht das eigene Interesse) des positiven Rechts ist.“
Der Moralist (Die Moralistin auch) kann das positive Recht auch für eine völlige Verfehlung der Moral halten.
Und wieso soll die Moral eine Idealisierung des Rechts sein? Und warum soll ein ‚Bedürfnis’ nach einer solchen Idealisierung bestehen?
Wieso soll das Recht der Moral vorausgehen? Es ist doch umgekehrt: Aus den konkurrierenden moralischen und politischen Präferenzen werden bestimmte ausgewählt und durch Rechtssetzung verbindlich gemacht.
Humbug ist auch die Verdoppelungs-These:
„Wenn ich also sage, dass Moral die gedankliche Verdoppelung der Rechtsform von Erlaubt und Verboten in ein Ideal dessen, was eigentlich erlaubt und verboten sein sollte ist, unter der von den Füßen auf den Kopf gestellt die Realität des positiven Rechts als mehr oder weniger gelungene Verwirklichung seines Ideals, welches doch nur seine Verdoppelung ist, erscheint, dann nehme ich eben nicht eine Definition der Sorte ‚Moral = Frucht einer Palme‘ vor, sondern treffe eine Aussage darüber, was die Logik der Denke ist, welcher sprachlich im Deutschen bereits die Buchstabenfolge ‚Moral‘ zugeordnet ist.“ (Administrator – 19. August 2009 um 6:45 Uhr)
Da das eine die (juristische) Realität und das andere das Ideal (der juristischen Realität) ist, sowie das eine tatsächlich wirksam erlaubt, und verbietet und das andere dies gerade nicht kann, sondern nur ausdrücken kann, was vielmehr statt dessen erlaubt und verboten sein sollte, handelt es sich also nicht um eine bloße „Verdoppelung“ (mit der Konnotation ‚überflüssig‘, ‚nutzlos‘, ‚funktionslos‘), sondern um zwei unterschiedlich Phänomene mit unterschiedlicher Wirkungsweise und unterschiedlichen Effekten.
2. Richtige und falsche Moral-Kritik
Wie gesagt, das Kritisierenswerte an Moral ist nicht, daß sie eine normative Präferenz ausdrückt. Das macht jedes politische Programm.
Das Problem an Moral ist, das jede Moral sich einbildet, sie sei ‚die Moral’ (und meint mit der vermeintlichen Evidenz des Moralischen die Ebene des politischen Argumentierens, des politischen Kampfes und ggf. der Rechtssetzung überspringen zu können).
Genau diese Allgemeingültigkeits-Illusion der unterschiedlichen ‚Moralen’ bestätigt Ihr, wenn Ihr unterstellt, daß es in einer von Herrschaft und Ausbeutung strukturierten Gesellschaft ein „Gemeininteresse“ geben kann (Ihr bestreitet nur, daß es richtig sei, die Realität und die Einzelinteressen an diesem Gemeininteresse zu messen):
„Natürlich gibt es ein Gemeininteresse im Kapitalismus. Alle wollen das Eigentum und damit sie ihrem Interesse als Eigentümer nachgehen können, brauchen sie einen Staat der sie gegenseitig auf den Ausschluss vom Reichtum verpflichtet.“ (porada ninfu – 27. August 2009 um 13:34 Uhr5
Statt dessen wäre es erforderlich, das angebliche „Gemeininteresse“ und die Allgemeingültigkeitsillusion der verschiedenen ‚Moralen’ zu de-konstruieren.
Daß durchaus nicht alle das Eigentum wollen, hatte ich oben schon aufgezeigt. Aber die Interessensgegensätze und die Brüchigkeit des Allgemeingültigkeitanspruchs der ‚Moralen’ fangen ja nicht erst bei ‚Eigentum – Ja oder Nein?’ an. Sie fangen schon an, wenn Lohnerhöhungen im Namen des Allgemeinwohls abgelehnt und Abtreibungsfreiheit als unmoralisch verworfen werden.
Derartige Widersprüche zu vertiefen wäre Politik. Aber für Krim / porada ninfu fallen solche Fragen wahrscheinlich auch unter „Supermarkt“.
IV. Noch einmal zum NS und Demokratie
1. Die reale Demokratie ist das kleinere Übel
@ porada ninfu 27. August 2009 um 22:06 Uhr
„Das [was ich schreibe, TaP] ist halt auf eine verquere Weise die Affirmation des demokratischen Staates. Von diesem glaubst du, dass er zumindest unvereinbar mit Nationalsozialismus sein sollte. Und das ist dann ein moralisches Ideal von der eigentlich guten Demokratie, die es als kleineres Übel gegen das größere Übel NS zu verteidigen gelte.“
Und wo liegt jetzt das Argument?! Daß, daß NS und Demokratie Verschiedenes sind, keine Glaube, sondern eine Erkenntnis ist, hatte ich bereits begründet.
Folglich gibt es in dem Zusammenhang bei mir auch kein Ideal (ob „moralisch“ oder nicht) der Demokratie und auch keinen Gegensatz von „eigentlich[er]“ und tatsächlicher Demokratie, sondern:
Die tatsächliche bürgerliche Demokratie mit allem, was an ihr von KommunistInnen abzulehnen und zu kritisieren (d.h.: nicht zu verschweigen) ist, ist von KommunistInnen dem NS vorzuziehen. Begründung: Gab es schon – Antwort: Keine.
@ Administrator – 27. August 2009 um 22:21 Uhr
2. Das Beispiel Streikrecht
„Da erlaubt der demokratische Staat glatt Streiks, die dem Abschluss eines neuen Tarifvertrags dienen (und auch nur diese!), weil ihm glatt eingeleuchtet hat, dass dieser Lohnkampf nötig ist, damit sich die Leute als Arbeiterklasse und Staatsvolk auch weiterhin reproduzieren können. Und weil er weiß, dass die Gewerkschaften (und zwar nicht nur die Führung, sondern auch die Mitglieder, welche das ja mittragen) auch allerhöchstens genau das wollen und deshalb ‚wirtschaftliche Vernunft’ walten lassen, weshalb er sie diese Kämpfe auch ruhig führen lassen kann. Weil die ‚wirtschaftliche Vernunft’ eben heißt, dass Kapitalisten und bürgerlicher Staat Erfolg haben müssen, damit überhaupt Lohnarbeit stattfindet, weshalb man sich in Kampfmitteln wie Forderungen an diesem orientiert.“
Hier haben wir es wieder: Keinerlei Vorstellung davon, was Kämpfe und was Kräfteverhältnisse sind. Alles steht schon von vornherein fest: „weil ihm glatt eingeleuchtet hat, dass dieser Lohnkampf nötig ist, damit sich die Leute als Arbeiterklasse und Staatsvolk auch weiterhin reproduzieren können.“
Keine Rolle spielt für die ADA, daß im vornherein nicht feststeht, ob die Reproduktion auch ohne diesen oder jenen konkreten Streik gesichert wäre; auch nicht, daß die Höhe des Reproduktionsniveaus umkämpft sein kann.
Und schließlich auch nicht, daß Kämpfe eine ungeplant Entwicklung nehmen können, daß (von Seiten des Staates und der ReformistInnen in den Gewerkschaften – ‚oben’ und ‚unten’) nicht gewollte Eskalationen eintreten können: „Und weil er [der Staat] weiß, dass die Gewerkschaften […] auch allerhöchstens genau das wollen und deshalb ‚wirtschaftliche Vernunft’ walten lassen, weshalb er sie diese Kämpfe auch ruhig führen lassen kann. Weil die ‚wirtschaftliche Vernunft’ eben heißt, dass Kapitalisten und bürgerlicher Staat Erfolg haben müssen, damit überhaupt Lohnarbeit stattfindet, weshalb man sich in Kampfmitteln wie Forderungen an diesem orientiert.“
Schließlich kommt hier nicht vor, daß ‚der Wille zum Kommunismis‘ nicht durch Agitation alleine entsteht, sondern durch Kampferfahrungen und deren theoretischer Reflexion: Erfahrungen von Siegen und Niederlagen; Erfahungen der Grenzen von Siegen, aber auch ‚Geschmack auf mehr‘ usw.
3. Das Beispiel Meinungsäußerungsfreiheit
„Gleiches gilt auch für die Meinungsfreiheit: damit sind doch gar nicht kommunistische Publikationen gemeint, sondern man darf und soll konstruktive Verbesserungsvorschläge an die Herrschaft richten (und diese dann deren Entscheidung überlassen), wie der gemeinsame Zweck des nationalen Erfolgs in der Staatenkonkurrenz mit Kapitalismus als Mittel besser zu bewerkstelligen wäre.“
Ja, so ist die Antidemokratische Aktion: Es geht immer nur um’s ‚Wollen’ und um das, was „gemeint“ ist. Wie’s tatsächlich ist, interessiert nicht. Es interessiert nicht, daß kommunistische Publikationen in Demokratien nur im Ausnahmefall staatlich verfolgt werden, während sie in Faschismen ständig staatlich verfolgt werden. Und es interessiert auch nicht, daß das Tolle (aber auch Verhängnisvolle) an der Meinungsfreiheit ist, daß nicht nur aus „konstruktive[n] Verbesserungsvorschläge“, sondern auch aus der destruktivsten Kritik und der radikalsten Gegenposition gelernt werden kann – und wer/welche was und wieviel lernt, ist nie vorauszusehen.
Genau das macht politische und ideologische Kämpfe aus: daß sie nicht nach dem Fahrplans des Gegenstandspunkt verlaufen.
Zu allen Nebenkriegsschauplätzen siehe Fußnote [6].
TEXT C.:
BLÜTEN DER FASCHISMUS-THEORIE: ANTWORT AUF EINEN BERICHT ÜBER EINEN VORTRAG VON PETER DECKER
Die Antidemokratische Aktion riet (FN 1) mir als Antwort auf meine Behauptung, daß es unzutreffend sei, den NS mit anderen Herrschaftsformen gleichzusetzen, den Textes unter: http://mparchiv.wordpress.com/2008/04/13/arab-1/ zu lesen. Kein Argument soll unbeantwortet bleibt – und sei es auch noch so absurd:
Unterüberschrift des Textes:
„Peter Decker vergleicht Faschismus und Demokratie mal objektiv“
Wow! – anscheinend einer der ersten, wenn nicht der erste, der diesen Vergleich objektiv vornimmt. – Ich bin gespannt.
