Fortsetzung der Diskussion zu Musik und Politik:
Seit einigen Tagen wird in unterschiedlichen Kontexten über Musik und Politik diskutiert; zunächst ging es bei der Linkspartei um Stücke zur RAF. Nun geht es um Faschismus- und Imperialismus-Analysen sowie Verschwörungstheorien – zu wichtige Themen, um sie allein dem üblichen Schlagabtausch zwischen Antinationalen, für die Deutschland nur der kleinste Stein des Anstoßes ist, und AntiimperialistInnen, die immer noch nicht die Spezifik des NS erkennen, zu überlassen:
Während ich mich noch mal mit diebandbreite beschäftigte, machte die hier bereits bei zwei anderen Gelegenheiten (1, 2) zitierte Brummkreislpilotin auf ein am 20.7. veröffentlichtes Video von MaKss Damage, die auch schon erwähnt wurden , aufmerksam:
Jede Menge Nationalfahnen von vorgeblich fortschrittlichen Staaten oder „nationalen Befreiungsbewegungen“ im Kontrast mit Israel- und USA-Fahnen, die natürlich jeweils mit einem Hakenkreuz „ergänzt“ sind. Dazu so großartige Zeilen wie etwa: „Linkspartei-Missgeburt“ oder „WTC-TNT-CIA-Abgesprochen-Türme weg-Kriegsgrund-Ölquellen-Waffenlobby-Georg Bush-Affenmensch-Weißes Haus-Weimar-Pentagon-Reichstag-Unterschied-Keiner“ oder auch „Buchenwald-Massengrab-Israel-Terrorstaat-Intifada-So lange bis die ganze Welt es sagt“.
I.
Den ersten Kritikpunkt finde ich etwas übertrieben: „Jede Menge Nationalfahnen von vorgeblich fortschrittlichen Staaten oder ‚nationalen Befreiungsbewegungen‘ im Kontrast mit Israel- und USA-Fahnen“. – Politik fand im 19. und 20. Jahrhundert und findet auch im Moment und auf sehbarer Zeit – trotz allen Globalisierungsgeredes – u.a. im nationalsstaatlichen Rahmen statt. Linke Politik konnte das nicht einfach voluntaristisch überspringen, sondern mußte und muß sich darauf einstellen. Was Sabine Grimm und Cornelia Eichhorn bereits vor längerer Zeit in Bezug auf das Geschlechterverhältnis schrieben, gilt entsprechend auch nationale / koloniale / rassistische Unterdrückung:
Einstweilen hat die Dekonstruktion der Geschlechterkategorie die Diskussionen auf die unsinnige Frage gebracht: Gibt es die Frauen oder gibt es sie nicht?, während die sexistischen Gewaltverhältnisse weitgehend aus dem Blickfeld geraten sind. Als könnte das Zauberwort soziale Konstruktion die Herrschaftsverhältnisse auflösen und die Kategorie Frau überwinden, bevor die Frauen den alltäglichen Sexismus zurückgedrängt haben.
Für diejenigen, die die israelische Staatsgründung als notwendige Konsequenz aus der Shoah ansehen, sollte es nicht allzu fernliegen – trotz der Unterschiede zwischen Shoah und Kolonialismus –, andere Staatengründungen als notwendige Konsequenz aus dem europäischen Kolonialismus anzusehen – was freilich weder die Politik dieser Staaten noch die lange Zeit von Metropolen-Linken praktizierte Soli-Arbeit außer Kritik stellt. Nur gilt auch hier wieder: Die Wahrheit ist konkret, und jede Pauschal-Kritik geht an den faktischen Grundlagen von Fehlern und Kritik vorbei.
II.
Dem Rest der Brummkreislpilotin-Kritik sei hier allerdings vollständig zugestimmt: Zu dem diebrandbreite-Äquivalent zu „Abgesprochen-Türme weg“ hatte ich mich bereits heute morgen kritisch geäußert. Die von der Brummkreislpilotin kritisierte Passage „Weimar-Pentagon-Reichstag-Unterschied-Keiner“ ist bei „Reichstag“ mit einem Foto des Nazi-Reichstages unterlegt,
danach folgt:
und die Nachkriegspolitik der USA erscheint in Video und Text als nahtlose Fortsetzung der Nazis-Politik („Konsequenz gab’s nie / Übersee / Kalter Krieg / V 2 / Schweinebucht“).
Dieser Sichtweise fehlt jede faktische Grundlage: Die USA haben weder die Shoah fortgesetzt, noch einen industriellen Massenmord an einem anderen Volk begangen, noch den Angriffskrieg gegen die Sowjetunion fortgesetzt – vielleicht nur Dank der sowjetischen Abschreckung. Aber die USA-Politik ließ sich immerhin abschrecken, während die Nazis-Hybris grenzenlos war. Die USA haben die innerimperialistische Konkurrenz ökonomisch (und bei militärischer Kooperation) ausgetragen, während Nazi-Deutschland auch innerimperialistisch in erster Linie auf militärische Gewalt setzte.
