– Eine Rekonstruktion postmoderner Lesweisen –
Diplomarbeit FU Berlin, 1996
115 Seiten.
Ich mache an dieser Stelle meine Diplomarbeit aus dem Jahre 1996 als .pdf-Text-Datei online zugänglich. Für diese Veröffentlichung habe ich die Arbeit noch einmal Korrektur gelesen und Tippfehler beseitigt (soviele wie das waren, sollte ich den Vorgang bei Gelegenheit noch einmal wiederholen; dann gibt es ein update) sowie neuformatiert (die ursprünglich Seitenzählung war ohnehin fehlerhaft) und einige Nachbemerkungen hinzugefügt.
Die eingereichte Fassung der Arbeit ist unter der Signatur D.A. 5068 in der Bibliothek des Fachbereiches Sozialwissenschaften der FU Berlin einsehbar.
In der Arbeit wurden drei Tendenzen innerhalb der Postmoderne unterschieden:
► Eine analytisch-affirmative Tendenz,
► eine normativ-kritische Tendenz
und schließlich
► eine analytisch-kritische Tendenz.
Die analytisch-affirmative Tendenz diagnostiziert eine Pluralisierung des/r Subjekte/s, und parallel dazu sieht sie die – als bereits existierend aufgefaßte – postmoderne Gesellschaft als pluralistisch und allenfalls noch lokal (also nicht mehr strukturell) vermachtet* an. Zur Verteidigung dieser Auffassung stützt diese Tendenz sich neben analytischen Erwägungen vor allem auf einen philosophischen Idealismus, der die Existenz oder zumindest die Erkennbarkeit der außer-diskursiven Realität bzw. materieller Machtstrukturen leugnet.
Die normativ-kritische Tendenz sieht die gesellschaftlichen Verhältnisse (weiterhin oder neuerdings) als ‚totalitär‘ an, behauptet einen ‚Verlust‘ des Subjektes und setzt den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen das Plurale, Lokale und Differente als politische Kritik entgegen. Dies läuft letztlich – zusammen mit einer lebensphilosophischen Wissenschaftsfeindlichkeit – auf eine Rehabilitierung der in hegel-marxistischer Tradition stehenden Kritischen Theorie hinaus: Die Totalitäts-Kategorie wird nicht als analytisch ungeeignet verworfen, sondern zur Kritik der vermeintlichen Realität verwendet. In diesem Rahmen wird dem Einen, dem Identischen, das Andere, das Differente, entgegensetzt und damit – entgegen dem eigenen Anspruch – zwangsläufig das komplementär-hierarchische Verhältnis des Einen zu dem Anderen reproduziert.
Während die beiden erstgenannten Tendenzen mit ihren pluralistischen Lesarten moderne Positionen wieder in die Postmoderne einschreiben, erweist sich dagegen die dritte, anti-pluralistische Lesart – die analytisch-kritische Tendenz – mit ihrer Betonung der gesellschaftlichen Antagonismen als konsequent postmodern. Nach deren Auffassung sind die gesellschaftlichen Verhältnisse gleichzeitig plural und vermachtet. Sie diagnostiziert keinen ‚Subjekt-Verlust‘, auch keine Pluralisierung des/r Subjekte, sondern kritisiert den emphatischen Subjekt-Begriff der Moderne als illusorisch. Dieser Lesart geht es weder um eine Identifizierung mit den herrschenden Verhältnissen noch um eine ‚Aufwertung‘ bzw. ‚positive‘ Umwertung der beherrschten Seite(n), dem Anderen, dieser Verhältnisse. Vielmehr geht es dieser Tendenz um eine grundlegende Umwälzung der bestehenden Verhältnisse und damit auch der beiden Seiten dieser Verhältnisse, also um eine Politik der konsequenten Ent-Identifizierung.
In soziologischen Termini des sozialen Wandels läßt sich diese Unterscheidung folgendermaßen reformulieren: Tendenz 1 überschätzt den Wandel, der zwischen der Moderne und dem, was sie Postmoderne nennt, eingetreten ist. Tendenz 2 unterschätzt demgegenüber den der Moderne immanenten Impuls zum sozialen Wandel, während Tendenz 3 gerade den der Moderne immanenten sozialen Wandel untersucht, der (noch) nicht zu herrschaftsfreien, postmodernen Verhältnissen geführt hat.
In politische Termini übersetzt ließe sich sagen, daß die erste Tendenz mit neoliberalen Positionen und die dritte im revolutionär-marxistischen konvergiert, während die zweite sowohl mit linksradikalen als auch linksliberal/linkssozialdemokratischen, reformistischen Positionen einhergehen kann.
* Zu diesem Ausdruck siehe die entsprechende Nachbemerkung in der Arbeit.