„Peter Decker vom Gegenstandpunkt stieg in sein Referat mit einer Kritik der bürgerlichen Faschismuskritik ein. Diese kritisiere jenen durch einen negativen Vergleich: er wäre undemokratisch, illiberal, unnational etc. pp.“
Als „unnational“??? – Beleg? Beispiel? – Und: Ist er nicht undemokratisch und illiberal?
„Solche negativen Vergleiche sagen aber nichts über die Sache aus, [… – Forts. unten]“
Ach so. -
Zumindest ein Autor des 19. Jh. namens Karl Marx sah das aber ganz anders: die Bestimmung der differentia specifica, also die Bestimmung der Merkmale, die in dem einen Fall vorliegen und in dem anderen nicht (nicht = negativ), ist die Hauptsache:
„In den Kontroversen über diesen Gegenstand [um welchen Gegenstand es ging, spielt für die hiesige Fragestellung keine Rolle, TaP] hat man meist die Hauptsache übersehn, nämlich die differentia specifica der kapitalistischen Produktion. Arbeitskraft wird hier gekauft, nicht um durch ihren Dienst oder ihr Produkt die persönlichen Bedürfnisse des Käufers zu befriedigen. Sein Zweck ist Verwertung seines Kapitals, Produktion von Waren, die mehr Arbeit enthalten, als er zahlt, also einen Wertteil enthalten, der ihm nichts kostet und dennoch durch den Warenverkauf realisiert wird. Produktion von Mehrwert oder Plusmacherei ist das absolute Gesetz dieser Produktionsweise.“
[Marx: Das Kapital, S f. 917. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 4231 (vgl. MEW Bd. 23, S. 646-647)]
Was macht Marx hier? Er definiert die kapitalistische Produktionsweise durch eine spezifische Differenz – durch etwas, was andere Produktionsweisen auszeichnet, aber nicht die kapitalistische: „nicht um durch ihren Dienst oder ihr Produkt die persönlichen Bedürfnisse des Käufers zu befriedigen.“7
Umgekehrt ist Kapital (als spezifische gesellschaftliche Form, die nicht mit dem stofflichen Reichtum, der ggf. die Form von Kapital annimmt, zu verwechseln ist) ein Merkmal, das die kapitalistische Produktionsweise auszeichnet, andere Produktionsweisen aber nicht aufweisen.8
„[…], sagen aber nichts über die Sache aus, sondern nur darüber, welche Maßstäbe derjenige hat, der sie an diesen blamieren will.“
Nee, ein solcher Vergleich kann auch von pro-faschistischer Seite unternommen werden – über die politischen Präferenzen (das wäre im Zusammenhang mit „blamieren“ treffender als „Maßstäbe“) sagt die Charakterisierung des Faschismus als undemokratisch gar nichts aus.
FaschistInnen und DemokratInnen werden, wenn sie wissenschaftlich vorgehen, gemeinsam zu dem Ergebnis kommen: Es besteht ein Unterschied zwischen Faschismus und Demokratie.9
Nebenbei: Derartige Vergleich lassen sich gar nicht durchführen, ohne Erkenntisse über die Sache zu produzieren. Ohne etwas über die verglichenen Sachen zu wissen, können sie nicht verglichen werden.
„Er [Peter Decker] hingegen widmete sich der gemeinsamen Basis von Demokratie und Faschismus, um dann auf die daraus gezogenen gleichen und verschiedenen Folgerungen von demokratischen und faschistischen Nationalisten zu kommen.“
Hier scheint Decker nun also – entgegen seiner ursprünglichen Ankündigung – doch noch zur Analyse der differentia specifica, die den Faschismus kennzeichnet, zu kommen.
Der Irrtum liegt freilich darin, die Differenz auf die „Folgerungen“ zu beschränken (ich komme darauf zurück). Sicherlich sind Faschismus einerseits und parlamentarisch sowie präsidiale Demokratie andererseits zwei bürgerliche Herrschaftsformen, zwei politische Herrschaftsformen auf der Grundlage der Dominanz der kapitalistischen Produktionsweise. Diese – für Linke – banale Einsicht macht Peter Decker aber nicht zum ersten, der eine „objektv[e]“ Faschismus-Analyse vorlegt.
Und: Nicht nur die politischen, polizeilichen etc. Handlungs-Folgerungen von DemokratInnen und FaschistInnen sind in bestimmten, je konkreten Situationen unterschiedlich, sondern auch die grundsätzlichen Vorstellungen darüber, wie das politische, repressive usw. System organisiert sein soll.
Dies schließt nicht aus, daß DemokratInnen in bestimmten Situationen zu FaschistInnen werden, aber dies beseitigt nicht den Unterschied zwischen FaschistInnen und DemokratInnen, die diese ideologische Konversion nicht durchmachen.
„Der Faschismus entsteht aus der allgemeinen Nationalisierung in der Demokratie.“
Und was ist das Antonym zu „allgemein“? „Teilweise“? – Der Unterschied zwischen „allgemein“ und „teilweise“ wäre jedenfalls noch nicht eine besonders ausgefeilte Begriffsbildung.
Und was soll eigentlich „Nationalisierung“ besagen?
Lt. DUDEN Fremdwörterbuch:
„Nationalisierung […] 1. Verstaatlichung. 2. Verleihung der Staatsangehörigkeit, Naturalisation (1)“
(Duden – Das Fremdwörterbuch. 7. Aufl. Mannheim 2001. [CD-ROM].)
Das dürfte wohl nicht gemeint sein.
„Gegen diese müsse man daher angehen, statt nur gegen die Nazis.“
Abgesehen davon, daß wir nicht gesagt bekamen, was „Nationalisierung“ sein und warum sie schlecht sein soll: Wenn die Kräfte z.Z. nicht ausreichen, die ‚ganze Nationalisierung‘ zu beseitigen, dann wäre vielleicht eine nur teilweise statt vollständige Nationalisierung immerhin ein kleiner Fortschritt.
„In ihr [der „Nationalisierung“] gibt es eine Kritik am Materialismus der Bürger im Namen des Staates (z.B. ‚Besitzstandsdenken‘, ‚Sozialschmarotzer‘).“
Auch das ist nicht gerade trennscharf – vielmehr eine vage Terminologie, die nicht geeignet ist, irgendeine Spezifik des Faschismus zu erkennen, d.h.: auf den Begriff zu bringen.
Welcher Zusammenhang und welche Unterschiede sind denn hier zwischen Neoliberalismus und Sozialstaat, Faschismus und Demokratie gedacht? – falls denn überhaupt irgendetwas gedacht ist.
„Die dahinter stehende Logik ist, dass das Gemeinwesen auf Privatinteresse und Konkurrenz beruht, weshalb der jeweilige Markterfolg auch gerecht wäre. Wer als Konsequenz daraus auf Hilfe angewiesen ist, schmarotze am Gemeinwesen, weil er sich nicht mit diesem gerechten Resultat abfindet, sondern von ihm Hilfe beansprucht.“
Damit wäre also anscheinend jeder Neoliberalismus Faschismus, oder wie? Aber was war mit dem ‚goldenen Zeitalter‘ des Fordismus, als sowohl Linksliberale als auch SozialdemokratInnen als auch VertreterInnen der christlichen Soziallehre für einen teilweisen Ausgleich von Markteffekten eintraten und dies auch durchsetzen?
Und waren überhaupt die historischen Faschismen neoliberal (gewisse ideologische Affinitäten des frühen deutsch-österreichen Neo-/Ordoliberalismus zum Faschismus seien von meiner Seite aus nicht bestritten, nur müßten deren Reichweite und praktische Relevanz sowie heutiges Fortwirken genauer untersucht werden; http://www.grasruck.org/Mises/Mises_Liberalismus.pdf, S. 17, 45, 44, 45)? – Das ist doch alles konfus.
„Das Gemeinwesen sei aber nicht dazu da, den Privatinteressen der Bürger zu dienen, sondern es verlangt gerade umgekehrt deren Dienst an ihm.“
WelcheR klassischeR Liberale würde das denn unterschreiben?
„Darin sind sich Demokraten und Faschisten völlig einig: ‚Frage Dich nicht, was Dein Land für Dich tun kann – Frage Dich, was Du für Dein Land tun kannst.‘ (Kennedy) … ‚Gemeinnutz geht vor Eigennutz‘ (Hitler).“
Wie wäre es vielleicht mit einer Erwähnung der textlichen und historisch-politischen Kontexte der beiden Zitate?! – Es macht ja wohl einen erheblichen Unterschied, ob solche Äußerungen vor dem Hintergrund einer massiven Einschränkung der Möglichkeit, das ‚Gemeininteresse‘ auch gemeinsam zu bestimmen, oder vielmehr einer erhebliche Ausweitung der ökonomischen und politischen Partizipationsmöglichkeiten gemacht werden.
Hinzukommt: Falsch ist ja gar nicht die Einforderungen von Engagement für das Gemeinwesen als solches (ohne ein solches wird kein Kommunismus möglich sein), sondern, wenn der Appell ans Gemeinwohl die Form eines Aufrufes zum Maßhalten beim Kampf gegen Herrschaft und Ausbeutung annimmt.
Das Einzelinteresse im Gegensatz zum Gemeininteresse zu feiern, verbleibt in der falschen Logik. Vielmehr ist herauszuarbeiten, daß das „Gemeinwohl“ unter den Bedingungen von Herrschaft und Ausbeutung weitgehend illusorisch ist. Zu fordern ist, daß alle Einzelinteressen – unverzerrt von Herrschaft und Ausbeutung – die Möglichkeit haben, an der Bestimmung des Gemeininteresses mitzuwirken. – Und bis dies erreicht ist, ist „Gemeininteresse“ keine Bezeichnung für eine Realität, sondern die ideologische Bezeichnung für einen ‚Ausgleich‘ zwischen einigen (herrschenden, unter partieller Berücksichtung von einigen subalternen) Einzelinteressen zulasten der anderen Einzelinteressen. Und auch nach einer etwaigen Überwindung von Herrschaft und Ausbeutung wird „Gemeininteresse“ keine feststehende Substanz sein, sondern ein durchaus umstritten und deshalb im Fluß bleibendes Verfahrensergebnis.
„Eine zweite Kritik innerhalb der allgemeinen Nationalisierung der Leute ist die an der Politik und den Politikern im Namen des Volkes“
Auch diese Kritik („an der Politik und den Politikern im Namen des Volkes“) ist ja wohl nicht falsch – solange im Auge behalten wird, daß das Volk keine homogene Einheit ist.