Noch haltloser ist die nahtlose Reihung „Buchenwald-Massengrab-Israel-Terrorstaat“
(bildlich untermalt wohl mit einem Nazis-Massengrab, dann der israelischen Fahne [mit Hakenkreuz-‘Ergänzung‘] und schließlich einer israelischen Axt über einem Ararber-Kopf)
- trotz aller Kritik die (auch gegen anti-antiimperialistische Einsprüche) an der israelischen Politik zu üben ist.
Im Vergleich damit ist „Gorbatschow [dem Blut auf die Hand montiert wird, TaP] / Hurensohn / KomIntern Flavour / alles wird gut“ eine grandiose Analyse; und eine Gewaltpropaganda jenseits von Zeit und Raum („1. Mai Kreuzberg Straßenschlacht Nachtschicht / Molotowcocktail Bullentod Macht nichts“ und „Merkel Tod / Westerwelle Rollstuhl“ (mit einem Rollstuhl-Symbol unterlegt = Querbezug zu dem nicht politisch motivierten Schäuble-Attentat) eine hervorragende Strategie.
Tatsächlich wird damit der Unterschied zwischen politisch motivierter, zweckrational für einen emanzipatorischen Zweck eingesetzter Gewalt und allen anderen Formen von Gewalt negiert.
Der radikale, revolutionäre, kommunistische Anspruch, der mit dem Stück verbunden sein mag, wird damit ebenso negiert.
III.
Makss Damage sollen bei einem Soli-Konzert für die 1. Mai-Gefangenen und Alexandra (beschuldigt wegen Brandstiftung außerhalb des 1. Mai) auftreten. Die Brummkreislpilotin bezieht den Aufruf zu dem Konzert in ihre Kritik ein:
Die ARAB, die NORDOST MAFIA und die JUGENDANTIFA NORDOST veranstalten doch tatsächlich am 7. August im Festsaal Kreuzberg in Berlin ein Konzert mit diesem „Klassenkampf-Rapper“. […]. Letztens ist mir der Flyer zu diesem „Solikonzert für die 1.Mai-Gefangenen und Alex“ in die Hände gefallen und der Aufruftext ist nur ganz knapp über dem Niveau der Texte von Holger und Makks.
Diesem Flyer ist allerdings seine Kritik am mainstream-RAP zugute zu halten:
Wir finden auch, dass das Leben im Ghetto hart ist. Aber nicht wegen der „schwulen Rapper“ und so, sondern wegen der mörderischen sozialen Verhältnisse, die das kapitalistische System täglich produziert.
„Westerwelle Rollstuhl“ + Rollstuhl-Symbol kann sich allerdings kaum noch von homophobem RAP abgrenzen: Mag im ersten Fall auch das Ziel ‚richtiger‘ bestimmt sein – aber: zur Gewaltpropaganda jenseits von Zeit und Raum wurde oben schon etwas gesagt, und das Rollstuhl-Symbol spielt nicht anders mit Ressentiments, die überhaupt nicht links sind, als dies homophober RAP tut. (Und ob es eigentlich Zufall ist, daß ausgerechnet Westerwelle den Rollstuhl ‚verpaßt‘ bekommt, wäre auch noch interessant zu wissen.)
Der Anspruch des Soli-Konzerts und der vorhergehenden Diskussionsveranstaltung ist:
Unsere einzige Waffe gegen die Versuche uns zu spalten, ist unsere Solidarität. […]. Wir müssen uns nun der Frage stellen, wie wir die Solidarität organisieren, damit ihr System der Knäste und Bullenknüppel wirkungslos wird. Um diese Frage und andere zu besprechen und danach mit großartigen Live-MCs ein wildes Fest des Hasses auf Staat, Kapital und Bullenschweine zu feiern, laden wir euch am 7.August nach Kreuzberg ein
Die Nivellierung des Unterschiedes zwischen der Shoah und allem anderen, wogegen sich die Linke auch noch wendet, untergräbt jede Solidarität; und „Westerwelle Rollstuhl“ ist keine Grundlage für einen erfolgreichen Kampf gegen „Staat, Kapital und Bullenschweine“; und das fragliche Stück macht allenfalls den schwärzesten Momenten in der Geschichte der KomIntern (der Sozialfaschismus-These und der stalinischen Massenrepression) Ehre (Stalin wird auch tatsächlich – zusammen mit Marx, Engels und Lenin dem Video vorangestellt) und übertrifft diese noch negativ.
KommunistIn sein, heißt, auch Kunst nach politischen Kriterein zu bewerten: „Er [in dem Fall: Paul Claudel – aber das spielt hier weiter keine Rolle] formuliert in einer großartigen künstlerischen Weise einen Gedanken oder ein Gefühl, das mir absolut negativ erscheint. Ich will das gar nicht. Wieso denn? Aus sozialen Gründen will ich das nicht! Das muß es doch geben.“ (Brecht) -
obwohl es ein eingäniges Stück ist, wie auch im übrigen RAF Anthem (zu dem ich übrigen weiterhin nur marginale Textkritik hätte).
bei der kritik mit den nationalfahnen hats du irgendwie total ignoriert, dass da auch steht „im Kontrast mit Israel- und USA-Fahnen, die natürlich jeweils mit einem Hakenkreuz „ergänzt“ sind.“
@egal
Vielen Dank für den Hinweis.