„Alle Schädigungen, welche die Leute erleiden, werden als Resultat einer verfehlten Politik aufgefasst (‚Politikversagen‘).“
Das ist in der Tat zu kritisieren, weil es die staatliche Politik für wichtiger hält als die gesellschaftlichen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse und deren Einfluß auf die staatliche Politik.
„Dabei werden dem bürgerlichen Staat Aufgaben und Zwecke untergeschoben, welche er gar nicht hat“
Auch das ist zu kritisieren (wenn es denn stattfindet) – aber soll das nun eine spezifisch faschistische Argumentation sein? Derartige ‚Unterschiebungen‘ finden doch eher seitens des klassischen Sozialreformismus statt. Oder sind wir inzwischen eh wieder bei der „Sozialfaschismus“-These angekommen?
„(z.B. Arbeitslosigkeit zu beseitigen),“
Allerdings darf nicht übersehen werden, daß eine Minimierung der Arbeitslosigkeit in der Tat ein paar Jahrzehnte lang die herrschende und – unter spezifischen historischen Bedingungen – nicht durchweg erfolglose Politik war.
(Eine weitere Frage ist, ob die damalige Konstellation wiederherstellbar ist und ob das wünschenswert wäre.)
„Schließlich wird auch danach nicht großartig anders weiter regiert, wenn nicht gar eine Koalition mit Teilen der bisherigen Regierung eingegangen.“
Ja, aber bürgerliche Politik ändert sich schon – bspw. von Adenauer zu Brandt zu Schmidt zu Kohl zu Schröder. Und auch unter Merkel hat sie sich wieder etwas geändert. Und diese Veränderungen sind kein direkter ‚Ausdruck‘ ökonomischer Veränderungen, sondern immer auch Effekt politischer, ideologischer und auch militärischer Kämpfe und Kräfteverhältnisse.
„Zudem stört sie, dass bei demokratischen Wahlen überhaupt Sonderinteressen angesprochen werden, welche durch eine korrekte Politik ihre Berücksichtigung finden sollen. Damit würde nicht nur Zwietracht im Volk gesät, weil eben die Sonderinteressen und nicht das Gemeinwesen betont werden würden, sondern auch Enttäuschung vom Staat, der diese Versprechen dann ohnehin nicht erfüllen könne.“
Genau! Das ist doch wohl ein grundlegender Unterschied in Ideologie und Politikkonzeption und nicht nur in irgendeiner situativen „Folgerung“ (wie Decker eingangs behauptete).
„Faschisten nehmen also die demokratische Diagnose ‚Staat vergeigen‘ ernst“
Hä? Was für eine Diagnose?
„Als Nationalrassisten stoßen sie [die „Faschisten“] dabei auf einen Widerspruch: ihren Benutzungswillen der Deutschen legen die ihnen schließlich ins Blut – wie kann es dann sein, dass Deutsche ‚Volksschädlinge‘ sind, also wider ihrer Natur handeln? Diesen lösen sie dahin auf, dass das keine echten Deutschen wären, sondern in Wirklichkeit Angehörige eines Fremdvolkes, dem dann wohl Deutschland schaden im Blut stecke. So kamen die auf die Juden, welche hinter allem stecken müssten, was den Nazis nicht passte.“
Ach nee. Und warum spielte der Antisemitismus ausgerechnet im deutschen NS eine so große Rolle und in anderen Faschismen oder in Militärdiktaturen eine weitaus geringere?
Und warum wurden auch KommunistInnen, SozialdemokratInnen und bürgerliche DemokratInnen unterdrückt – unabhängig davon, ob sie als jüdisch oder arisch klassifiziert wurden? Wie gingen denn da die Nazis mit dem von Decker behaupteten Widerspruch um?
„Der Faschismus ist also ein Programm der Staatsrettung aus einer Krisendiagnose heraus.“
Und ansonsten geht’s beim Faschismus um nichts, oder wie?
„Eine Diskussion kam anschließend nicht so richtig zustande,“
Ja, was soll man/frau/lesbe dazu auch noch groß sagen. – Es bleibt kaum mehr als Kopfschütteln.
„Unter anderem wurde jedoch nachgefragt, ob zur Erklärung des Antisemitismus nicht vielmehr dessen Tradition herangezogen werden müsse. Dies wurde von Decker damit beantwortet, dass damit die Frage nach dem Warum nur in zwei neue Fragen verlagert werden würde: Warum entstand diese Tradition? Und warum wird sie immer noch beibehalten? Dann kann man aber auch gleich die Warum-Frage beantworten. Diese hat eben nichts mit der historischen Genese ihres Gegenstands zu schaffen, sondern muss sich schon mit dessen Inhalt befassen.“
Meinetwegen. Aber warum wird dann nicht der Antisemitismus als Antisemitismus zur Kenntnis genommen, analysiert und erklärt, sondern in ein Programm zur „Staatsrettung“ (wenn es allein darum gegangen wäre, hätten sicherlich andere und effektivere Mittel zur Verfügung gestanden) umgedeutet?
PS. vom 04.09.:
Zum Thema „Gegenstandpunkt (GSP)“ immerhin noch ein kleiner Lesetipp:
echte idealisten
overdose. randnotizen und fragmente am 22. Juli 2008
Weiterer Nachtrag vom 09.09.2009:
Kritik an Peter Decker’s Demokratie-Vortrag
http://thebog.blogsport.de/2009/09/08/kritik-an-peter-deckers-demokratie-vortrag/
Versprochen ist verschrieben / „Verpflichtung“ zum Staat: Ergebnisse der neueren marxistischen Theorie
http://thebog.blogsport.de/2009/09/01/versprochen-ist-verschrieben/ / http://thebog.blogsport.de/2009/08/31/verpflichtung-zum-staat-ergebnisse-der-neueren-marxistischen-theorie/
Gegenstandswechsel
http://gegenstandswechsel.blogsport.de/
- Ich vermerke nur kurz, daß in dem Zitat keine Begründung für den Übergang von Staat als „Gewaltsubjekt ihres Gemeininteresses“ zur Moral genannt ist (Warum reicht nicht das positive Recht? Warum die von Euch sog. „Verdoppelung“ des Rechts durch die Moral?!). Auch die Begründung für den Übergang von Eigentum zu Staat ist schwach. Wenn die Leute den Staat ‚wollen’, um Eingriffe in fremdes Eigentum auszuschließen, warum ‚wollen’ sie dann nicht einfach das fremde Eigentum respektieren? In dieser ganzen ‚willens-theoretischen’ Erklärung gesellschaftlicher Verhältnisse – irgendwo hat das neulich jemandE treffend „Willensidealismus“ genannt – steckt doch einfach der Wurm drin – und mit Marxismus hat das auch nichts zu tun:
„In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, […].“ [Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie, S. 5. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 2901 f. (vgl. MEW Bd. 13, S. 8) – meine Hv.; die Fortsetzung der Stelle bedürfte krit. Diskussion]
„das menschliche Wesen ist […] das ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse.“ – nicht Staat und Moral sind das Esemble der menschlichen Willen [Marx: Thesen über Feuerbach, S. 5. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 825 (vgl. MEW Bd. 3, S. 6)]
[zurück]
- Z.B.: „Du hast doch gar keine Kritik aufgeschrieben, sondern lediglich, was Dich halt stört, dass sich ‚Querfront’ eben nicht gehört. Das ist auch besagte Moral.“ (Prüfi – 30. Juli 2009 um 13:30 Uhr)
[zurück] - Wörtlich: „außer man ist gar nicht mehr an einer erklärung von rassismus interessiert, sondern hält das einfach für die moralisch angemessene haltung.“ (… – 12. August 2009 um 19:13 Uhr). „jetzt bin ich aber wirklich raus, dieses moralisieren […], projizieren und unterstellen geht mal gar nicht.“ (apostell – 15. August 2009 um 22:04 Uhr) Sinngemäß auch: „und deine analyse [ist] für‘n arsch.“ (apostel – 12. August 2009 um 20:01 Uhr) „du willst es als sexismus benannt haben, aber kannst denselben nicht nachweisen?“ (ders. – 13. August 2009 um 18:47 Uhr). – Keine Ahnung, ob das alles GSP-ler(innen?) sind – würde aber passen. Vgl. auch noch: TaP – 15. August 2009 um 23:58 Uhr zu: riot.grrrl – 15. August 2009 um 21:53 Uhr und grr – 16. August 2009 um 2:00 Uhr. [zurück]
- Die Aufforderung der Brummkreislpilotin, „Bitte verschone mich nun mit deinen Ausflüchten und gehe einfach mal mit gutem Beispiel voran. Wie sieht denn eine „taugliche“ Kritik an dem Track, dem Rapper und den Gruppen aus?“, blieb unbeantwortet. [zurück]
- Vorher hieß es bei porada ninfu (allerdings) noch realistischer: „Das Gemeininteresse steht nämlich in einem Gegensatz zum Einzelinteresse und um diesen Gegensatz wird sich herum gelogen“. Aber auch in diesem Satz ist ein „Gemeininteresse“ als existierend anerkannt – tatsächlich ist es aber so, daß das, was „Gemeininteresse“ (oder – wohl üblicher – „Gemeinwohl“ – oder macht Ihr zwischen beidem einen Unterschied?) genannt wird, die Präferenz für einen ‚Ausgleich’ zwischen bestimmten Einzelinteressen zulasten aller anderen Einzelinteressen ist. – Genau diesen Widerspruch herausarbeiten wäre politisch; statt dessen ein Gegensatz zwischen einem tatsächlichen Gemeininteresse und den Einzelinteressen zu behauptet verbleibt dagegen im moralischen Diskurs. [zurück]
- FUSSNOTE ZU DEN NEBENKRIEGSSCHAUPLÄTZEN
I.
@ Administrator – 27. August 2009 um 21:04 Uhr
1.
„auch wenn ich nicht die Notwendigkeit eines Übergangsstaats bestreiten will (der aber – auch laut Lenin, btw. – ein ganz anderer als der bürgerliche Staat ist), so halte ich es doch für Quatsch, diesen ganz anderen Staat als dann wirkliche Verwirklichung der Herrschaftsform des bürgerlichen Staats, als so richtig echte Demokratie, hinzustellen, wie dies Marx und Lenin betrieben.“
Und – wie kommt das: Das es sich um einen ganz anderen Staat handelt – und er dennoch – auch von Dir – ebenfalls demokratisch genannt wird? Antwort 1: Wegen des veränderten Klassencharakters des Staates. Antwort 2: Weil demokratische Formen für Politik in Richtung Herrschaftsüberwindung einen Eigenwert haben (auch wenn sie selbst noch keine Herrschaftsüberwindung bedeuten), und Räte (im Vergleich mit Parlamenten) keine Abschaffung, sondern eine Verbesserung der Repräsentation sind (beides ließ sich im BürgerInnenkrieg nach der Oktoberrevolution nicht realisieren; unter Stalin war es nicht mehr gewollt.)
2.
„Dass sich die Bezeichnung zum Gegenstand willkürlich verhält, war doch gar nicht der Streitpunkt. Sondern, ob Begriffsdefinitionen nötig sind, wenn diese Zuordnung ohnehin schon in der Sprache erfolgt ist.“
Nein, letzteres war nicht strittig. Vielmehr hatte und habe ich den Eindruck, daß Du das Wort „Moral“ konventionswidrig verwendest.
3.
„Sagst Du: aber Sprache macht das nicht präzise genug. Sage ich: da widersprichst Du Dir selbst, denn dann kann sie auch nicht als Mittel zum Definieren taugen. Sagst Du: ja nur MANCHMAL, so wie ich es halt gerade brauche, ist sie zu unpräzise, aber sonst sehr wohl präzise genug, um zum Definieren zu taugen.“
Nein, ich hatte gesagt: „Das jede Definition noch dadurch an Klarheit gewinnen kann, daß die in einer Definiton verwendeten Wörter ihrerseits definiert werden (darauf lief Dein ‚Nachweis der Widersprüchlichkeit‘ hinaus), ist unbestritten. Nur beseitigt dies nicht den relativen Klarheitsgewinn, den auch bereits die erste Definition liefert.“
4.
„Zumal Du Dich dann ja trotzdem nicht auf das bezogen hast, was ich zur Moral schrieb.“
Du hattest Dich geweigert, eine Definition zugeben. Trotzdem hatte ich etwas zu Deiner Bestimmung von Moral geschrieben:
„Abgesehen davon, daß ich eine andere „Bestimmung“ von Moral vornehmen würde – auch in Deinem Sinne argumentiere ich NICHT moralisch: Ich sage nicht, was (ganz generell) erlaubt bzw. verboten sein SOLL (i.S. einer allgemeingültigen Aussage, z.B.: „Ausbeutung ist unmoralisch und sollte deshalb nicht sein“), sondern ich nehme eine parteiliche Position ein („ICH WILL eine Gesellschaft ohne Ausbeutung.“) und weiß, daß es möglich ist, den gegensätzlichen Standpunkt einzunehmen.“
Darauf war Deine Antwort:
„Nun ging es mir gar nicht darum, ob Du immer oder auch nur beim Thema Ausbeutung moralisch argumentierst, sondern meine Kritik bezog sich darauf, dass Du mit ‚Verharmlosung’ = ungehörig einen moralischen Maßstab einführst – warum das einer ist und warum das verkehrt ist, habe ich bereits lang und breit ausgeführt.“
Ich dann hatte sowohl etwas speziell zum Wort „Verharmlosung“ als auch allgemein zum Unterschied NS zwischen Demokratie geschrieben. Nur auf den Hinweis zum Begriff „Ausbeutung“ hatte ich nicht extra geantwortet, weil es mir zu blöde war, ausdrücklich zu erklären, daß das nur ein Beispiel war. Aber meinetwegen noch einmal ausdrücklich: Auch meine anderen politischen Positionierung nehme ich nicht mit Allgemeingültigkeitsanspruch, sondern als Parteiergreifung vor.
II.
@ porada ninfu – 27. August 2009 um 22:06 Uhr
„Interessensgegensätze gibt es schon noch. Die sind nur anderer Art. Zum Beispiel muss entschieden werden, was auf dem gegebenen Stand der Produktivität hergestellt wird und was nicht. Da mag es dann schon stellenweise unterschiedliche Ansichten geben.“
Und: Wieviel wird produziert, wer/welche produziert was? Wie werden Arbeitszeiten und Produkte verteilt? (Nur so ein paar Sachen, die mir spontan einfallen.) In Anbetracht dessen ist, „mag es dann schon stellenweise unterschiedliche Ansichten geben“, wohl ein Euphemismus, oder? Die schwierige Frage ist nämlich, wie sich diese Fragen einerseits werden effektiv (ohne übermäßigen Zeitaufwand) und andererseits ohne (die Gefahr einer) Restauration von Herrschaftsverhältnissen werden beantworten lassen. – Habt Ihr dafür vielleicht auch ein Patentrezept?
III.
@ Administrator 27. August 2009 um 22:21 Uhr
1.
„die Antifa hat das Interesse, dass der demokratische Staat die Neonazis plattmacht. […] Woraus sie folgert, dass die Moral im positiven Recht schlecht verwirklicht wäre, wenn der demokratische Staat die Neonazis nicht (genügend) plattmache, sondern ihre Demos etc. unter die Meinungsfreiheit fallen lässt: -> ‚Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.’“
Ist beides nicht meine Position.
2.
„Wieso Du in Deinem Text mit „Verharmlosung“ moralisch argumentierst, selbst wenn Du was anderes vorgehabt haben solltest, hatte ich bereits ausgeführt, s. http://greschka.blogsport.de/2009/08/17/theorie-als-praxis-schlaegt-zurueck/#comment-2813, Punkte II, III, IV“
Und ich hatte darauf – Punkt für Punkt („ausgerechnet“; Totalitarismustheorie; Wiederkehr von Hitler) – geantwortet: TaP 23. August 2009 um 21:16 Uhr, Abschnitte „Zum Unterschied zwischen NS und Demokratie“, „Unterstellungen“ und „Gibt es für KommunistInnen kein kleineres Übel?“
3.
„Zum ‚geringeren Übel’: bestimmt man die demokratische Herrschaft und nimmt dann meinetwegen den Abgleich vor, ob sie für die Abschaffung von bürgerlichen Staat und Kapitalismus taugt, kommt man selbstredend auf ein Nein, weil sie als Herrschaftsform des bürgerlichen Staates ja den mit Kapitalismus als ihr Mittel erfolgreich voranbringen will.“
Daran ist zutreffend, daß ein friedlich-legaler Übergang zum Sozialismus ziemlich ausgeschlossen ist (und zwar, weil eher die Herrschenden die Demokratie aufgeben – nicht weil es keinen Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur [im staatsrechtlichen Sinne] gäbe); insofern ‚taugt’ auch die Demokratie dafür nichts; allerdings bedeutet sie bessere Vorbereitungsmöglichkeiten und legt daher die geringeren Hindernisse in den Weg.
„weil sie als Herrschaftsform des bürgerlichen Staates ja den mit Kapitalismus als ihr Mittel erfolgreich voranbringen will.“ – hier haben wir wieder den Willensidealismus. Was sie will und was sie tatsächlich macht und sogar tendenziell machen muß, sind ja aber zweierlei. Auch das hatten wir schon.
Damit erübrigen sich auch die an das Zitat anschließenden Sätze desselben Absatzes. Ergänzend sei dennoch auf folgendes eingegangen: „schmackhaft machen möchte, dass sie doch eigentlich“ – zu „eigentlich“ (vs. tatsächlich“) s. bereits oben. Ist nicht meine Position. „Schreckgespenst“ s. oben bereits zu „erfundenes Dilemma“.4.
„im Übrigen kennt die Demokratie doch den demokratisch-rechtsstaatlich geregelten Übergang in den Faschismus in Form der Notstandsgesetze.“
Ein Notstand in einer Demokratie ist etwas anderes als Faschismus. Ein Notstand bleibt an inhaltliche und verfahrensmäßige Voraussetzungen gebunden, ist typischerweise auf bestimmte Mittel beschränkt, während andere weiterhin ausgeschlossen sind, und es gibt Regelungen darüber, daß und wie er wieder außer Kraft zu setzen ist. All diese Regelungen und Vorkehrungen können versagen. Zweifelsohne. Nur ändert dies nichts am Unterschied zwischen vorher (Demokratie) und nachher (Faschismus).
Im übrigen kam Franco bekanntlich durch einen Militärputsch an die Macht, auch die NS-Machtübernahme war – entgegen der BRD-Staatsideologie nicht legal –, sondern ein stufenweiser Putsch des Reichspräsidenten gegen das positive Weimarer Verfassungsrecht (s. http://userpage.fu-berlin.de/~dgsch/docs/StaR-P_w_2_Ueb_zumF-Stand.pdf, S. 54 – 62). Ob und welche Rolle Notstandsgesetze beim Übergang zum Faschismus in Italien spielten, müßten ich erst nachschlagen; Ob und welche Rolle Notstandsgesetze beim Übergang zum Faschismus in Italien spielten, müßten ich erst nachschlagen; außerhalb Europas erfolgte der Übergang zu nicht-demokratischen bürgerlichen Herrschaftsformen typischerweise in Form von Militärputschs, oder? [zurück] - Eine andere Frage ist, ob die differentia specifica mit zitierten Satz hundertprozentig treffend, formuliert ist: Sicherlich haben schon Sklavenhalter die Produkte der Sklavenarbeit nicht ausschließlich selbst verbraucht, sondern teilweise auf Märkten (gegen Geld) getauscht; trotzdem habe sie kein Kapital akkumuliert, sondern allenfalls Schatzbildnerei betrieben. [zurück]
- Ist noch ein zweites Beispiel nötig? – Ebenfalls im Kapital kritisiert Marx die „ökonomistischen Apologetik“ wie folgt: „Zwei Punkte sind hier charakteristisch für die Methode der ökonomistischen Apologetik. Erstens die Identifizierung von Warenzirkulation und unmittelbarem Produktenaustausch durch einfache Abstraktion von ihren Unterschieden. Zweitens der Versuch, die Widersprüche des kapitalistischen Produktionsprozesses wegzuleugnen, indem man die Verhältnisse seiner Produktionsagenten in die einfachen Beziehungen auflöst, die aus der Warenzirkulation entspringen. Warenproduktion und Warenzirkulation sind aber Phänomene, die den verschiedensten Produktionsweisen angehören, wenn auch in verschiednem Umfang und Tragweite. Man weiß also noch nichts von der differentia specifica dieser Produktionsweisen und kann sie daher nicht beurteilen, wenn man nur die ihnen gemeinschaftlichen, abstrakten Kategorien der Warenzirkulation kennt. In keiner Wissenschaft außer der politischen Ökonomie herrscht so große Wichtigtuerei mit elementarischer Gemeinplätzlichkeit.“ [Marx: Das Kapital, S. 1192 f. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 4506 (vgl. MEW Bd. 23, FN 91 auf S. ??? zu S. 128]. – Auch die „gemeinsame Basis“ (Bericht über den Decker-Vortrag) von Demokratie und Faschismus zu betonen, ist ein ‚elemantarischer Gemeinplatz‘, wenn es darum geht, den Faschismus, d.h.: seine Spezifik zu erkennen! [zurück]
- Das wäre allein dann anders, wenn FaschistInnen den Faschismus zur ‚wahren Demokratie‘ erklären. Am sachlichen Ergebnis ändert diese Umdefinition des Wortes „Demokratie“ aber nicht das geringste. Der Unterschied zwischen Faschismus und dem, was die UmdefinierInnen als ‚unwahre Demokratie‘ (= Demokratie im nicht-faschistischen Sinne) ansehen, bliebe bestehen und würde auch von den UmdefinierInnen nicht bestritten. Wir können also festhalten: Der Unterschied zwischen Demokratie (im nicht-faschistischen Sinne) und Faschismus existiert – nach allem, was wir wissen (mal sehen, ob Peter Decker unser Wissen korrigiert…). Dieser Unterschied kann – je nach politischem Standpunkt – mit einer positiven Wertung zugunsten der einen oder anderen Seite versehen werden. [zurück]
Bei der Antidemokratischen Aktion geht die Diskussion weiter; hier mein nächster Kommentar:
I. DIE ANTWORTEN BESCHÄTIGEN DIE KRITIK:
1. Auf Agitation / Überzeugungsarbeit reduzierter Politik-Begriff
Ich hatte behauptet: „Aber Kräfteverhältnisse und Kämpfe sind ja anscheinend etwas, das in der gegenstandpunkt-lerischen Theorie-Bildung vollständig abwesend ist; und politische Praxis ist anscheinend auf Agitation reduziert.“
noID (30. August 2009 um 11:49 Uhr) antwortet auf meine weitere Behauptung, „Die reale Demokratie ist das kleinere Übel“:
Nur zur Erinnerung: Es war porada ninfu, der/die die Ausdrücke „Supermarkt“ und „aussuchen“ (bzw. bei porada ninfu vielmehr: „einkaufen“) einführte. Nicht ich.