Aber mir scheint, mit der Gleichsetzung von Nazi-Deutschland einerseits sowie US-Imperialismus und Israel habe ich mich ausführlich kritisch auseinander gesetzt. Die Fahnen-Montage ist dafür nur ein weiteres Beispiel.
Und die Brummkreilspilotin schreibt: „Jede Menge Nationalfahnen von vorgeblich fortschrittlichen Staaten oder ‚nationalen Befreiungsbewegungen‘ im Kontrast mit Israel- und USA-Fahnen, die natürlich jeweils mit einem Hakenkreuz ‚ergänzt‘ sind.“
Mir scheint die grammatische Form (durch Komma abgetrennter Nachsatz: „die natürlich jeweils mit einem Hakenkreuz ‚ergänzt‘ sind“) drückt aus, daß die hineinmontierten Hakenkreuze für die Brummkreilspilotin nur das Tüpfelchen auf dem i sind, ihre Kritik aber schon bei der Gegenüberstellung der Fahnen als solches beginnt.
Auch „vorgeblich fortschrittlichen Staaten“ (meine Hv.) und „‚nationalen Befreiungsbewegungen‘“ (schon bei der Brummkreislpilotin in einfachen, distanzierenden Anführungszeichen) ist in meinen Augen eine zu pauschale Kritik. Genau damit hatte ich mich in Abschnitt I. meines Textes beschäftigt („Den ersten Kritikpunkt finde ich etwas übertrieben: …“).
Die Seite „Du bekämpfst ständig das Böse und Du bist die pure Liebe der ganzen Planeten“
hat folgende Meinung zu dem zitierten Text der Brummkreislpilotin:
Nun ja, die Brummkreilspilotin hatte sich zwar etwas kürzer gefaßt als ich – aber Kritik würde ich das schon nennen, was sie geschrieben hat. Und mit Zitaten aus den lyrics hat sie die Kritikpunkte auch belegt. Und die Frage einer richtigen oder falschen Einschätzung des Nationalsozialismus würde ich auch nicht bloß „moralisch“ nennen.
Verlinkt wird von Du bekämpfst … zur Seite Im Moment vorbei. Dort befindet sich u.a. ein Kommentar des Verfassers des Geprüften Arguments:
Er sei auf meine beiden Texte Eine Warnung vor dem Zensur-Begriff und Über den Nutzen von Definitionen und ein paar andere Anmerkungen verwiesen.
gott, bist du ein volldepp!
@brüller
Ja, Danke. Hast Du auch ein Argument?
Wollte mich an dieser Stelle einmal dafür bedanken, daß es Blogs gibt wie den von Dir geführten. Auch wenn Du auf Indy ja durchweg negative Reaktionen erfährst, man Dich wiederholt als „Sekte“ diffamiert und, meinem Verständnis nach, nicht einmal im Ansatz versucht zu verstehen, worauf Du hinaus wilst, wollte ich auf diesem Wege mitteilen, daß Du Dir gewiss sein kannst, daß es ein paar mehr Menschen gibt, die versuchen „anders“ an etwas heranzugehen als die Masse (auch der sich selbst als emanzipatorisch nennenden „Linksradikalen“) es tut.
Geforderte Ebenen werden nur spärlich selber eingehalten, da wird auf politischer, soziologischer, philosophischer oder whatever Ebene angefangen und argumentiert und sobald das eigene Gerüst zu wanken beginnt, aufgrund einer Gegenargumentation selber Ebene, wird schnell gewechselt zu etwas emotionalem etc. Wie es eben am besten passt, Diskursethik 2.0.
Ich halte es für wichtig, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, auch wenn der erste Eindruck mitunter zu Beissreflexen führen möchte, die Summe ist immer größer als die einzelnen Teile und was ist schon die Wahrheit und die Wirklichkeit.
Leider ist festzustellen, insbesondere in den letzten Jahren, daß eine Argumentation (sofern es denn überhaupt eine gibt) ohne die Begründung auskommt, ohne metatheoretische oder ontologische Grundlage, hauptsache ersteinmal losbrüllen. Wie unlogisch einige Statements Teile „der Linksradikalen“ ausfallen, darf man jeden Tag auf diversen Blogs, Nachrichtenportalen und in Printmedien sehen und hören. Verweist man auf „das Ende der Fahnenstange“, sprich auf die Folgen einer Aussage bei stringenter Weiterführung eigener Logik, kommt leider sehr oft nichts anderes als: Wer hat dich denn gefragt! Schade eigentlich, da es die Frage aufwirft, worum es eigentlich geht. Um eine (Real)Utopie der Veränderung oder schlicht und ergreifend doch nur um das Aufrechterhalten eines Feindbildes….Wie dem auch sei….weitermachen.
Gruß aus Hamburg
Vielen Dank!
:-)
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