Das Aussuchen ist einE PappkameradIn, der/die sich leicht umhauen läßt.
Übrig bleibt daher nur: noID hält es anscheinend für unmöglich auf den Gang der Geschichte Einfluß zu nehmen. Sonst würde er/sie ja auf meine Hinweise zu Kräfteverhältnissen, Kämpfen und Bündnisse eingehen.
noID bestätigt also meine Kritik.
Genauso Krimis (anscheinend der neue Nickname von porada ninfu). Auf meine Frage, „Wie wird erfolgreich gekämpft?“ antwortet er/sie: „Den Erfolg der Überzeugungsarbeit hat man nicht in der Hand, weil es davon abhängt, ob sich das Gegenüber überzeugen lässt.“
Letzteres ist zwar wahr, aber diese Antwort auf meine Frage bestätigt auch: Zum Thema „kämpfen“ fällt Krimis nichts anderes ein als „Überzeugungsarbeit“. Genau diese Reduktion hatte ich kritisiert.
2. Denunzierung politischen Position-Beziehens als „moralisch“
Ich hatte behauptet, daß die Anerkennung (durch die ADA, Krim / porada ninfu), daß es politische Positionen gibt, die nicht moralisch seien, ein bloßes Lippenbekenntnis sei (nur ihre eigene Position sei ‚wirklich‘ nicht moralisch).
Krimis (30. August 2009 um 15:26 Uhr)
liefert nun einen weiteren Beweis für meine Behauptung. Auf meine Äußerung, „d.h.: postuliere meine Position als die höherwertige und bekämpfe die andere“, antwortet Krimis:
a) Ich hatte nicht von moralisch höherwertig gesprochen. Ich hatte von höherwertig gesprochen.
Wenn Krimis schreibt, „Systemkritische politische Kämpfe finden also darum statt, ob es vernünftig ist, das Eigentum zu wollen.“, dann ist damit ein weiterer möglicher Maßstab für höherwertig genannt.
Daß ich mit „höherwertig“ konkret „moralisch höherwertig“ meinen würde, ist also eine bloße Unterstellung.
b) Da ich Moral und politische Positionierung anhand des Allgemeingültigkeitsanspruch der ersteren unterscheide (und diesem Unterscheidungskriterium ist bisher nicht widersprochen worden), ist meine Positionierung bspw. für eine herrschaftsfreie Gesellschaft (und erst recht für kleinteiligere Ziele, für die erstrecht kein Allgemeingültigkeitsanspruch erhoben werden kann) nicht moralisch. Jedenfalls nicht im Sinne meiner Moral-Definition. Von einem „Bekenntnis“ zum Moralischsein, kann daher keine Rede sein.
Sicherlich – mit einer gewissen Berechtigung ließe sich sagen, es sei doch ‚wirklich‘ im Gemeininteresse, wenn alle auf Herrschaftsansprüche und Herrschaftsausübung verzichten würden. NiemandE würde dann mehr beherrscht und niemandE müßte dann mehr befürchten, von anderen beherrscht werden zu sollen.
Gut – aber: Was soll ich dagegen einwenden, wenn dennoch jemandE vorzieht, herrschen zu wollen und zu versuchen, seinen/ihre Herrschaftsanspruch durchzusetzen (und damit das Risiko einzugehen, besiegt und dann an der weiteren Verfolgung seines/ihres Herrschaftsanspruchs gehindert zu werden)?! Da hilft kein Appell an ein vermeintliches Gemeininteresse; diese Person hat praktisch die Existenz eines solchen (vermeintlichen) Gemeininteresses widerlegt. In diesem Fall hilft keine Behauptung eines Gemeininteresses, sondern nur die Durchsetzung des eigenen Interesses.
c) Daß mein politisches Positionieren nicht unter meinen Moral-Begriff fällt, kann Krimis freilich nicht hindern, zu versuchen nachzuweisen, daß mein politisches Positionieren dennoch unter seinen Moral-Begriff fällt. Das müßte er dann freilich tatsächlich erst einmal versuchen. Bisher ist das nicht erfolgt.
Und falls ihm dieses gelingt, wäre es halt doch nur ein weiteres Indiz dafür, daß alle politischen Positionen außer der GSP-Position als moralisch denunziert werden.
II. DIE ANTWORTEN WIDERLEGEN DIE KRITIK NICHT
1. Gibt es kein kleineres Übel?
Ich hatte nun schon mehrfach auf die realen Unterschiede zwischen der reale bürgerlichen Demokratie und dem realen Faschismus hingewiesen (ich spare mir erneute Querverweise).
noID antwortet mit einer bloßen Frage:
Für wen? – Für alle die Demokratie in der Perspektive von Herrschaftsüberwindung kritisieren. Für diejenigen, die die Demokratie in der Perspektive von Herrschaftsverschärfung kritisieren nicht. Für DemokratInnen ist die Demokratie gar kein Übel – weder ein größeres noch ein kleineres.
„unter welchen Umständen“ – Immer, solange eine sozialistische Transformation nicht durchzusetzen ist.
Warum? – Hatte ich bereits ausführlich zu Stellung genommen (erneute Querverweise spare ich mir, wie gesagt).
Ja, das Lob ist insoweit auch nicht falsch – soweit die darüber hinaus notwendige Kritik nicht vergessen wird.
Argument für die Nicht-Inkompatibilitäts-Behauptung? Wie soll gleichzeitig Demokratie und Faschismus möglich sein?! – Die ganz ähnlich gelagerte Behauptung der ADA habe ich im übrigen schon längst widerlegt.
2. Die Schlußfolgerung vom ‚das Eigentum wollen‘ zum ‚Staat wollen‘ zur Moral
Krimis – 30. August 2009 um 13:34 Uhr:
Die Hervorhebungen können aber kein Argument gegen meine Einwände sein – dazu müßte schon auf sie eingegangen werden. Ich hatte geschrieben:
„Ich vermerke nur kurz, daß in dem Zitat keine Begründung für den Übergang von Staat als ‚Gewaltsubjekt ihres Gemeininteresses‘ zur Moral genannt ist (Warum reicht nicht das positive Recht? Warum die von Euch sog. ‚Verdoppelung‘ des Rechts durch die Moral?!). Auch die Begründung für den Übergang von Eigentum zu Staat ist schwach. Wenn die Leute den Staat ‚wollen’, um Eingriffe in fremdes Eigentum auszuschließen, warum ‚wollen’ sie dann nicht einfach das fremde Eigentum respektieren? In dieser ganzen ‚willens-theoretischen’ Erklärung gesellschaftlicher Verhältnisse […] steckt doch einfach der Wurm drin – und mit Marxismus hat das auch nichts zu tun: [… – dann folgten noch zwei Marx-Zitate].“ (TaP 30. August 2009 um 9:01 Uhr, FN 1 – die Numerierung und Formatierung der FN ist schlechterdings verloren gegangen; es handelt sich jedenfalls um die Stelle vor dem ersten „zurück“-link in meinem Kommentar).
Gegenargumente gibt also anscheinend keine. Ah, doch:
Krimli (30. August 2009 um 17:06 Uhr):
Wo bleibt denn hier jetzt die Spezifik des Kapitalismus und des bürgerlichen Staates? Beruht der Kapitalismus auf Diebstahl (das ist Proudhon nicht Marx!) oder auf freiem und gleichen Warentausch? Wenn ‚die Leute‘ ‚wollen‘, daß es freien und gleichen Warentausch gibt (weil sie das für eine äußerst profitable Produktionsweise halten), dann muß es sie auch ‚kümmern‘, wenn andere Leute beklaut werden, und es muß sie auch davon abhalten, durch eigenen Diebstahl die Grundlage der von ihnen ‚gewollten‘ Produktionsweise zu untergraben. Die Frage, daß Einzelne es „alleine gegen eine ganze Gesellschaft aufnehmen müssten“, stellt sich in der von Dir behaupteten Weise nicht – und kann daher auch keine Erklärung für den Staat bieten.
III. KONSEQUENZLOS ZUGESTÄNDISSE
Krimis – 30. August 2009 um 13:34 Uhr:
1. „alle“ – „fast alle“
Ist die Verallgemeinerung nun korrekturbedürftig oder „nicht […] zutreffend“?! – Falls ersteres – ich hatte schon geschrieben:
„Wenn aber anerkannt wird, daß nicht ‚alle Leute‘ das Eigentum und damit den Staat wollen und damit moralisch sind, […], dann bricht das ganze hermetische, gegenstandpunkt-lerische* Gebäude (Die Leute sind moralisch, haben einen Moral-Tick, nur die GSPler[innen?] nicht […].) zusammen.“
Dann gibt es nicht mehr die zwei sauber getrennten Lager, sondern dann kommen vielmehr die Kontingenzen des politischen und ideologischen Kampfes ins Spiel. Aber damit will Krimis ja weiterhin nicht zu tun haben – er/sie will sich (wie bereits zitiert) auf Überzeugungsarbeit beschränken.
Wenn Ihr nunmehr anerkennt, daß nicht nur GSP-ler(innen?) das Eigentum ‚nicht wollen‘, Ihr aber weiterhin der Ansicht seid, daß das ‚das Eigentum wollen‘ die Ursache des Moralischseins sei, dann kommt Ihr in die Verlegenheit erklären zu müssen, worum Leute, die das Eigentum nicht wollen, Eures Erachtens trotzdem moralisch sind.
2. Wo kommt das ‚Wollen‘ ‚des Eigentums‘ her?
„Ich habe gerade nicht behauptet, dass aus dem Eigentümersein, der Wille zum Eigentum folgt. Warum die Leute Eigentümer sein wollen und wie sie dazu kommen Eigentümer sein zu wollen, war nicht Gegenstand der Theorie. Ich gehe quasi von dem empirischen Befund aus, dass fast alle das Eigentum wollen.“
Okay, Du hattest es nicht behauptet (das hatte ich aber auch nicht behauptet; ich hatte eine Vermutung geäußert, was Du wohl sagen wolltest). Aber – die spannende Frage ist ja: Hast Du es nur nicht behauptet? Oder meinst Du es auch nicht?
Denn: Wenn das EigentümerIn-Sein-Wollen nicht die automatische Folge des EigentümerIn-Seins ist (der sich nur GSP-ler[innen?] auf wundersame Weise entziehen können), dann stellt sich die Frage: Wie kommen die unterschiedlichen Willen zustande?
Und damit sind wir wieder bei den Kontingenzen des politischen und ideologischen Kampfes.
3. Unterschiedliche Einzelinteressen und unterschiedliche Moralvorstellungen
Das Gleiche ließe sich auch anhand des Zugeständnisses, daß es unterschiedliche Einzelinteressen und unterschiedliche Moralverständnisse gibt, zeigen. Konsequenzen werden wiederum keine aus der Einsicht gezogen. Und es wird auch nicht erklärt, warum das ‚Wollen‘ ‚des Eigentums‘ uniform zum Moralischsein führt (warum eigentlich? – Es gibt doch auch einen herrschaftsaffirmativen Amoralismus.), aber dennoch vielfältige Moralvorstellungen zuläßt.
Krimis – 30. August 2009 um 15:26 Uhr
Das bestätigt (1.) meinen Indifferenz-Vorwurf und kann aber (2.) keine Konsequenz aus den Unterschieden sein. „Gegner von beidem“ zu sein, kann nur die Konsequenz aus dem sein, was beide gemeinsam haben. (Und mit der Konsequenz würde ich – im Sinne der leninischen These, daß Demokratie eine Staatsform sei und folglich zusammen mit dem Staat absterben solle – mitgehen.)
Dies beseitigt aber nicht die Frage, wie sich – angesichts der Unterschiede – in Situationen zu verhalten ist, in denen es nicht möglich, beide zu besiegen.
Diese Frage läßt sich auch nicht mit der argumentlosen Behauptung aus der Welt schaffen, diese Frage zur Kenntnis zu nehmen, sei „Untertanengesinnung“ (Krimis).
V. MISSVERSTÄNDNIS
Krimis – 30. August 2009 um 13:34 Uhr
Nein, hatte ich nicht mitbekommen – da ich Deinen erneuten Nick-Wechsel nicht mitbekommen hatte. Der Kommentar, zu dem ich bei „Moral-Tick“ verlinkt hatte, war mit „Krimi“ gezeichnet.
Dies schien mir eine Persiflage auf „Krim“ zu sein. – Zumal mir Deine Einwände gegen Imma auch Deine dreisätzige ‚Moral-Theorie‘ zutreffen scheinen.
VI. FATALISTISCHER VOLUNTARISMUS ODER REVOLUTIONÄRE POLITIK
Krimis – 30. August 2009 um 15:26 Uhr:
Krimis antwortet auf meine Position: „Wenn Kommunismus nicht sein kann, dann soll lieber Demokratie als NS sein.“:
Kritikabel ist Deines Erachtens, daß ich eine ggf. (und zur Zeit: in der Tat) bestehende Realität zur Kenntnis nehme und vorschlage, die politische Strategie darauf einzustellen. Na wunderbar!
Nicht Kritikabel soll dagegen sein, sich auf das ‚Nicht-Wollen des Eigentums‘ und Agitation für dieses ‚Nicht-Wollen‘ zu beschränken.
Mir scheint: Die unterschiedlichen Positionen liegen klar auf dem Tisch – jedeR kann wählen.
Auf weitere Details der Kommentaren bis 17:06 zu antworten, spare ich mir daher (die dort vorgebrachten Argumunte sind keinesfalls besser) – nur ein besonders absurdes Beispiel sei noch erwähnt:
1. gibt es einen Unterschied zwischen hätte gemacht und hat gemacht (schon mal von gehört?!). Oder wollt Ihr – Willensidealist(inn?)en die Ihr seid – sagen, das wirkliche Problem seien nicht die Taten, sondern die mentale Bereitschaft zur Tat?!
und
2. gibt es einen Unterschied, zwischen tatsächlich Töten, um einen anderen Zweck durchzusetzen, und tatsächlich Töten als Selbstzweck. Auf dieser Ebene (in Bezug auf tatsächlich stattgefundene Taten) spielt das damit verbundene Bewußtsein/Wollen als sekundärer Bewertungsmaßstab tatsächlich eine Rolle. Denn in der Begrenzung des Tötens auf die Erreichung eines anderen Zwecks liegt tatsächlich eine Begrenzung des Tötens. – Und die „westlich[e] Wertgemeinschaft“ hat nicht nur keine Shoah durchgeführt, sie wollte und will auch keine durchführen (weder an der japanischen Bevölkerung, noch an der sowjetischen, noch an der vietnamesischen, noch an der muslimischen).
Und noch ein Kommentar von mir:
@ Krimli 31. August 2009 um 13:02 Uhr
1.
Der erste Satz ist zweifelsohne korrekt. Der Rest beweist nur Deinen Idealismus: a) Eine zutreffende Erkenntnis des Kapitalismus führt nicht zwangsläufig zu einer negativen Haltung zu ihm. b) Wenn Du nicht zugleich eine realistische Perspektive des wirklichen Kämpfens (jenseits von „Überzeugungsarbeit“) aufzeigst, wird ‚den Leuten‘ der Weg vom Tellerwäsche zum Millionär alle Male aussichtsreicher vorkommen, als mit Dir ‚den Kommunismus zu wollen‘.1
„irgendwann“, „vielleicht“ – das die Vertagung auf den St. Nimmerleins-Tag. Wie sollen denn die KommunistInnen eine „echte Bewegung“ werden, wenn sie nirgends politisch-praktisch intervenieren, nirgends die Brauchbarkeit ihrer Analysen und Strategien unter Beweis stellen, sondern sich nur auf die Produktion und Verbreitung von ‚Erklärungen‘ („indem man ihnen den Kapitalismus erklärt“) beschränken?!
2.
Und was machst Du, wenn Du behauptest, daß die Abschaffung des Eigentums „vernünftig“ sei (ich hatte schon darauf in meinem vorhergehenden Kommentar hingewiesen)?! Ist für Dich „vernünftig“ nicht höherwertig als „unvernünftig“? (Daß es mir bei „höherwertig“ nicht um moralische Werte geht, hatte ich auch schon geschrieben.2 Meinetwegen ersetzen wird „höherwertig“ durch „überlegen“. Aber das wäre auch problematisch, weil es „Stärke“ konnotiert [‘überlegen‘ – ‚jemandem unterliegen‘]; aber eine politisch richtige Position ist nicht auch automatisch durchsetzungsfähig [= überlegen i.d.S.].)
Aber meinetwegen: Wenn Du an Deiner Definition von „Höherwertigkeitsanspruch“ = „Moralismus“ festhalten willst (aber was hat das eigentlich mit Deiner ‚Eigentum-Staat-Moral-Theorie‘ zu tun?!), dann bin ich meinetwegen moralisch. Aber wenn Du dann weiterhin an Deiner BeWERTung „moralisch“ = „falsch“ festhältst, dann bis Du kein ernsthafteE DiskussionspartnerIn/-gegnerIn mehr.
Die eigene Position für höherwertig zu halten (= von der eigenen Position überzeugt zu sein), ist die Teilnahmebedingung für jede ernsthafte Diskussion. Wenn Du nicht die Höherwertigkeit (= Überlegenheit) Deiner Position behauptest, dann könntest Du Dir – statt hier zu diskutieren – auch ein Fußballspiel oder ein Autorennen angucken oder selber mitmachen, um Deine Zeit zu verbringen und vielleicht auch den benötigten Adrenalin-Kick zu bekommen.
Wenn Du Deine Position nicht für höherwertig hältst, dann geht es Dir hier nicht um Beweise (in Tatsachenfragen), Begründungen (in Bewertungsfragen) und Argumenten (in beiden Fällen), sondern um eine ‚intellektuelle’ Spielerei.
3.
Dann macht mal einen Querverweis.
4.
Habe ich auch nicht behauptet. Ich habe vielmehr gesagt: Daß, weil ich KEINEN Allgemeingültigkeitsanspruch erhebe, sondern meine Positionierungen offen als parteilich zugebe, meine Positionierungen nicht moralisch (i.S. dieser in der Tat gängigen Moral-Definition) sind. Genau deshalb hatte ich mich für die mutmaßlich abweichende Moral-Definition der ADA interessiert.
5.a)
Und?! Deine Formulierung „Gegner des Eigentums und des Kapitals“ auch.
5.b)
Wie soll denn in Deinen Augen eine Kritik ohne Maßstab funktionieren?! Eine theoretische Position kann bspw. am Maßstab der Wissenschaftlichkeit (oder der Übereinstimmung mit der Lehre der Katholischen Kirche – oder was auch immer) gemessen und ggf. kritisiert werden (im ersten Fall kann von „wissenschaftlicher Kritik“ gesprochen werden). Eine politische Realität (hier: die existierende Herrschaft) kann nur am Maßstab eines politischen Ziel (im Normalfall des eigenen) kritisiert werden (eine derartige Kritik setzt zwar Erkenntnisse voraus, ist aber selbst nicht Erkenntnis, sondern Bewertung).
(Oder noch mal, falls da die [Terminologie-]Differenz liegt – irgendwo hatte ich es schon geschrieben: „wissenschaftliche Kritik“ (war eine Formulierung der ADA, oder?) ist nur an Gegenstände möglich, die selbst theoretisch sind. Ein Phänomen wie Herrschaft kann dagegen 1. [unabhängig von jeder Bewertung] wissenschaftlich erkannt UND 2. politisch bewertet = kritisiert werden. Kritik und Wissenschaftlichkeit fallen in diesem Fall – anders im Falle der Kritik an einer konkurrierenden Theorie – nicht zusammen.)
6.
Falsch geraten; s. http://theoriealspraxis.blogsport.de/2009/08/17/gelesen-1708/, Nr. 1 (vgl. 2).
Meine Position zu „Freiheit (und Gleichheit)“ kannst Du da nachlesen (eine Zwischenüberschrift lautet: „Freiheit und Gleichheit – nicht Verschleierung, sondern Wahrheit des kapitalistischen Warentauschs“. Wenn, dann diese Position und nicht irgendwas kritisieren.
7.a)
Aha. Und warum (anscheinend: ausschließlich?) das?! Ihr habt schon eine echt merkwürdige Privatsprache.
7.b)
Daß die Demokratie im Vergleich mit dem NS lobenswert ist, habe ich nie bestritten. Das war (und ist) vielmehr meine Ausgangsthese, an der die ADA Anstoß nahm.
Für solche Albernheiten habe ich keine Zeit. Entweder beschäftige Dich mit meinen tatsächlichen Äußerungen oder laß‘ es ganz bleiben.
8.
Für diesen – nunmehr behaupteten – Übergang, kannst Du aber auch den Staat und das Eigentum ganz weglassen. Für diesen Übergang reicht jede beliebige Situation, in der es verschiedene Einzelinteressen und (Deiner Ansicht nach) trotzdem ein Gemeininteresse gibt.
Und wo konstruiere ich bitte sehr, „ideell ein zu [m]einem Interesse passendes, nicht gegensätzliches Gemeininteresse“?!
(Für eine durch Herrschaft und Ausbeutung strukturierte Gesellschaft bestreite ich ohnehin die Existenz eines „Gemeininteresses“. Und zum Ziel einer Gesellschaft ohne Herrschaft und Ausbeutung hatte in meinem vorhergehenden Kommentar [I.2.b)] geschrieben:
„Sicherlich – mit einer gewissen Berechtigung ließe [Konjunktiv!] sich sagen, es sei [indirekte Rede!] doch ‚wirklich‘ [distanzierende Anführungszeichen!] im Gemeininteresse, wenn alle auf Herrschaftsansprüche und Herrschaftsausübung verzichten würden. NiemandE würde dann mehr beherrscht und niemandE müßte dann mehr befürchten, von anderen beherrscht werden zu sollen. Gut – aber: Was soll ich dagegen einwenden, wenn dennoch jemandE vorzieht, herrschen zu wollen und zu versuchen, seinen/ihre Herrschaftsanspruch durchzusetzen (und damit das Risiko einzugehen, besiegt und dann an der weiteren Verfolgung seines/ihres Herrschaftsanspruchs gehindert zu werden)?! Da hilft kein Appell an ein vermeintliches Gemeininteresse; diese Person hat praktisch die Existenz eines solchen (vermeintlichen) Gemeininteresses widerlegt. In diesem Fall hilft keine Behauptung eines Gemeininteresses, sondern nur die Durchsetzung des eigenen Interesses.“)
9.a)
Eigentum gibt es aber nicht nur unter Herrschaft der kap. PW, und von Freiheit und Gleichheit stand bei Dir nichts.
9.b)
Dann erklär‘ mal, was in Deinen Augen eine „Ableitung“ ist, und hinsichtlich des ‚Willens zum Staat‘ machst Du doch nichts anderes als unterstellen. Frag‘ mal Leute, ob sie „den Staat wollen“. Die werden Dir entweder wegen der merkwürdigen Formulierung einen Vogel zeigen oder mit den Achseln zucken und sagen: „Was soll ich den wollen oder nicht – den gibt’s halt.“
9.c)
Ich habe gar nicht gesagt, daß sie tatsächlich ein Gemeininteresse haben. Ich habe gesagt, wenn Du nimmst, daß sie den Staat ‚wollen‘ (weil sie das Eigentum ‚wollen‘), dann kannst Du auch gleich einfach annehmen, daß sie ihr Eigentum gegenseitig respektieren, weil sie den freien und gleichen Warentausch wollen.
9.d)
Und damit fehlt wieder die Kapitalismus-Spezifik.
Wo liegt denn hier die Kausalität: ‚Weil es ihnen nicht gelingt, haben sie die ganze Gesellschaft gegen sich‘?! Was hat denn das eigene Nicht-Gelingen, mit der Haltung der Gesellschaft als Folge zu tun?
Von jedem Reichtum oder nur in ihrem eigenen? Falls ersteres: Wie kommst Du darauf? Und warum gibt es dann einen Staat und nicht BürgerInnenkrieg? Falls letzteres: Dann reicht eben das ‚Wollen’ des freien und gleichen Warentauschs.
10.a)
1. ist der Staat eben nicht das Gemeininteresse (wie soll ein Staat ein Interesse sein?!); das ist vielmehr Deine – allein schon sprachlich konfuse – Unterstellung. Und auch das, was der Staat macht, entspricht nicht dem Gemeininteresse (da es das in einer von Herrschaft und Ausbeutung strukturierten Gesellschaft nicht gibt), sondern dem ‚Ausgleich‘ zwischen einigen herrschenden Interessen unter Berücksichtigung einiger subalterner Einzelinteressen. – „Den Klassenkampf nicht vergessen!“ (Mao) – auch nicht im ideologischen Bereich (TaP).
2. Außerdem ändert das Dazwischenschieben des Staates nichts an Deiner Verlegenheit – zumindest, wenn Du zugibst, daß es außer GSP-ler(innen?) ein paar Leute gibt, die nicht nur das Eigentum, sondern auch den Staat ‚nicht wollen’. (Und falls Du tatsächlich meinst, daß nur GSP-ler[innen?] den Staat nicht wollen, müßtest Du erklären, wie es im Rahmen Deiner ‚Ableitungslogik‘ möglich ist, das Leute das Eigentum ‚nicht wollen’, den Staat aber schon.)
10.b)
Und aus welchen Gründen bist Du gegen ‚das Eigentum‘?
Siehe meinen o.g. Text zu „Freiheit und Gleichheit“.
Ich weiß zwar nicht, wenn Du mit „Eure“ noch alles so meinst – aber was mich angelangt: 1. Es stimmt nicht. 2. Herrschaft und Ausbeutung sind zu unterscheiden. Deshalb verwende ich i.d.R. diese Doppelformel. Nur, wenn es im spezifischen Kontext geboten ist, und vereinzelt aus Gründen der Sprachökonomie (dann aber: beispielhaft), verwende ich nur einen der beiden Begriffe. 3. Die Ablehnung von „Armut und Ausbeutung für die große Masse der Bevölkerung“ einerseits und „riesige Massen von abstraktem Reichtum“ für den kleinen Rest der Bevölkerung andererseits garantiert ihrerseits keine nicht-moralische Position.
Stimmt nicht; laß‘ die Unterstellungen.
11.
Auch das bestätigt nur meine Indifferenz-These. „produziert sie Armut, Elend und Tote“ gilt nicht nur für die bürgerliche Demokratie, sondern für alle möglichen Herrschaftsformen – und was es ansonsten noch für Unterschiede gibt, interessiert Dich nicht. – Und warum bist Du denn dagegen, daß die Demokratie „Armut, Elend und Tote“ produziert? Doch nicht etwas aus moralischen Gründen?! – Oder bist gar nicht dagegen?
12.
Das wiederholt nur Deine bereits vorgebrachte und kritisierte Behauptung, bringt aber kein Argument.
13.
Wer ist denn hier jetzt moralisch? Du doch.
1. Es gibt die (damalige) Wirklichkeit nicht zutreffend wieder, Staatsinteresse und Antisemitismus dermaßen engzuführen, und den gesellschaftlichen Antisemitismus und, daß es auch den Nazis nicht nur um ‚den Staat‘ ging, außen vorzulassen.
2. Daß „sie als Staatsschädlinge angesehen wurden“, war nicht der „Zweck“, sondern eine (unzutreffende) Realitätswahrnehmung. Allenfalls ließe sich sagen, daß es der Zweck der Shoah war, den deutschen Staat gegen die (fälschlicherweise pauschal, obwohl es tatsächlich allenfalls auf eine kleine Minderheit linker Juden und Jüdinnen zutraf) als Staatsschädlinge angesehenen Juden und Jüdinnen ‚zu verteidigen‘. Wenn überhaupt, war das (eingebildete!) ‚den Staat verteidigen‘ der Zweck, aber nicht das Ansehen der Juden und Jüdinnen als „Staatsschädlinge“
3. liegt u.a. gerade in diesem antisemitischen Bedrohungsphantasma, das sich in keiner Weise für konkrete Handlungen und Gesinnungen von Juden und Jüdinnen interessierte (und es ging auch nicht in erster Linie um den Raub jüdischen Eigentums) die Spezifik des NS und ein Grund der Exzeptionalität des nationalsozialistischen Mordens.
Und genau das unterscheidet den NS von
++ jedem kolonialen und/oder imperialistischen Raub- und Eroberungskrieg,
und
++ auch von einem hypothetischen NATO-Atomkrieg gegen die WVO-Staaten (der aber nicht stattfand – hast Du schon mitbekommen, oder?!),
in deren Rahmen das Töten (einschließlich der billigend in Kauf genommen Kollateralschäden) ein – durchaus rationales [einzelne ‚Kalkulationsirrtümer’ nicht ausgeschlossen] und darin begrenztes – Mittel zu einem Zweck war/ist, ---
während es dem eliminatorischen Antisemitismus um das Töten als solches von Juden und Jüdinnen ging.
(Dies heißt im übrigen keinesfalls, das sich der NS auf dieses Bedrohungsphantasma reduzieren ließe – was hier aber nicht weiter ausgeführt werden muß, weil derartiges hier noch niemandE behauptet hat.)
Weder der Zweck noch die reale Praxis der bürgerlichen Demokratie besteht darin, alle Juden und Jüdinnen, noch alle ProletariarInnen noch alle people of colour noch sonst irgendeine Personengruppe (oder auch nur einzeln Leute) wahllos umzubringen.
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Für mich ist die Diskussion mit Dir an dieser Stelle beendet. Für Deine Mischung von Realitätsverleugung, hegelianischer Esoterik, Privat-Sprachen-Begrifflichkeit, die allenfalls auf Nachfrage und auch dann nur zögerlich definiert wird, und Unterstellungen will ich keine weitere Zeit aufwenden, und erfreulicherweise muß ich dafür auch keine weitere Zeit aufwenden. – So wichtig ist das GSP-Phantasma, angeblich überall (in der Linken) herumwabernde, (angebliche und tatsächliche) Moral zu kritisieren, auch wieder nicht.
(Im übrigen läßt sich der tatsächlich häufig kommende linke Moralismus auch ganz ohne Esoterik kritisieren. Ich habe es vorgemacht.)
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Mein abschließender Kommentar zu dieser Diskussion:
@ noID – 31. August 2009 um 18:42 Uhr
Das kommt mir nicht nur so vor; das ist auch so.
Das lenkt von der hier kontroversen Frage ab: Egal, wie Du diese „Gemeinschaft“ definierst (die Linke im allgemeinen; die GSP-ler[innen?] – oder was auch immer), in jedem Fall stellen sich folgende Fragen:
++ Ist es sinnvoll (effektiv), sich auf kommentieren zu beschränken? Oder ist es notwendig zu intervenieren?
++ Ist es also richtig, politische Praxis auf „Überzeugungsarbeit“ zu reduzieren? Oder ist es nicht richtig?
++ Gibt es Unterschiede zwischen verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Ordnungen und Programmatiken (und deren Umsetzung) (z.B. NS und Demokratie oder auch FDP und Linkspartei oder NPD und Grüne), die als größere und kleinere Übel zu bezeichnen sind? Und, falls es die gibt, kann es dann richtig sein, sie in der politischen Praxis zu ignorieren – und einfach gegen ‚alles‘ zu sein, was nicht Kommunismus ist – und sonst nichts weiter?
++ Ist es richtig/zutreffend die wirklichen gesellschaftlichen Widersprüche zwischen den Klassen und anderen gesellschaftlichen Gruppen durch einen ideologischen Widerspruch zwischen Staat/Gemeininteresse und Einzelinteresse zu ersetzen? Oder ist das nicht zutreffend/richtig?
Äh? Und wo liegt jetzt das Argument? Na logisch ist das Kräfteverhältnis unabhängig von dem Vergleich und dessen Durchführung. Die Kausalität ist auch anders herum: Weil es unterschiedliche politische Kräfte gibt, die in einem Verhältnis zu einander stehen, ist es notwendig, diese Kräfte mit einander zu vergleichen, um effektiv agieren zu können. Das ist doch nun wohl wirklich das ABC jeder politischen Praxis.
Auf diese ‚Argument‘ hatte ich schon geantwortet; Querverweis spare ich mir.
Und, was soll daran falsch sein?!
Auch darauf hatte ich schon geantwortet: Es geht nicht um die Rettung irgendeines Ideals einer ‚wahren Demokratie‘, sondern darum, daß die reale bürgerliche Demokratie ein kleineres Übel gegenüber Faschismen u.a. Diktaturen (im staatsrechtlichen Sinne) ist.
@ Administrator 01. September 2009 um 9:02 Uhr
Und warum wiederholst Du das dann noch mal?!
Zu „blamiert“ s. bereits meine Decker-Kritik; ein weitergehendes Argument enthält der Satz nicht.
Nein, nicht „als höheren Werten“ (das ist Deine Projektion auf meinen Text), sondern als tatsächlich existierende politische Ordnungen (was Liberalismus/Demokratie bzw. liberale Demokratie anbelangt), die in der Geschichte öfters der Gefahr ausgesetzt waren und auch weiterhin der Gefahr ausgesetzt werden sein, durch Ordnungen ersetzt zu werden, die Herrschaft und Ausbeutung verschärfen.
Und was den Nationalismus anbelangt: Faschismen ‚an‘ diesem zu messen, wäre in der Tat Unsinn, da Faschismen selbst Nationalismen sind (allerdings ließe sich wohl sagen, daß Faschismen radikalisierte Nationalismen sind).
Und was soll an der von Dir anscheinend abgelehnten Position falsch oder unzutreffend sein?! – abgesehen davon, daß die (bürgerliche) Demokratie nicht die Verwirklichung des ‚höheren Wertes Demokratie ist’ (so aber Deine konfuse Grammatik), sondern schlicht die Demokratie, die mit dem NS verglichen wird.
Doch, das ist genau der Punkt, wenn ich sage, daß es unzutreffend ist, beide gleichzusetzen. Dann mußt Du entweder diese Behauptung widerlegen oder ihr zustimmen oder behaupten, daß sich die Frage im Moment nicht entscheiden läßt. Wenn Du alles drei nicht macht’s, denn hängt Du einfachen einem Glaubenssatz an.
Nicht vorab „interessiert“, sondern: der politische Vergleich – aufgrund der vorhandenen Erkenntnisse über NS und Demokratie –, der erst nach Vorhandensein von Erkenntnissen möglich ist, endet mit dem ‚Lob‘ an die Demokratie, daß sie das kleinere Übel sei – und daran ist aus der Perspektive von Herrschaftsüberwindung nichts falsch. Denn die bürgerliche Demokratie ist nach der sozialistischen Demokratie jene Herrschaftsform, die Herrschaftsfreiheit am nächsten ist (der Einfachheit halber hier unter Ausblendung von patriarchaler und rassistischer Herrschaft formuliert).
Ohne, daß Wissen darüber [darüber, wie die Bestellung des NS-Herrschaftspersonals aussah] existiert, wäre die Schlußfolgerung, daß der NS nicht demokratisch ist, gar nicht möglich.
Und das ist wahr. Und aus dieser Wahrheit sind politische Konsequenzen zu ziehen.
hatte ich auch nicht behauptet. Ich hatte vielmehr behauptet, daß Du aus den auch von Dir selbst – als Lippenbekenntnis – anerkannten Unterschieden keine politischen Konsequenzen ziehst. Und das ist wahr.
Mein Einwand war (1.) nicht, daß es das „auch“ in der Demokratie gibt, sondern mein Einwand war, daß Decker mit dem ‚Gürtel enger schnallen‘ ein spezifisches Charakteristikum des neoliberalen Diskurses mit der Demokratie im allgemeinen gleichsetzt.
(2.) läßt sich mein Einwand – und zumindest angedeutet war er schon – in der Tat dahin zuspitzen: Es ist Quatsch, nach gemeinsamen Merkmalen zu suchen (die Du endlos finden wirst), wenn es vielmehr doch gerade darum geht, die differentia specifica zu ermitteln.
Naja, blieb aber ziemlich konfus – aber mir kommt es ja auch in erster Linie auf die nicht-gezogenen politischen Konsequenzen an (wenn Du zugibst, daß es Unterschiede gibt).
Und? Wofür soll das jetzt ein Argument sein?! Das widerlegt weder, daß es Unterschiede gibt, noch daß es richtig ist, aus diesen Unterschiede keine Konsequenzen zu ziehen.
Im übrigen liegt der Fehler auch darin, den ‚Willen zum staatlichen Erfolg‘ als Schlüssel zum Verständnis von Faschismus zu betrachten.
Das ist alles Blabla, was mit der hier zur Diskussion stehenden Kontroverse nichts zu tun hat.
Zu den „geteilten Ansprüchen“ siehe schon oben. Die Konsequenzen sind auf alle Fälle unterschiedliche – und dafür, daß es nicht notwendig wäre, diese realen Unterschiede in kommunistischer politischer Praxis zu berücksichtigen, enthält dieses ganze Blabla nicht das geringste Argument.
Nein, das ist unlogisch. Denn aus den vermeintlich geteilten Ansprüchen können tatsächlich beide Konsequenzen gezogen werden. Auch wer/welche beide Konsequenzen (und die Ansprüche) nicht mag, kann trotzdem eine der beiden Konsequenzen als weniger ‚ungenehm‘ beurteilen – und muß dann daraus politisch-strategische Schlußfolgerungen ziehen, wenn es nicht möglich ist, beide Übel zu verhindern.
Was aber nichts daran ändert, daß es diese „Be- und Vernutzung“ in unterschiedlichen Graden gibt.
Auch das hatten wir schon. Zu dem Unterschied zwischen ‚tatsächlich tauglich‘ und ‚tauglich halten‘ und den Gründen, warum auch nur teilweise Taugliches gemacht wird (Ambivalenz von Meinungsfreiheit) hatte ich schon geschrieben. Gegenargument gab es nicht.
Genau, das Staatsvolk soll sich selbst drum Gedanken, ob überhaupt und ggf. in welchem Ausmaß es diese Opfer will/hinnimt und es nicht diktatorisch (im staatsrechtliche Sinne) von faschistischen Führern aufgedrückt bekommen.
Genau da haben wir wieder einen Unterschied, und aus diesem Unterschied sind politisch-strategische Konsequenzen zu ziehen.
@ ID – 01. September 2009 um 16:50 Uhr
1. Habe ich gar nicht gesagt, daß man/frau/lesbe vergleichen muß, ich habe vielmehr diejenigen kritisiert, die heute gleichsetzen, z.B., in dem sie Hakenkreuze in USA- und Israel-Fahnen montieren (siehe hier 1, 2 und bei mir: 3 vor dem Hintergrund von 4).
2. Ich habe schon längst erklärt, warum es heute notwendig ist, Nazis und DemokratInnen zu vergleichen, und auch, daß es historisch notwendig war (und wieder werden kann), daß sich KommunistInnen zur Alternative bürgerliche Diktatur (im staatsrechtlichen Sinne) oder bürgerliche Demokratie verhalten: – und zwar hier, Abschnitt I.3.
Auch mit Euch diskutiere ich nicht weiter: Ihr projiziert Euer Feindbild auf meine Position, reagiert auf Einwände, damit, daß ihr einfach Eure Ausgangsthese wiederholt und mittlerweile auch einfach Blabla, – und dann auch pampig werden:
Das war’s dann. Die Differenzen liegen ja klar, die Argumente auch.